Professor Weimann, sind die "Ad limina"-Besuche aus der Weltkirche ein frommer Brauch und macht das heute in Zeiten von E-Mail, Telefon- und Video-Konferenzen überhaupt noch Sinn?
Die moderne Technik vermag das persönliche Gespräch und die Begegnung nicht zu ersetzen, von daher sind die "Ad limina"-Besuche in unserer Zeit wichtiger denn je. Der Glaube der Kirche ist keine bloße Theorie, sondern steht und fällt mit der Begegnung. Es geht zunächst um die Begegnung mit dem lebendigen Gott, sie stiftet Gemeinschaft untereinander und ist der gemeinsame Bezugspunkt der weltweiten Kirche. Die Besuche der Bischöfe in Rom sollen eben dies immer wieder in Erinnerung rufen, denn allen kirchlichen Strukturen, Debatten und auch Streitigkeiten muss das Bekenntnis vorausgehen: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" (Mt 16,16).
Man kommt "an die Schwelle der Apostel" Sagt dieser Ausdruck auch etwas über das Apostelamt in der Kirche?
Regelmäßige Besuche der Bischöfe in Rom sind bereits aus dem vierten Jahrhundert bezeugt, wobei sich erst nach und nach ein genaues Prozedere entwickelt hat. Ein weitblickender Bischöfe wie Bonifatius hätte seine wichtige Missionstätigkeit in Deutschland nicht ohne die Rücksprache mit Rom realisieren können. Das Kirchenrecht von 1983 spiegelt in den Erfahrungsschatz der Jahrhunderte wider und verfügt, dass die Diözesanbischöfe alle fünf Jahre über den Stand der ihnen anvertrauten Diözesen Bericht erstatten. Die Worte "Ad limina" haben eine besondere Bedeutung: Sie leiten sich aus dem Satz "Besuch an den Türschwellen, "ad limina" der Apostel Petrus und Paulus" her. Darin kommt zweierlei zum Ausdruck: Zum ersten wird dem Besuch eine geistige Komponente beigemessen, denn ein Bischöfe steht in der apostolischen Sukzession, in der Nachfolge der Apostel. Er ist kein Supermanager oder Geschäftsführer einer NGO, sondern soll zuerst ein Mann Gottes sein, der die Lehre der Apostel bewahrt und darüber wacht. Daher schwört jeder Bischöfe bei seiner Amtsübernahe feierlich und vor Gott, dass er das Glaubensgut unversehrt bewahren, treu weitergeben und auslegen wird. Mehr noch, dass er alle Lehren meiden wird, die dem Glaubensgut widersprechen. Dabei geht es um die Weitergabe dessen, was er selbst empfangen hat (vgl. 1 Kor 11,23), den Schatz des Glaubens, der für das ewige Leben notwendig ist (vgl. Mk 16,16). An diese wesentliche Aufgabe soll der Bischöfe erinnert werden, wenn er zu den Gräbern der Apostel kommt, die für die Wahrheit des Evangeliums ihr Leben gegeben haben. Daraus ergibt sich wie selbstverständlich ein zweiter Aspekt, den der neuernannte Bischöfe ebenfalls im Eid feierlich schwört: die Wahrung der Einheit mit der Universalkirche. Spätestens hier zeigt sich, warum ein "ad limina"-Besuch nicht durch Video-Konferenzen, Telefonanrufe und anderes ersetzt werden kann.
Die Kurienreform von Papst Franziskus hat die Bischofskonferenzen gestärkt. Theoretisch... Wie sieht die praktische Seite aus? Man sagt ja, Franziskus "regiere" ziemlich autokratisch...
Die Kurienreform von Papst Franziskus ist im Sommer 2022 in Kraft getreten. Die entsprechende Apostolische Konstitution trägt den Titel "Praedicate Evangelium". Wie der Name "Verkündet das Evangelium" nahelegt, soll es darum gehen, der Kurie ihre erste und wichtigste Aufgabe neu vor Augen zu stellen: die Verkündigung des Evangeliums, die Evangelisierung. In dieser Perspektive wird die Rolle der Kurie beschrieben, die nicht zwischen Bischofskonferenzen und Papst steht, sondern beiden dient. Die weiteren Ausführungen des Dokuments, die von einer affektiven und effektiven Gemeinschaft untereinander und miteinander sprechen, lässt diesen Aspekt nicht deutlicher werden. Es ist schwer zu verstehen, wie sich dies konkret äußert und was dies für die Praxis bedeutet. Es wird aber deutlich, dass die Kurie dem Papst als sichtbares Prinzip der Einheit und als Nachfolger Petri dient. Mit anderen Worten, am Ende steht und fällt alles mit den Entscheidungen, die der Papst trifft oder nicht trifft.
"Am Ende steht und fällt alles mit den Entscheidungen,
die der Papst trifft oder nicht trifft"
In die Kompetenz welcher vatikanischer Dikasterien fällt der Synodale Weg in Deutschland?
Wie bereits erwähnt, sind die Bischöfe nach dem Kirchenrecht verpflichtet, regelmäßig über den Stand der ihnen anvertrauten Diözesen in Rom zu berichten. Der Synodale Weg mit den vorgeschlagenen Veränderungen hat zweifellos große Auswirkungen auf die einzelnen Diözesen. Daher ist davon auszugehen, dass dieses Thema beim "ad limina"-Besuch eine wichtige Rolle spielen wird, zumal diese Veränderungen Schockwellen in die Weltkirche ausgelöst haben. Dies ist sicherlich keine Übertreibung, denn wenn eine Mehrheit sich entschließt, über grundlegende Fragen nicht nur zu debattieren, sondern von der Lehre der Kirche abweichende Entscheidungen zu treffen, dann wird so etwas in der Weltkirche mit Erschrecken wahrgenommen. Dies gilt auch dann, wenn die grundlegenden Änderungen als "Anfragen" oder "Voten" kaschiert werden. Für den diesjährigen "Ad limina"-Besuch ist ein eigenes Format gewählt worden, dass die Beratungen erleichtern soll. Es wird nicht nur die üblichen Begegnungen zwischen den Bischöfe und den Dikasterien geben, sondern an einem Vormittag werden verschiedene Dikasterien gemeinsam mit den deutschen Bischöfe beraten. Zweifellos wird das Dikasterium für die Glaubenslehre dabei eine wichtige Rolle spielen, wie auch das Dikasterium für die Bischöfe, für die Evangelisierung und andere.

Welche Rolle spielt bei der Abfolge der Gespräche der Bischöfe hier in Rom das Staatssekretariat?
Dass dem Staatssekretariat in der Kurie eine wichtige Aufgabe zukommt, wurde unter anderem in der Erklärung deutlich, die dieses Dikasterium im Namen des Papstes und im Hinblick auf den Synodalen Weg im Juli 2022 verfasst hat. Darin wurde gesagt, dass der Weg in Deutschland nicht befugt ist, "die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten." In früheren Jahren hätte so eine Erklärung vermutlich die Glaubenskongregation als Absender gehabt. Wenn nun das Staatssekretariat diese Aufgabe übernimmt, lässt dies vermuten, dass diesem Dikasterium bei der Koordinierung der Gespräche ebenfalls eine wichtige Rolle zukommt.
Können Sie mir leitende Kuriale nennen, die die Kirche in Deutschland wirklich gut kennen?
Mit der Situation der Kirche in Deutschland sind vermutlich alle leitenden Kurialen vertraut, denn die wesentlichen Texte liegen in unterschiedlichen Sprachen vor. Allerdings werden nicht alle die gegenwärtigen Entwicklungen im Detail zuordnen können. Um aber auf die Frage zu beantworten: der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Kardinal Luis Ladaria Ferrer, ist sicherlich im Bilde, ebenso Kardinal Marc Quellet als Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe wie auch der Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin. Kardinal Kurt Koch, der muttersprachlich Deutsch spricht, ist sicherlich bestens damit vertraut. Es gibt Gerüchte, wonach die kürzlich geführte mediale Kampagne gegen ihn vor allem damit zusammenhängt. Schließlich ist auch der Papst dafür bekannt, gut informiert zu sein, ihm kommt die Letztverantwortung zu.
"Mit der Situation der Kirche in Deutschland
sind vermutlich alle leitenden Kurialen vertraut"
Es gibt da so eine landläufige Meinung: Die deutsche Amtskirche mit ihren Kirchensteuern sei sehr reich und könnte die Dinge mit "San Marco" in Rom schon etwas zu ihren Gunsten bewegen. Ist da etwas dran?
Es ist eine Tatsache, dass die Kirche in Deutschland zu den reichsten der Welt gehört. Mit Geld lassen sich viele gute Dinge machen, aber das Geld kann auch eine große Last sein. Nicht ohne Grund warnt der Herr vor dem falschen Nutzen des Reichtums (Mk 10,25). Es ist ein offenes Geheimnis in Rom, dass viele Gläubige in deutschen Landen die geltende Praxis der Kirchensteuer ablehnen, weil sie mit deren Verwendung nicht einverstanden sind und ein Umdenken fordern. Auch wenn sich mit dem Geld viele Dinge steuern lassen, so gibt es dabei auch Grenzen. Vor allem dann, wenn Positionen vorgebracht werden, die nichts mehr mit der kirchlichen Lehre zu tun haben. Denn schließlich geht es nicht um diese oder jene Meinung, sondern um die Wahrheit Jesu Christi, durch die ewiges Leben geschenkt wird, das bekanntlich nicht käuflich ist.
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