Erst am Freitagmittag bestätigte das vatikanische Bollettino, was in Wien seit Mittwochabend die Runde macht, nämlich dass der bisherige Apostolische Administrator Josef Grünwidl neuer Erzbischof von Wien und damit Nachfolger von Christoph Schönborn auf der Wiener Kathedra wird.
Bei der ersten Pressekonferenz des neu ernannten Erzbischofs am Freitagnachmittag in Wien konnte sich der Pressesprecher der Erzdiözese, Michael Prüller, einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Wie das so ist in Österreich: Die Bekanntgabe erfolgt durch eine Indiskretion aus dem Ministerrat.“ Grünwidls Amtsvorgänger, Kardinal Christoph Schönborn, gestand bei der Pressekonferenz, er habe sich „gewünscht, dass er mein Nachfolger wird“.
Grünwidl: Übernehme „ein gut bestelltes Haus“
In Anspielung auf die lange Sedisvakanz sagte Grünwidl: „Sehr lange hat es gedauert. Wir mussten lange warten in der Erzdiözese – und ein bisschen bin ich daran mit Schuld.“ In den ersten Wochen als Administrator sei er „wirklich erschlagen“ gewesen von der Vielfalt der Aufgaben. Er habe darum dem Nuntius im Frühjahr mündlich und schriftlich erklärt, er sehe sich nicht in der Lage, die Aufgabe des Erzbischofs zu übernehmen. In den neun Monaten als Administrator habe sich aber vieles verändert „in mir und mit mir“. Überall in der Erzdiözese habe man ihm gesagt, er solle nicht Nein sagen, wenn er gefragt werde. „Gott will mich nicht perfekt, aber verfügbar!“, so Grünwidl. Jetzt sage er gerne und aus ganzem Herzen Ja und übernehme „ein gut bestelltes Haus“. Diese Aufgabe nehme er in Demut an. „Ich bin zu der Überzeugung gekommen: Niemand ist für dieses Amt geeignet.“
Er selbst sehe sich als Seelsorger, Teamplayer und Brückenbauer, sagte Grünwidl. Er wolle nicht in Verwaltungsaufgaben untergehen, sondern bei den Armen, Kranken, Kindern und Jugendlichen sein. „Den synodalen Weg, den Papst Franziskus der Kirche verordnet habe“, wolle er gerne mitgehen: „Es braucht das Gespräch. Wir gestalten Kirche miteinander.“ Er wolle innerkirchlich wie im ökumenischen und interreligiösen Dialog Brücken bauen. Ungerechtigkeiten müssten benannt werden, meinte Grünwidl, der in diesem Zusammenhang ausdrücklich den „Schutz des Lebens am Anfang und am Ende“ nannte. Die Kirche sei „besser als ihr Ruf“, sie lebe in den Pfarreien, geistlichen Bewegungen und Ordensgemeinschaften. „Die Kirche ist lebendig, auch wenn wir vor großen Herausforderungen stehen.“
Zölibat soll freiwillig werden
Auf Journalistenfragen sagte der neu ernannte Erzbischof von Wien, den Zölibat habe es in der Kirche immer gegeben und es werde ihn immer geben. Er trete aber dafür ein, dass der Zölibat freiwillig sei, so Grünwidl, der auf die unierten und orthodoxen Kirchen verwies. Er sei „für eine Entkoppelung“, damit junge Männer „den Lebensstand wählen können, der ihnen entspricht“.
Mit der jüngsten Synode sei das Thema der Stellung der Frau „endgültig in der Kirche angekommen“. Es gebe jetzt schon viele Möglichkeiten, die wenig genutzt würden. Es seien in den Pfarreien vor allem Frauen, die sich einbringen, um Kirche zu gestalten. Ausbaufähig sei die Einbindung von Frauen in den Entscheidungsgremien. Grünwidl wörtlich: „Die Weihe der Frau ist ein anderes Thema, das weltkirchlich kein brennendes Thema ist, nur bei uns in Westeuropa. Das wäre eine derartige Veränderung, dass diese Frage nur in einem Ökumenischen Konzil entschieden werden kann. Aber ich kann mir auch das vorstellen.“
Die Kirche habe große Schätze, die sie „möglichst gut, großzügig, gastfreundlich und menschenfreundlich“ präsentieren solle. Es brauche eine Willkommenskultur in der Kirche. Er selbst habe nicht vor, in den Fußstapfen von Kardinal Schönborn zu gehen, sondern werde es auf seine Art machen. Ihm würden nicht die Strukturfragen am meisten Sorgen machen, sondern die Frage: „Wie kann das kirchliche Leben an möglichst vielen Orten lebendig bleiben. Die Kirche ist ein Nahversorger.“ Angesichts des demografischen Wandels und des Mitgliederschwundes müsse er dafür sorgen, „dass in den Gemeinden die Stimmung nicht kippt“. DT/sba
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