Lange hatte er selbst abgewunken, gegenüber dem Apostolischen Nuntius in Wien wie in Interviews klargestellt, dass er sich selbst nicht als Erzbischof sehe, doch der Papst scheint sein Nein nicht zu akzeptieren. Laut österreichischen Medienberichten will Leo XIV. bereits am Donnerstag Josef Grünwidl zum neuen Erzbischof von Wien ernennen. Zunächst berichtete darüber unter Berufung auf Regierungskreise die Nachrichtenagentur APA, dann online die großen Tageszeitungen „Krone“ und „Kurier“, und schließlich legte auch die kirchenamtliche Nachrichtenagentur „Kathpress“ nach.
Zwar scheint am Mittwochabend noch offen, ob die offizielle Ernennung am Donnerstagmittag oder erst am Freitag erfolgt, doch das dürfte nur noch davon abhängen, wie schnell die österreichische Bundesregierung im Umlaufverfahren ihre Zustimmung gibt. Laut Konkordat ist der Heilige Stuhl verpflichtet, der Bundesregierung vor der Ernennung eines Bischofs in Österreich dessen Namen mitzuteilen. Die Regierung könnte dann theoretisch dagegen „Gründe allgemein politischer Natur“ geltend machen. Durch diese Informationspflicht werden Regierungskreise üblicherweise zur Quelle der Indiskretion, wie offenbar auch im aktuellen Fall.
Mehrfach klar abgewunken
Mit der Emeritierung von Kardinal Christoph Schönborn am 22. Januar 2025, seinem 80. Geburtstag, übernahm sein vormaliger Sekretär Josef Grünwidl als Apostolischer Administrator die Leitung der Erzdiözese Wien. Er hoffe, „dass diese interimistische Leitung nicht allzu lange dauert, und dass mein Amt mit der Ernennung eines neuen Erzbischofs in absehbarer Zeit wieder erlischt“, sagte Grünwidl damals in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Und Kardinal Schönborn, der die Erzdiözese drei Jahrzehnte lang geleitet hatte, betonte: „Ich bleibe ein Altbischof in Rufweite!“ Er wolle „zur Verfügung stehen, wo ich gebraucht werde“.
In der Folge winkte Grünwidl mehrfach ab, als Spekulationen laut wurden, der Administrator könne auch als Erzbischof weiterarbeiten. Selbst als der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, ihn öffentlich als seinen Wunschkandidaten nannte, blieb Grünwidl bei seinem Nein, das er in der Nuntiatur wie in Interviews bekräftigte. Er sehe sich nicht in der Rolle des Erzbischofs, meinte er etwa im Juli im Interview mit den „Niederösterreichischen Nachrichten“.
Schönborns „lieber Freund“
Der künftige Erzbischof Josef Grünwidl (62) stammt aus Hollabrunn im niederösterreichischen Weinviertel, wo er 1981 maturierte. In Wien studierte er Theologie und Orgel als Konzertfach. Er wurde 1988 zum Priester geweiht, war Kaplan, Diözesanjugendseelsorger und von 1995 bis 1998 Sekretär des damals neuen Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn, anschließend Pfarrer und Dechant in Kirchberg am Wechsel sowie in Perchtoldsdorf. 2023 wurde er zum Bischofsvikar für das südöstliche Niederösterreich bestellt. Kardinal Schönborn sagte bei seinem Abschied im Januar, Grünwidl sei ihm gut vertraut und „ein lieber Freund“. DT/sba
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