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Auf dem falschen Fuß erwischt

Der Aggressor Putin hätte keinen besseren Augenblick wählen können, um eine gespaltene USA und ein Europa mit vielen internen Krisen in einen Kalten Krieg zu stürzen.
G7-Gipfel 2022
Foto: Peter Kneffel (dpa) | In Europa ist der kommunikationsschwache Olaf Scholz umgeben von dümpelnden Regierungen. In Großbritannien liefen Boris Johnson die Minister weg, sein Abgang war so gut wie sicher.

Hat das freie Europa derzeit die politische und mentale Schlagkraft, um dem Aggressor Wladimir Putin entschlossen entgegenzutreten? Ganz so schlimm wie in den Vereinigten Staaten ist die Lage in Europa noch nicht. Jenseits des Atlantiks ist die Gesellschaft so tief gespalten, dass Joe Bidens Anspruch, Amerika wieder zu einen, im Wind zerbröselt ist. Dass der Schatten Donald Trumps über dem Land liegt, der trotz des Nachspiels zum Kapitolsturm die Präsidentschaftswahlen 2024 gewinnen könnte (und dann sicher kein erbitterter Gegner Putins wäre), macht die Lage auch nicht besser.

England und Italien in der Krise

In Europa ist der kommunikationsschwache Olaf Scholz umgeben von dümpelnden Regierungen. In Großbritannien liefen Boris Johnson die Minister weg, sein Abgang war so gut wie sicher. In Italien hat Giuseppe Conte, ehemaliger Ministerpräsident und jetzt Chef der „Bewegung der fünf Sterne“, der tragenden Säule in der Mehrparteienregierung, am Mittwoch dem amtierenden Premier Mario Draghi eine schleichende Regierungskrise erklärt. Der Konflikt innerhalb des Kabinetts ist damit eröffnet. Auch Matteo Salvini droht, mit seiner „Lega“ die Regierung zu verlassen, weil er ein Gesetz nicht mittragen will, das Kindern von Einwanderern, die in Italien die Schule besuchen, die italienische Staatsbürgerschaft zuerkennen will.

Die Flüchtlingsströme schwellen an

In Frankreich ist Präsident Emmanuel Macron durch den starken parlamentarischen Block des Sozialisten und Putin-Freunds Jean-Luc Mélenchon so gut wie lahmgelegt. Frankreich, Italien und (das Brexit-Land) Großbritannien, die einst die Säulen eines geeinten Europas waren, werden von inneren Problemen gebremst, während in Deutschland die steigenden Energiekosten und die Inflation gerade zum politischen Dauerthema werden, das den Ukraine-Krieg in den Hintergrund drängt.

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Putin hätte sich keinen besseren Augenblick aussuchen können, um Europa in die Zeit des Kalten Kriegs zurückzuwerfen. Und nicht nur auf der Balkanroute lassen der Krieg und die Folgen der Nahrungsmittelengpässe die Flüchtlingsströme anschwellen. Neben Italien kommen auf Spanien und Portugal neue Wellen von Migranten zu. Das Szenario ist fast gespenstig. Doch für viele Deutsche ist es fast ein Grund mehr, jetzt nur noch an den Urlaub zu denken.

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