Vor zehn Jahren wurde vom Bundesverfassungsgericht die sogenannte „Herdprämie“ gekippt. Es gab sie nur zwei Jahre lang. Der Grund für das Ende war ein formaler: die ungeklärte Zuständigkeit von Bund und Ländern.
Damals ging es darum, jungen Familien die Wahlfreiheit zu ermöglichen zwischen häuslicher Betreuung oder Fremdbetreuung in staatlicher oder privater Trägerschaft. Die Gegner des Betreuungsgeldes kritisierten ein rückwärtsgewandtes Familienmodell und eine Benachteiligung der Frauen bei Beruf und Selbstverwirklichung. Am wenigsten ging es damals um das Wohl der Kleinsten, die nur eine bescheidene Lobby, auch katholisch-konservativer Kreise, für sich beanspruchen konnten.
Ausweitung der staatlichen Betreuung weitgehend gescheitert
Heute gilt die rasante Ausweitung der staatlichen Betreuung als weitgehend gescheitert. Personalmangel, Störanfälligkeit, hohe Kosten und defizitäre Betreuungsleistungen stehen im Mittelpunkt der Kritik.
Jetzt also die „Mütterrente“. Doch steht diese als solche gar nicht zur Debatte. Vielmehr geht es um eine Gerechtigkeitslücke. Derzeit bekommen Väter oder Mütter für die Zeit ihrer Erziehungsleistung drei Rentenpunkte pro Kind angerechnet, die „Mütterrente“ ist eine „Elternrente“. Drei Rentenpunkte gibt es aber nur für ab 1992 geborene Kinder, für die anderen müssen zweieinhalb Rentenpunkte reichen. Diese Ungerechtigkeitsdelle wollte man begradigen, nicht mehr und nicht weniger. Und um diesen halben Rentenpunkt gibt es jetzt einen koalitionsbedrohenden Streit.
Die Gesamtkosten liegen bei 3,5 bis vier Milliarden Euro. Historisch gesehen war Erziehungsleistung früher mindestens so anspruchsvoll wie heute, aber die Mütter sollen mit geringeren Rentenpunkten zufrieden sein. Das widerspricht – gerade auch in Zeiten wachsender Altersarmut – dem Prinzip der sozialpolitischen Fairness. Die heute rentenfinanzierenden Jahrgänge stammen überwiegend aus den Kinderkohorten der 60er bis 80er Jahre.
Ein gleich hoher Rentenanspruch für alle Jahrgänge wäre nur gerecht
Das Umlagesystem wäre ohne diese Eltern und ihre Kinder kaum tragfähig. Ein gleich hoher Rentenanspruch für alle Jahrgänge wäre nur gerecht. Er ist kein Almosen für alterszickige Rentenmütter. Auch ist die ungleiche Anerkennung von Erziehungsleistung verfassungsrechtlich problematisch.
Schließlich, und das wissen alle Opas und Omas mit ihren Kindern und Enkelkindern am besten: Die Erziehungsleistung hält bei den meisten auch im Alter an. Oft sind es die Großeltern, die angesichts eines prekären Betreuungssystems immer wieder die Lücken schließen, für die sich sonst niemand verantwortlich fühlt. Kaum jemand kommt bis jetzt auf die Idee, dafür Geld einzufordern.
Der Staat täte allerdings gut daran, nicht weiter die Augen vor einer bestehenden Gerechtigkeitslücke zu verschließen. Eine historisch niedrige Reproduktionsrate in der westlichen Welt gefährdet Wohlstand und Zukunft. Ein Grund dürfte darin liegen, dass Mutterschaft und Erziehungsleistung zu wenig politische und gesellschaftliche Anerkennung erfahren, die Diskussion um einen halben Rentenpunkt ist dafür ein trauriges Beispiel und wirkt sich auch auf Elternpläne der jungen Generation aus.
Die allseits anerkannte Notwendigkeit eines zukunftssichernden Umbaus des gesamten Rentensystems – sie ist davon unberührt.
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