Ebenso empört wie hilflos sah der Westen im Jahr 2020 dabei zu, wie der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko friedliche Demonstranten brutal niederknüppeln und foltern ließ, wie er Oppositionelle wegsperrte und misshandelte. Lukaschenko hat sich trotz gefälschter Wahlen und wachsendem Widerstand gegen seinen Staatsterror an der Macht gehalten. Aber um einen hohen Preis: Der Tyrann von Minsk hat den letzten Rest seiner Unabhängigkeit lange mit einer west-östliche Schaukeldiplomatie demonstriert verspielt und sich ganz in die Arme von Wladimir Putin begeben. Heute ist der Langzeitdiktator nur mehr eine Marionette Putins.
Belarus könnte bald Kriegspartei sein
Das scheint der Kriegsherr im Kreml nun zu nutzen: Belarus bereitet sich darauf vor, selbst zur Kriegspartei an der Seite Moskaus zu werden. Zu Wochenbeginn erfand Lukaschenko das passende Narrativ, um ab sofort jederzeit in den Krieg gegen die Ukraine ziehen zu können: Er beschuldigte das leidgeprüfte Nachbarland, Raketen auf Belarus abgeschossen zu haben. Ohne den geringsten Beleg vorzulegen, hat Lukaschenko mit dieser Behauptung einen möglichen Militärschlag zum Verteidigungsfall erklärt. Wenig später ergänzte er seine Darstellung mit der Behauptung, Belarus und Russland seien so eng verwoben, "dass wir praktisch eine gemeinsame Armee haben". Er habe Putins Vorgehen gegen die Ukraine "vom ersten Tag an" unterstützt und werde "weiterhin mit dem brüderlichen Russland fest vereint sein". Selten hat ein Despot so deutlich dokumentiert, die Marionette eines anderen Diktators zu sein.
Bisher diente Belarus für Putin nur als Aufmarsch- und Rückzugsgebiet, jetzt wird das Land zu seiner Schachfigur im blutigen Spiel um die Ukraine. Während die russische Invasionsarmee sich unter immensen Zerstörungen im Osten Meter um Meter vorankämpft, bedroht ein feindseliges Belarus die Hauptstadt und den Westen der Ukraine, wo zahllose Flüchtlinge aus den russisch okkupierten Gebieten Schutz suchen. Kein Zweifel: Putin dreht die Gewaltspirale immer weiter. Der Donbass ist ihm nicht genug.
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