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Meloni: Drei Jahre Stabilität im Palazzo Chigi

Am 22. Oktober ist Giorgia Meloni drei Jahre im Amt. Italien erlebt seitdem eine unerwartete politische und wirtschaftliche Stabilität. Kulturell setzt sie christliche Akzente.
Giorgia Meloni
Foto: IMAGO/Uffiico Stampa Palazzo Chigi (www.imago-images.de) | Tu felix Italia? Derzeit schaut der ein oder andere Europäer neidisch nach Italien. "Postfaschistin" Giorgia Meloni macht im Allgemeinen keine ganz schlechte Figur.

Seit drei Jahren sitzt Giorgia Meloni im Palazzo Chigi. Die Frau, die bis heute darauf verzichtet, sich „Ministerpräsidentin“ zu nennen – sie bleibt bei Presidente del Consiglio –, hat es nach italienischen Maßstäben weit gebracht. Rund 1.100 Tage hat sie mittlerweile ohne Unterbrechung regiert; nur Bettino Craxi und Silvio Berlusconi haben längere Einzelregierungen geführt. Die meisten Ministerpräsidenten – neben Berlusconi auch De Gasperi und Andreotti – haben dem Land ihren Stempel in mehreren, kurzen Regierungen aufgedrückt. So bringt es Andreotti auf etwa 2.600 Tage im Amt – in sieben verschiedenen Regierungen.

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Das allein illustriert, was die neue Ära Meloni bedeutet: Stabilität. Das ist ungewohnt für ein Land, das aus dem Faschismus die Lehre zog, die Legislative möglichst zu stärken und die Exekutive zu schwächen; es ist das Gegenbild zur Kanzlerdemokratie, die Deutschland als Bollwerk gegen eine neue Diktatur aufgebaut hat. Auch die Fünfte Republik in Frankreich mit ihrem Staatspräsidenten Charles De Gaulle hat dieses Modell forciert.

Techtelmechtel mit Elon Musk

Umso frappierender ist die aktuelle europäische Situation. In Frankreich amtiert mit „Lecornu II“ das fünfte Kabinett in zwei Jahren. In Deutschland hat die glücklose Ampel-Koalition von Olaf Scholz vorzeitige Neuwahlen gesucht. Auch die aktuelle Regierung von Friedrich Merz wirkt nach einem halben Jahr ausgezehrt. Der Kanzler hat in den letzten Monaten das internationale Rampenlicht gesucht, um Prestige zu sammeln; bei Anlässen wie der Friedenskonferenz in Ägypten wirkte er jedoch eher fehl am Platz.

Dass nicht nur die italienische Instabilität, sondern auch die italienische Isolation ihr Ende gefunden hat, zeigte bereits der G7-Gipfel in Apulien, bei dem Meloni ihr Land, ihre Werte und sich selbst in Szene setzte. Die Einladung von Papst Franziskus war ein Novum und verhinderte eine progressive Tagesordnung. Techtelmechtel mit Elon Musk und der Besuch bei Donald Trump hebelten zudem Großbritannien als Verbündeten Washingtons aus: Die „special relationship“ übt nun Rom aus. Beim Gaza-Gipfel schmeichelte der US-Präsident der Italienerin. Neuerlich.

Mit der EU spielt sie ein pragmatisches Spiel. Anders als Matteo Salvini von der Lega, der den offenen Bruch mit Brüssel suchte, schaut die Römerin danach, was sich herausschlagen lässt. Derzeit profitiert das „Belpaese“ vom Corona-Wiederaufbaufonds. Er stabilisiert die Wirtschaft, die zwar nur schwach wächst – aber sie wächst. Anders als die deutsche Volkswirtschaft. 2025 könnte Italien nach vielen Jahren wieder die Maastricht-Kriterien einhalten. Anleger und Investoren schätzen die neue Stabilität. Die Ratingagentur Fitch hat Ende September die Bonität Italiens um eine Stufe erhöht.

Innenpolitisch kann sich Meloni zurücklehnen

In Migrationsfragen – einem Schlüsselfeld von Melonis Politik – hat die Regierung die Krise, die noch 2023 auf Lampedusa tobte, wieder in den Griff bekommen. Die Anlandungen illegaler Migranten (Stichmonat: Oktober) sind seitdem von rund 140.000 auf 55.000 zurückgegangen. Das ist noch weit entfernt von der Zeit, als Salvini Innenminister war, aber deutlich niedriger als in der Migrationskrise 2015–2017 oder im letzten Jahr von Amtsvorgänger Draghi. Ihr Projekt für Auffanglager in Albanien wird zwar von Richtern in Italien und der EU torpediert, doch bis zu einer endgültigen Klärung im kommenden Jahr nutzt die italienische Regierung sie als Abschiebelager.

Außenpolitisch verfolgt Meloni zudem die Strategie einer größeren Hilfe vor Ort. So bereist die Chefin der Fratelli d’Italia (FdI) die afrikanischen Staaten. Ihre Strategie lautet: Massenmigration nicht erst am Mittelmeer verhindern. Italien setzt sich weiterhin für die Beilegung des libyschen Bürgerkriegs ein, der im restlichen Europa größtenteils unbeachtet bleibt.

Innenpolitisch kann sich die 48-Jährige derzeit zurücklehnen. Die letzten Regionalwahlen haben ihre Partei und ihre Kandidaten bestätigt, sieht man von der notorisch roten Toskana ab. Oppositionsführerin Elly Schlein will nach dem Vorbild der US-Demokraten mit Leihmutterschaft, LGBTQ, Klimapolitik, Euthanasie und der Anerkennung eines Palästinenserstaates punkten. Selbst unter den Anhängern des linken Partito Democratico ist die Sorge groß, dass Meloni im Jahr 2027 wiedergewählt werden könnte, weil die eigene Matadorin nicht auf die realen Probleme des Landes eingeht.

Gemeinsamkeiten auf beiden Seiten des Tibers

Zudem knüpft Meloni stark an die christliche Identität Italiens an. Der 4. Oktober – der Tag des Heiligen Franziskus – wird als Feiertag wieder eingeführt. 2026 jährt sich sein 800. Todestag. Bis 1977 war das Datum bereits Nationalfeiertag; Franz von Assisi gilt neben der Heiligen Caterina von Siena als Schutzpatron Italiens. Ein so offenes Bekenntnis einer italienischen Regierung zum Katholizismus hat es in jüngerer Zeit nicht mehr gegeben.

Dass sich die beiden Seiten des Tibers miteinander absprechen, war in der Vergangenheit schon bei heiklen außenpolitischen Missionen üblich. Franziskus war am Ende seiner Amtszeit vermehrt auf Tuchfühlung mit der Meloni-Regierung gegangen. Dass dabei gewisse „Abfärbungen“ eine Rolle spielen, zeigt auch der Besuch von Papst Leo XIV. bei Staatspräsident Sergio Mattarella am 15. Oktober. Der Heilige Vater sagte beim Treffen: „Wir dürfen nicht verachten, was unsere Vorfahren erlebt und uns weitergegeben haben, selbst um den Preis großer Opfer. Lassen wir uns nicht von massenhaften und veränderlichen Modellen fesseln, die nur einen Schein von Freiheit fördern […]. Die Erinnerung an unsere Vorfahren zu bewahren und die Traditionen zu pflegen, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind, ist wichtig, um der Gegenwart und der Zukunft bewusst, gelassen, verantwortungsbewusst und mit Weitblick entgegenzusehen.“ Es sind Worte, die Meloni durchaus als Ermutigung für ihre eigene Politik auslegen kann.

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