In Rom hat man derzeit das Gefühl, irgendwie im Mittelpunkt der westlichen Welt zu stehen. Gerade erst zurück von ihrem Blitzbesuch bei Donald Trump konnte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gestern den amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance in ihrem römischen Amtssitz begrüßen. Der wiederum nahm im Anschluss mit seiner Familie an der Feier des Leidens und Sterbens Jesu Christi im Petersdom teil und bespricht sich heute mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.
Drei bekennende Katholiken, die sich über die Lage einer Welt austauschen, über die man, wie Papst Franziskus in seiner Meditation zum Kreuzweg im Kolosseum schrieb, eigentlich nur noch „aufrichtige Tränen“ vergießen kann. Während die italienischen Medien bei den Auftritten früherer Regierungschefs – Silvio Berlusconi eingeschlossen – in Straßburg, Brüssel oder bei Gipfeltreffen diese zwar immer im Visier ihrer Kameras hatten, dabei aber meistens nur dokumentierten, dass sie auf dem europäischen Parkett eher Randfiguren waren, ist das bei Meloni nun völlig anders. Die italienische Links-Opposition schluckt ihren Ärger still herunter, aber die Italiener sind stolz.
Putin bombardiert einfach weiter
Giorgia Meloni kommt gerade zur rechten Zeit. Sie kann mit Männern. Den zunächst abweisenden Emmanuel Macron hat sie rumgekriegt – und auch Donald Trump scheint an der Römerin Gefallen gefunden zu haben. Und das ist gut so. Der irrlichternde amerikanische Präsident, der mit seinen Zoll-Drohungen und den angekündigten Besitzergreifungen von Grönland, Kanada und Panama nur Verwirrung gestiftet hat, scheint nun eins seiner wichtigsten Versprechen nicht erfüllen zu können, das vor allem den Europäern wichtig war: den Ukraine-Krieg binnen 24 Stunden zu beenden.
Putin schert sich einen Teufel um Trumps Wunsch nach schnellen Verhandlungen und baldigem Frieden und bombardiert einfach weiter. Nicht nur Vance, sondern auch der Präsident deuten nun an, dass man sich aus diesem Konflikt, den Joe Biden im Februar 2023 in Warschau mit Pomp und einer saftigen Rede zu einem Krieg der USA erklärt hat, auch zurückziehen könne. Es sei „nicht unser Krieg“, sagen Trump und Vance jetzt. Bei einem solchen Irrsinn ist Giorgia Meloni ein Hoffnungsschimmer. Es gibt keine Achse Washington – Rom. Aber doch einen recht stabilen Gesprächsfaden.
Meloni macht nicht den Orban
Für die Europäer ist das eine Hoffnung. Ursula von der Leyen betont, dass die italienische Regierungschefin in voller Abstimmung mit der europäischen Kommission ihre Gespräche mit den Amerikanern führt. Ihre Botschaft, die sie ins Weiße Haus brachte, lautete ungefähr: „Make the West great again“. Das ist so schlicht formuliert, dass es vielleicht auch Trump verstehen könnte. Sie, die abgebrühte Rechts-Politikerin, ist ganz klar pro-europäisch und atlantisch orientiert.
Das unterscheidet sich von vielen anderen Rechts-Populisten in Europa. Meloni macht weder den Orban noch klopft sie Parolen wie ihr Kabinettskollege Matteo Salvini. Man muss bis zu Bettino Craxi zurückgehen, um einen italienischen Regierungschef auszumachen, der von seinen europäischen Partnern wirklich ernst genommen und respektiert wurde. Bei Meloni ist das jetzt wieder der Fall.
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