Manchmal ist es gut, Texte für sich sprechen zu lassen. In einer Woche werden die deutschen Bischöfe während ihres Ad limina-Besuchs in Rom Gelegenheit haben, mit den Leitern der zuständigen vatikanischen Dikasterien über die bisherigen Ergebnisse des Synodalen Wegs und die noch zur Abstimmung anstehenden Schritte sprechen zu können. Und das sind nun einmal Texte. Es ist ein ganzer Berg von Texten.
Was in der gedruckten Beilage (online in den nächsten Tagen nach und nach in diesem Dossier) zu lesen ist, sind abgesehen von einer einleitenden Erklärung der Initiative "Neuer Anfang" deshalb nur Kernsätze aus den Grund- und Handlungstexten der deutschen Synodalen, ergänzt jeweils durch eine einleitende Einordnung, die deutlich macht, in welche Stoßrichtung die Protagonisten des Synodalen Wegs zielen. Diese Zusammenfassung, die der "Neue Anfang" zusammengestellt hat, liegt auch in mehreren Sprachen den Bischöfen der Weltkirche vor. Und die Leiter der römischen Dikasterien konnten sich die vollständigen Papiere, die die Synodalversammlungen in Frankfurt bereits beschlossen haben, schon genauer zu Gemüte führen.
Das Fragezeichen des Papstes
Nun hatte es bereits zahlreiche Stimmen von Bischöfen aus der Weltkirche gegeben, die in öffentlichen Schreiben größte Sorge über die "Theologie des Bruchs" geäußert hatten, die in den deutschen Synodal-Texten zum Ausdruck kommt. Auch hat der Nuntius in Berlin detaillierte Berichte über die Versammlungen des Synodalen Wegs nach Rom geschickt. Wirklich Gewicht hatte es aber bereits vor Monaten, dass sich mit den Kardinälen Christoph Schönborn und Walter Kasper zwei Schwergewichte in das synodale Geschehen nördlich der Alpen eingemischt haben. Beide stehen dem Papst nahe, Franziskus übertrug Schönborn das Grundsatzreferat, als es 2015 beim 50-Jahr-Jubiläum der römischen Bischofssynode um die Synodalität ging. Und Kasper war einer der Initiatoren des Briefs an das "Pilgernde Volk Gottes in Deutschland", mit dem Papst Franziskus 2019 seine Fragezeichen hinter das deutsche Unternehmen setzte.
In einem Interview mit der Internationalen katholischen Zeitschrift "Communio" bescheinigte der Wiener Kardinal den deutschen Bischöfen, dass endgültig bei der Synodalversammlung vom Februar dieses Jahres in Frankfurt "etwas falsch gelaufen" sei: Für ihn ist es ein Unding, "dass man so schnell vom Missbrauchsthema zu Kirchenverfassungsfragen übergeht". Er bezweifle, "dass Missbrauch in der Kirche geschehen ist, weil es keine Gewaltenteilung im Sinne demokratischer Rechtsstaaten gibt".
Tatsächlich war die sogenannte MHG-Studie von 2018 der Anlass, den Synodalen Weg zu starten, auf dem die deutschen Bischöfe und das Zentralkomitee der Laien vordergründig dem Missbrauch den Boden entziehen wollen.
Ganz andere Themen
Doch dann ging es auf den Synodalversammlungen um eine Durchsetzung von Forderungen, die in Theologenkreisen und katholischen Verbänden schon lange kursieren: Lockerung des Zölibats, Frauenweihe und eine neue, der heutigen Zeit angepasste Sexualmoral. Vor allem gleichgeschlechtliche Beziehungen sollen neu, das heißt positiv bewertet (und gesegnet) werden. Dahinter steckt ein anderes Bild von Kirche: Es gibt nicht mehr die unverhandelbaren Grundlagen des Glaubens, wie sie durch die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift grundgelegt sind und in ihren Entfaltungen durch die Tradition zu den Menschen von heute kommen. Sondern das, was Wahrheit ist, vermittelt sich den Nachwachsenden stets aufs Neue durch "Zeichen der Zeit", wie es im "Orientierungstext" des Synodalen Wegs heißt, bei denen sich "im Glaubenssinn der Gläubigen immer wieder eine Selbstmitteilung Gottes" ereignet. Nicht mehr ein apostolisch begründetes Lehramt soll die Wahrheit für alle Getauften verbindlich machen, sondern der Geist der Zeit soll je wechselnde Wahrheiten zugänglich machen, wie etwa in der Bewertung von gleichgeschlechtlichem Sex.
Ein Weg der Demenz
Kardinal Kasper wurde deshalb in seiner Stellungnahme noch grundsätzlicher als Kardinal Schönborn. In einem ausgearbeiteten Referat für den dritten Online-Studientag der Initiative "Neuer Anfang" sprach er von der "Ursünde" des deutschen Wegs, "dass er gleich am Anfang den Brief des Papstes und seinen Vorschlag, vom Evangelium und vom Grundauftrag der Evangelisierung auszugehen, mehr oder weniger zur Seite gelegt und einen eigenen Weg mit teilweise anderen Kriterien eingeschlagen hat". Es irre, wer meine, so Kasper, die Kirche von Null auf neu konstruieren zu können. Das sei eine "der schlimmsten Krankheiten, mit denen ein Mensch geschlagen sein kann", die Demenz.
Das Bischofsamt sei eines der Grundpfeiler der alten Kirche, "der bis heute in Ost und West allen Kirchen des ersten Jahrtausends gemeinsam ist". Versuche des Synodalen Wegs, eine Art Rätesystem einzuführen, nennt Kasper eine aus dem "Ungeist kommende Idee". Als Bischof "auf seine Aufgaben und Autorität zu verzichten und zu erklären, den Entscheidungen der Synode oder des künftigen Synodalrats zu folgen", sei faktisch das Ende des Bischofsamtes. "Wer an diesem Pfeiler sägt, der bricht der Kirche das Genick." Es gehe um die Wahrheit des Evangeliums, darum, in der Spur des Evangeliums zu bleiben, wie jeder Bischof es bei seiner Bischofsweihe öffentlich versprochen habe. Eindringlich fügt er hinzu: "Darüber werden wir einmal Rechenschaft abgeben müssen." Und er, Kasper, könne nicht sehen, wie er beim Jüngsten Gericht einzelne schon beschlossene Aussagen des Synodalen Wegs als mit dem Evangelium vereinbar vertreten könne.
Eine Geißel des Klerus
Die Missbrauchskrise ist im Kern eine Glaubenskrise. Wie kann ein Priester fromm und gläubig die Eucharistie feiern und den Leib Christi in den Händen halten und anschließend ein Kind oder einen Heranwachsenden missbrauchen? Das mag in einem Einzelfall aus Schwäche heraus geschehen, aber die Zahlen haben gezeigt, dass der Missbrauch eine wirkliche Geißel im Klerus der katholischen Kirche geworden ist. Die sexuelle Revolution der späten sechziger und beginnenden siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist auch an der Kirche und ihren geweihten Dienern nicht vorübergegangen.
Paul VI. hat in jener Zeit sehr darunter gelitten, dass katholische Priester in Scharen ihren Dienst aufgaben. Aber da ging es nicht immer um den Zölibat. Es ist eine Glaubenskrise, die sich auch darin zeigt, dass im Westen die Kirchen immer leerer werden, die Weitergabe des Glaubens in den Familien nicht mehr funktioniert und die Katechese im Grunde zusammengebrochen ist. Wollte der Synodale Weg aus dieser Glaubenskrise heraushelfen, hätte er bei dem beginnen müssen, mit dem die Kirche ihren Anfang genommen hat: Jesus Christus. Hat er aber nicht. Der Geist, der ihn stattdessen umtreibt, ergibt sich glasklar aus den Zitaten auf den folgenden Seiten.
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