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Kirchliches Arbeitsrecht – quo vadis?

Der Loyalität gegenüber den Regeln der Kirche soll im Arbeitsrecht keine Bedeutung mehr zukommen.
Regenbogenfahne an einer Kirche
Foto: Robert Kiderle (KNA) | Auf die Initiative #OutinChurch hin haben deutsche Diözesen angekündigt, das kirchliche Arbeitsrecht nicht mehr durchzusetzen.

Die katholische Kirche verfügt in Deutschland über ein eigenes Arbeitsrecht und über eigene kirchliche Arbeitsgerichte. Diese Sonderstellung hat ihren Grund einerseits im Selbstbestimmungsrecht der Kirche, das ihr im Grundgesetz garantiert wird. Andererseits in der Tatsache, dass die katholische Kirche zu den größten Arbeitgebern der Bundesrepublik gehört. Auch das Recht der Europäischen Union garantiert den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften die Freiheit, Arbeitsbeziehungen ihrem Ethos entsprechend zu organisieren.

Von den Menschen, die für sie arbeiten, darf die Kirche Loyalität und Aufrichtigkeit im Sinne ihres Ethos verlangen. Wie diese Verpflichtungen der kirchlichen Angestellten, die sogenannten Loyalitätsobliegenheiten, aussehen, haben die Deutschen Bischöfe in der im April 2015 letztmals überarbeiteten „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ dargelegt.
Sie finden sich aber auch in den „Richtlinien über persönliche Anforderungen an Diakone und Laien im pastoralen Dienst im Hinblick auf Ehe und Familie vom September 1995.“ Darin heißt es mit Bezug auf einen Text der Würzburger Synode: „Der pastorale Dienst stellt an die persönliche Lebensführung Anforderungen, die über das für jeden Christen geltende Maß hinausgehen.

Mitarbeiter müssen sich mit ihrem Unternehmen identifizieren

Wer einen pastoralen Dienst übernimmt, ist verpflichtet, sich grundsätzlich mit der Kirche und ihrer Lehre zu identifizieren.“ Kirchliche Einrichtungen nehmen Teil am Sendungsauftrag der Kirche und haben sich demnach an der Glaubens- und Sittenlehre sowie an der Rechtsordnung der Kirche auszurichten. Dies gilt besonders auch für die Mitarbeiter, die einen pastoralen Dienst ausüben oder auf Grund der missio canonica beziehungsweise einer eigenen bischöflichen Beauftragung tätig sind. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche bei der Erfüllung ihrer Sendung.
Ein Vergleich aus der Arbeitswelt macht deutlich, warum dies so ist und sein muss. Ein Vertreter von Audi oder Mercedes wird sich mit der eigenen Firma und Produkten identifizieren, er spricht in dessen Namen, andernfalls würde er dem Unternehmen schaden. Kein Unternehmen würde auf Dauer zulassen, dass ein Vertreter sich gegen das eigene Unternehmen richtet.

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Auch wenn die Kirche kein Unternehmen ist, sondern eine sakramental verfasste Glaubensgemeinschaft, so gelten auch hier sogenannte Loyalitätsobliegenheiten. Sie sind gestuft und gelten zum Teil für alle Mitarbeiter, zum Teil für die katholischen Mitarbeiter und dann noch einmal besonders für Mitarbeiter im Bereich der Pastoral und Katechese, die für ihren Dienst eine besondere Beauftragung erhalten haben.

Verstöße gegen die Verpflichtungen, die zur Entlassung führen können, sind nach der Grundordnung (Art. 5, Abs. 2):

  1.  der Austritt aus der Katholischen Kirche;
  2.  die Distanzierung von ihr, vor allem der Abfall vom Glauben;
  3. der kirchenrechtlich unzulässige Abschluss einer Zivilehe, wenn diese Handlung nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein
  4. erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen;
  5. das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (heute müsste es wohl heißen: einer gleichgeschlechtlichen Ehe).

Diese der Sendung und der Glaubwürdigkeit des Handelns der Kirche verpflichteten Regeln werden nun vom Synodalforum IV (Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft) massiv in Frage gestellt und als Engführung und Diskriminierung bezeichnet, mit deren Hilfe Mitarbeiter in der Kirche unter Druck gesetzt werden.

Es geht um Glaubwürdigkeit

„Der persönliche Familienstand darf keine Relevanz für die Anstellung oder Weiterbeschäftigung im kirchlichen Dienst haben“ – so heißt es im Handlungstext „Grundordnung des kirchlichen Dienstes.“ Anschließend wird die Streichung der entsprechenden Artikel der derzeit geltenden Grundordnung gefordert. Weiter steht da zu lesen: „Die Sittenlehre, die als maßgebliches Kriterium aufgeführt wird, steht darüber hinaus innerkirchlich in Bezug auf ihre Aussagen zu Lebensformen massiv in der Kritik.“

Das verschuldete Ärgernis, wenn kirchliche Mitarbeiter der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche zuwiderhandeln, wird im Handlungstext des Synodalforums nicht nur in Frage gestellt, sondern umgedreht: „Das Ärgernis für die Dienstgemeinschaft und für den beruflichen Wirkungskreis entsteht nicht durch den Abschluss einer zivilen Eheschließung, nachdem eine Ehe auseinander gegangen ist, oder durch die zivile Eheschließung mit einem:r [sic!] gleichgeschlechtlichen Partner:in [sic!], sondern durch die Entlassung.“

Arbeitsrecht solle nicht instrumentalisiert werden

In der ersten Lesung bei der Synodalversammlung im Februar erhielt der Text mehr als 90 Prozent Zustimmung, so dass davon auszugehen ist, dass er auch angenommen werden wird. Elf Generalvikare haben sich in einem Brief vom 12. Februar die Forderungen des Synodalforums zu eigen gemacht und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz geschrieben: „Das Arbeitsrecht darf kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die derzeit ohnehin zur Diskussion steht und die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht lässt.“

In einer – freilich nicht rechtsverbindlichen – Erklärung vom März hat der Generalvikar von Limburg die Anwendung von Art. 5 der Grundordnung bereits ausgesetzt und (auch im Namen des Bischofs) festgestellt: „Die sexuelle Orientierung, das Eingehen einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe wird keine arbeitsrechtlichen Sanktionen nach sich ziehen. Dies gilt für alle Gruppen von kirchlichen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern, für alle pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie alle, die mit einer missio canonica oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung ihren Dienst wahrnehmen.“

Katholiken wirken nach außen gespalten

Es bleiben also Kirchenaustritt und Glaubensabfall – dem Leben aus dem Glauben kommt keine Bedeutung mehr zu – als Entlassungsgrund. Ob das der Kirchensteuer geschuldet ist? Diese vom sogenannten Synodalen Weg und von der Aktion „Out in Church“ vorangetriebene Entwicklung, hat Auswirkungen auf das kirchliche Arbeitsrecht.
Und dennoch dient sie nicht der Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Sendung, vielmehr wird der Eindruck erweckt, als seien die Katholiken schizophren, da sie offensichtlich selbst nicht mehr von der eigenen Lehre überzeugt sind und sich davon lossagen.

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Dabei müsste es eigentlich umgekehrt sein. Wer in der Kirche lebt und in Kontakt mit ihren Mitarbeitern kommt, müsste erwarten, dass auch ihr Lebenszeugnis sich nach den Grundsätzen der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche richtet, wofür sie „amtlich“ wenigstens einstehen. Hier zeigt sich die Problematik einer falsch verstandenen „Amtskirche,“ wenn das Amt vom Glauben und Ethos der Kirche entkoppelt wird. Dabei dürfte die Kirche diesen Anspruch an ihre Mitarbeiter nicht aufgeben, will sie nicht gänzlich unglaubwürdig werden.

Die geforderten Änderungen des kirchlichen Arbeitsrechts sind eng mit Bestrebungen verbunden gerade auch die Sittenlehre, beziehungsweise die Moral der Kirche, aufzugeben und sie entsprechend zu verändern. An deren Stelle sollen die Lebensverhältnisse der Menschen heute treten.
Dafür stehen viele der Texte, die auf dem sogenannten Synodalen Weg bisher vorgelegt wurden. Weil aber die Morallehre der Kirche aus der Offenbarung hervorgeht, würde dies nicht nur bedeuten, dass die Kirche ihrem Auftrag untreu würde, sondern dass sie sich gar von ihrer Quelle und von ihrem Ursprung loslöst. Es würde aber auch dazu führen, dass von Seiten des Staates die Berechtigung der Kirche in Abrede gestellt werden könnte, in Zukunft ein eigenes Arbeitsrecht zu haben.

Die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts wäre ein Akt der Selbstdemontage

Wenn keine der Sittenlehre der Kirche entsprechenden Ansprüche mehr an die Mitarbeiter gestellt werden – wozu bräuchte es dann noch ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht? Dies würde zweifellos den Prozess der Selbstdemontage vorantreiben.

Zu den Grundpflichten der Gläubigen gehört es, „auch in ihrem eigenen Verhalten, immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren“ (can. 209 §1 CIC). Dies gilt besonders für jene, die in der Kirche eine Aufgabe übernehmen oder in besonderer Weise an der Sendung der Kirche mitarbeiten. Alles andere ist unglaubwürdig.

Die Bischöfe sind verpflichtet, die Einheit der ihnen anvertrauten Diözese mit der Universalkirche zu fördern und die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre zu schützen. Das kirchliche Arbeitsrecht ist auch in der Besonderheit, die ihm in Deutschland zukommt, ein Mittel, diesem Auftrag gerecht zu werden und ihn nicht zu verwässern.

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