Ein klarer Fall für den Gleichstellungs-Radar: Fast die Hälfte aller Frauen in Deutschland arbeitet in Teilzeit. Bei Müttern mit Kindern unter drei Jahren sind es sogar fast drei von vier Frauen – dagegen nur ungefähr jeder zehnte Mann. Die neue Ministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas (SPD) wittert sogleich und wenig überraschend, dass Frauen „unfreiwillig in der Teilzeitfalle sitzen“, dadurch schlechter verdienen als Männer und Altersarmut riskieren. Die Schuldigen sind immer die Gleichen, nämlich fehlende Kinderbetreuung und familienfeindliche Arbeitsmodelle.
Da diese Äußerungen nicht allein dastehen, sei überdurchschnittlich oft kinderlosen Politiker*innen folgende Frage ans Herz gelegt: Könnte es sein, dass manche Frauen freiwillig bei ihren Kindern bleiben, weil sie sie nicht deshalb in die Welt gesetzt haben, um sie möglichst rasch an staatliche Betreuungsangebote loszuwerden? Weil es ihnen wichtiger ist, ihre Kinder aufwachsen zu sehen, als Geld anzuschaffen? Und weil sie die finanzielle Abhängigkeit von einem Mann nicht als Manko empfinden, sondern als Teil einer lebenslangen Bindung, die auf Liebe und Treue beruht und nicht auf Geld? Kann man Frauen nicht zutrauen, dass sie sich durchaus frei und eigenverantwortlich für ein solches Modell entscheiden?
Familie ist kein Gefängnis
Die, die turnusmäßig fordern, Mütter sollten mehr Vollzeit arbeiten, antworten auf all diese Fragen mit Nein. Dahinter steckt nicht nur ein Weltbild, das anderen Menschen diktieren möchte, dass menschliche Erfüllung mehr in Erwerbsarbeit als in gelungenen Beziehungen liegt. Dahinter steckt aber noch mehr, nämlich eine Autonomie-Ideologie, die nicht anerkennen will, dass der Mensch nicht allein im luftleeren Raum steht, in dem sich außer ihm nur Vater Staat befindet, der sich deshalb in alles einmischen darf.
Die Realität ist aber eine andere: Der Mensch ist kein bindungsloses Individuum, sondern er ist eingebunden in familiäre und soziale Bande, die keine Gefängnisse sind, sondern Stützen, Hilfen, Quellen von Freude und Erfüllung. Und ja: In einer Familie ist man voneinander abhängig, nicht nur finanziell, sondern auch emotional und überhaupt, existenziell. Und das ist gut so! Das nennt man Bindung und das ist es, was dem Leben Sinn, Ziel und Bestimmung gibt. Übrigens belegen Studien immer wieder, dass Menschen in Familien durchschnittlich glücklicher sind als andere.
Kinderbetreuung gilt als „unbezahlte Arbeit"
Wer mutmaßt, Mütter, die Teilzeit arbeiten, rennen sehenden Auges in die Altersarmut, geht davon aus, dass Familie ein kaltes Tauschgeschäft ist und keine Liebesbeziehung. Natürlich können Beziehungen auch scheitern und das ist immer eine Tragödie – aber kein Grund, alle Frauen in eine volle Erwerbstätigkeit drängen zu wollen. Ärgerlich ist dabei vor allem eines, nämlich dass der Staat sich dafür verantwortlich fühlt, dass „unbezahlte Arbeit, wie Kinderbetreuung und Pflege, fairer verteilt wird“. So steht es im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD.
Die Aufteilung von Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung und sonstigen Aktivitäten in der Familie sollte vor allem eines bleiben: Privatsache. Der CDU als Partei konservativ-christlichen Profils kann man nur raten, sich nicht von einem Koalitionspartner vor sich her treiben zu lassen, der naturgemäß mit Begriffen wie Freiheit und Eigenverantwortung nicht viel am Hut hat.
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