Nicht einmal zwei Tage war Papst Leo im Libanon. Doch es wurden zwei Tage, die das leidgeprüfte Land der Zedern nicht so schnell vergessen wird. Ganz anders als in der Türkei hatte das „Papstfieber“ den Libanon schon im Vorfeld erfasst.
Für Rony Rameh, den Verantwortlichen des libanesischen Zweigs von „Comunione e Liberazione“, hatte die Vorfreude auf den historischen Besuch gläubige Christen wie auch Nicht-Christen erfasst. „Es war wirklich bewegend zu sehen“, meinte er gegenüber der „Tagespost“, „wie sich jeder Winkel des Libanon mobilisiert, um dem Heiligen Vater seine herzliche und teilnahmsvolle Gastfreundschaft zu zeigen.“
Kulturelle Veranstaltungen und Gebetstreffen
Weil die Konferenz der Patriarchen und Bischöfe alle Pfarreien darum gebeten hatte, vor dem Papstbesuch ein Triduum der Anbetung und des Gebets zu begehen, hätten viele Gemeinden bereits vor der Ankunft Papst Leos kulturelle Veranstaltungen und Gebetstreffen organisiert. In anderen Städten und in den Dörfern seien auf den Hauptplätzen Treffpunkte für die Gläubigen eingerichtet worden, die per Video an den Feiern teilnehmen wollten. Ganz Beirut habe sich vorbereitet, so Rameh: „Musikgruppen, Pfarrchöre und Schulen bereiten Lieder vor, die den Papst auf seiner Fahrt begleiten und eine festliche und spirituelle Atmosphäre schaffen sollen.“ Und so war es dann auch.
Immer wieder säumten Menschentrauben und Winkende den Weg der Wagenkolonne des Papstes, als er am Montag und Dienstag quer durch Beirut zu den verschiedensten Treffen fuhr. Bereits am Sonntagabend hatten sich mehrere Hundert meist junge Leute, in strömendem Regen vor dem Präsidentenpalast eingefunden. Vor den Spitzenvertretern des Staats, der Zivilgesellschaft und der Diplomatie gab Leo XIV. wie mit einer Tongabel die Grundmelodie seines Besuchs im Libanon vor: „Sie sind ein Volk, das nicht untergeht, sondern angesichts von Prüfungen stets den Mut findet, sich neu zu erheben. Ihre Widerstandsfähigkeit ist ein unverzichtbares Merkmal echter Friedensstifter: Friedensarbeit ist nämlich ein ständiges Neuanfangen.“
Ganz am Ende, bei der Messe am Dienstagvormittag, setzte der Papst in seiner Predigt auch den dazu passenden Schlussakkord: „Dies ist der Traum, der euch anvertraut ist, das ist es, was der Gott des Friedens in eure Hände legt: Libanon, steh wieder auf! Sei ein Haus der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit! Sei ein Vorbote des Friedens für die ganze Levante!“ Und vor dem Schlusssegen fügte er unter dem Jubel der etwa 150.000 Menschen auf dem Platz noch hinzu: „Der Nahe Osten braucht ein neues Denken!“ Der Weg des Kriegs, des Tötens und der Zerstörung, „deren Folgen wir alle sehen, ist schon viel zu lange beschritten worden.“
Lob der „kleinen Lichter“
Was der Papst im Libanon erntete, war nicht nur der große Respekt, den ihm die Großen des Landes zollten, oder die Zuneigung, die ihm die Leute erwiesen. Obwohl es in Beirut häufiger regnete, waren die Straßen immer voll mit Menschen, die den Papst sehen wollten. Es war vor allem der inhaltliche Gleichklang mit den zivilen und religiösen Autoritäten des Landes, der den Besuch im Land der Zedern ausgezeichnet hat. Die in arabisch, französisch und englisch geschriebenen Worte „Selig den Friedensbringern“ schmückten die Rückwand des Auditoriums – wie sie auch in sechs Sprachen den Altaraufbau zieren sollten, als der Papst am Dienstag die Abschlussmesse feierte. Man hatte den Papst als Friedensbringer erwartet. Und darin waren sich alle einig – über die Grenzen der Religionen hinweg.
Im Präsidentenpalast sprach Leo XIV. vor dem maronitischen Präsidenten Joseph Khalil Aoun, dem schiitischen Präsidenten der Nationalversammlung, Nabih Berri, und dem sunnitischen Ministerpräsidenten Nawaf Salam – vor dem Auftritt im Auditorium war er mit allen dreien in Einzelgesprächen zusammengekommen. Beim ökumenischen und interreligiösen Treffen in einem geräumigen Pavillon auf dem „Platz der Märtyrer“ in Beirut saßen dann am Montagnachmittag die Spitzenvertreter der Religionsgemeinschaften vor dem Papst: ein hoher sunnitischer Geistlicher und ein griechisch-orthodoxer sowie ein syrisch-orthodoxer Metropolit, ein Oberhaupt der Drusen sowie ein armenischer und ein protestantischer Geistlicher sowie ein Vertreter der Alawiten. Ebenfalls war der Lateinische Patriarch Pierbattista Pizzaballa von Jerusalem gekommen.
Die Ansprachen der Religionsführer drehten sich um den Frieden. Und auch Papst Leo verwies auf das friedliche Zusammenleben der Religionen im Libanon: „Es ist eine Aufgabe, die dieses geliebte Land durch die Geschichte hindurch stets begleitet: Zeugnis abzulegen für die bleibende Wahrheit, dass Christen, Muslime, Drusen und unzählige andere zusammenleben und ein durch Respekt und Dialog geeintes Land aufbauen können.“ In einer Zeit, in der das Zusammenleben wie ein ferner Traum erscheinen könnte, würden die Menschen im Libanon eindringlich daran erinnern, dass Angst, Misstrauen und Vorurteile nicht das letzte Wort hätten und dass Einheit, Versöhnung und Frieden möglich sind.
Der Libanon als „Ort der Hoffnung“
Vor den Vertretern der Religionen hatte Papst Leo den Libanon „Ort der Hoffnung“ genannt, die Jugend hatte er am Montagabend vor der Residenz des maronitischen Patriarchen in Bkerké als „Lebenssaft der Hoffnung“ bezeichnet, bei der Predigt während der einzigen öffentlichen Messe am Dienstag, machte er allen nochmals Mut, die Zukunft zu gestalten: Es gelte, die kleinen Lichter wahrzunehmen, die kleinen Zweige der Hoffnung. Man müsse die kleinen Triebe erkennen, die „in den trockenen Garten dieses Moments der Geschichte“ gepflanzt würden. Und der Papst nannte den einfachen und echten Glauben, der in den Familien verwurzelt sei und durch christliche Schulen genährt werde, sowie das beständige Wirken der Pfarreien, Kongregationen und Bewegungen, um den Anliegen und Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden.
Papst Leo dankte den Priestern und Ordensleuten, die sich trotz zahlreicher Schwierigkeiten ganz ihrer Aufgabe widmen, und den Laien, die sich in der Caritas und für die Verbreitung des Evangeliums in der Gesellschaft engagieren würden. „Wegen dieser Lichter, die mühsam die Dunkelheit der Nacht zu erhellen suchen, aufgrund dieser kleinen und unsichtbaren Keimlinge, die jedoch Hoffnung für die Zukunft geben, müssen wir heute wie Jesus sagen: ,Wir preisen dich, Vater!‘ Wir danken dir, dass du bei uns bist und uns nicht wanken lässt.“
Was wirklich hoffen lässt
Am Dienstagmorgen hatte der Papst an der Gedenkstätte im Libanon einen Kranz niedergelegt, dort, wo im August 2020 zwei Explosionen eine verheerende Verwüstung angerichtet hatten. Tausende wurden damals verletzt, Hunderttausende verloren ihre Wohnung, mehr als 200 Menschen starben. Viel Zeit nahm sich Papst Leo für die Angehörigen der Opfer. Immer wieder suchte er die Nähe zu den Menschen, auch beim Kurzbesuch am frühen Dienstagmorgen im Krankenhaus „De la Croix“, das psychisch kranke Menschen behandelt. Es ist das größte Hospital im Nahen Osten.
Was aber im Letzten die Kraft gibt, Not und Leid zu überwinden und einen Neuanfang zu setzen, hatte er am Abend zuvor bei den Jugendlichen genannt. „Was drückt mehr als alles andere die Gegenwart Gottes in der Welt aus?“, fragte er und gab gleich die Antwort: „Die Liebe, die Nächstenliebe! Die Nächstenliebe spricht eine universale Sprache, weil sie zu jedem Herzen spricht. Sie ist kein Ideal, sondern eine Geschichte, die sich im Leben Jesu und der Heiligen offenbart, die unsere Begleiter in den Prüfungen des Lebens sind.“
Zuvor hatten Jugendliche den Papst gefragt, wo sie Halt finden, um im Einsatz für den Frieden durchzuhalten. Und Leo gab die Antwort: „Diesen Halt kann keine Idee, kein Vertrag und kein moralisches Prinzip bieten. Das wahre Prinzip für neues Leben ist die Hoffnung, die von oben kommt: Es ist Christus!“ Der Sohn Gottes, wie ihn das Konzil von Nizäa vor 1700 Jahren definiert hatte, stand in der Türkei im Mittelpunkt. Und derselbe Jesus Christus war es, den der Papst dem Libanon bringen wollte – als tragfähigen Grund für einen dauerhaften Frieden zwischen den Völkern und Religionen.
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