Kaum ist die dritte Synodalversammlung vorüber, schaffen die ersten deutschen Diözesen Fakten. Am Montag wagte der Würzburger Bischof Jung einen Vorstoß: In einer „Selbstverpflichtungserklärung“ versicherte er, dass Beschäftigte auch „in verkündigungsnahen Tätigkeiten“ keinerlei arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen zu fürchten haben, sollte ihre persönliche Lebensführung „hinsichtlich Partnerschaften, die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität“ von der Sittenlehre der Kirche abweichen. In einer Podiumsdiskussion äußerte der Paderborner Generalvikar Alfons Hardt die Erwartung, die Bischöfe würden im Juli eine Änderung der Grundordnung herbeiführen. Die deutschen Diözesen rütteln an der Grundordnung des kirchlichen Dienstes.
Mehr als eine arbeitsrechtliche Maßnahme
Man ist versucht, sich zu beruhigen, es handle sich lediglich um eine arbeitsrechtliche Maßnahme, die für legitim erklärt, was schon längst Realität ist. Die teils pathetischen Argumentationen machen aber deutlich: Es geht hier um sehr viel mehr. Die Aufgabe kirchlicher Mitarbeiter in der Verkündigung ist es, in der Tradition der Apostel Zeugnis für das Evangelium abzulegen. Christus hat die Apostel aus ihrem alten Leben herausgeholt und sie beauftragt, alle Menschen zu Seinen Jüngern zu machen. Quer durch die Kirchengeschichte haben Menschen mit ihrem ganzen Leben – oft bis zur Hingabe desselben – Zeugnis gegeben. Nicht für eine selbstgebastelte Religion, sondern für die geoffenbarte Wahrheit. Ein Zeuge ist dann glaubhaft, wenn Worte und Taten, Form und Inhalt übereinstimmen.
Hier und heute gibt die Kirche in Deutschland den Anspruch der Übereinstimmung von lebendigem Zeugnis und Botschaft auf. Mit der Modifizierung der kirchlichen Grundordnung tut sich ein Spalt zwischen dem seit den Aposteln überlieferten Glauben und der Lebenspraxis seiner Verkünder auf.
Die Spannung zwischen dem Leben der Verkünder und der Lehre, die sie verkünden, muss auf mittlere Sicht aufgelöst werden. In welche Richtung die deutsche Amtskirche dies tun möchte, wird jetzt offensichtlich.
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