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Gründe für katholische Impfskeptiker

Gründe, weshalb manche lehr- und traditionsbewusste Katholiken die Impfungen gegen Corona kategorisch ablehnen. Warum geschieht das, obwohl Papst Franziskus und die Bischofskonferenz das gerne anders sähen.
Coronavirus - Sachsen
Foto: Robert Michael/dpa | Das Leben ist kostbar: Menschen stehen vor der Dresdner Frauenkirche an, um sich bei einer Impfaktion in der Unterkirche gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Das Impfen ist das Thema der Stunde. Es wirft gläubige Christen zurück auf das Existenzielle, zumindest das irdische Existenzielle. Und hat zu vielen Ängsten, zu viel Verwirrung geführt.

Dabei ist die Sachlage sehr klar. Wir befinden uns in einer Pandemie, und zwar einer solchen mit vielen Toten, die wie aus dem Nichts über die Welt gekommen ist. Anfangs, als es mit den ersten Kranken und Toten in der chinesischen Stadt Wuhan losging, hofften nicht wenige, es sei nur eine „milde Grippe“, etwas, das schnell vorübergehen würde. Fast zwei Jahre später ist diese Illusion längst geplatzt. Zu viele Menschen – alleine in Deutschland mittlerweile über 100 000 – sind an Covid-19 verstorben. Keineswegs nur Ältere und Vorerkrankte, auch wenn sie die klaren Risikogruppen bilden.

„Nicht zuletzt fand auch Papst Franziskus bereits im August luzide Worte:
‚Gott sei Dank, und auch dank der Arbeit vieler Menschen, haben wir heute Impfstoffe,
um uns vor Covid-19 zu schützen!‘“

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Doch es gibt eine Hoffnung, und zentrale katholische Kleriker einschließlich des Heiligen Vaters, sprich Papst Franziskus, benennen diese klar: das Impfen. Lange schon. Die Haltung der „Deutschen Bischofskonferenz“ ist eindeutig. Am 22. November rief ihr „Ständiger Rat“ „mit Nachdruck“ dazu auf, dass „Katholikinnen und Katholiken und alle Menschen unseres Landes (…) sich impfen lassen, soweit dies möglich ist“. Und erklärte das wie folgt: „Impfen ist in dieser Pandemie eine Verpflichtung aus Gerechtigkeit, Solidarität und Nächstenliebe. Aus ethischer Sicht ist es eine moralische Pflicht. Wir müssen uns und andere schützen.“

Ja, exakt so ist es. Dennoch gibt es gerade in hiesigen lehr- und traditionsbewussten katholischen Kreisen teilweise eine ausgesprochene Stimmungsmache gegen das Impfen. Die sich – weit weg von allen Appellen aus Rom und seitens der deutschen Bischöfe – in eine Gesamterzählung fügt, die zunächst das Corona-Virus verharmlost und sodann das Impfen dämonisiert hat.

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Empörung über Impfverweigerer reicht nicht

Es fällt sehr schwer, das wie ich als Verfasserin dieses Textes hinzunehmen. Der Vater einer engen Freundin – schlank und ohne Vorerkrankung – war einer der ersten Covid-19-Toten in Hamburg. Meine christlichen Freunde sind sehr vorsichtig und lassen sich impfen. Und dennoch reicht Empörung über die Impfverweigerer nicht aus.

Was also treibt viele lehr- und traditionsbewusste Katholiken an, gegen das Impfen Stimmung zu machen, sich zum Beispiel über Impfaktionen im Wiener Stephansdom oder im Paderborner Dom zu echauffieren? Vielleicht die Sorge um eine Verdiesseitigung des Lebens. Womit sie einen validen Punkt haben. Denn ständig und stets geht es in der westlichen Gesellschaft darum, sich selbst zu optimieren. Der Tod wird ausgeblendet, das Kranksein gerne auch. Der Vorwurf, der moderne Mensch strebe eine Art „Gesundheits-Shangri-La“ an, eine „Zivilreligion“ ohne Gott, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Hauptsache man ist maximal lange schön und fit, egal wie, mit Botox und Fillern, bloß um die eigene Vergänglichkeit zu verdrängen.

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Den eigenen Leib, den Tempel des Heiligen Geistes, durch Impfen schützen

Aber Covid-19 ist etwas anderes. Hier geht es um eine Seuche. Um vermeidbare Krankheit und Tod. Es geht um die individuelle Verantwortung vor sich selbst und den nahen Angehörigen gegenüber, aber auch um Empathie gegenüber den ferneren Mitmenschen. Kann man ernsthaft wollen, sich bewusst einem potenziell lebensgefährlichen Risiko auszusetzen? Und, noch schlimmer, andere anzustecken?

Die Heilige Schrift ist, was den Umgang mit dem eigenen Körper angeht, ziemlich eindeutig. Im Korintherbrief, Kapitel 6, Verse 19 und 20, steht: „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“. Ein fahrlässiger Umgang mit dem eigenen Körper ist also etwas, was die Bibel Christen explizit untersagt. Das bedeutet gewiss nicht, zum Gesundheitsapostel und Asketen werden zu müssen, aber doch sehr wohl, den physischen eigenen sowie den Leib anderer nicht willentlich einer Gefahr auszusetzen. Ja, das irdische Leben ist begrenzt und Christen haben das Leben danach im Blick. Aber zugleich ist das irdische Leben ein Geschenk, mit dem man pfleglich umgehen sollte.

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Sterbende Impfverweigerer propagieren die Impfung

Die seriöse Wissenschaft ist sich einig: Das Impfen hilft. Ja, auch Geimpfte können andere anstecken, aber das geschieht viel seltener als bei Ungeimpften. Und somit kein Grund, die Impfstoffe zu dämonisieren. Auch haben Geimpfte selten einen schweren Verlauf. Ungeimpfte hingegen fluten die Krankenhäuser, Menschen mit aufschiebbaren Operationen müssen nun auf geplante Eingriffe warten. Warum? Wäre all das nicht vermeidbar?

Gewiss, viele Politiker dachten zunächst, das Impfen könne auch Ansteckungen verhindern und eine sogenannte „sterile Immunität“ herbeiführen. Diese Annahme beruhte allerdings auf dem „Wildtyp“, der Urvariante des Corona-Virus also. Die viel ansteckendere Delta-Variante hat diese Hoffnung zunichte gemacht. Aber dennoch schützen die Impfstoffe wie erwähnt vor schweren Krankheitsverläufen. Längst häufen sich vor allem in den USA die Berichte von Impfverweigerern, die auf dem Sterbebett ihre Fahrlässigkeit bitter bereuen und andere öffentlichkeitwirksam anflehen, bloß nicht so ignorant zu sein wie sie selbst. Zudem nimmt die Viruslast bei Geimpften, die sich doch anstecken, deutlich schneller ab als bei Umgeimpften, weshalb man mit dem Impfen auch insoweit im Sinne der Nächstenliebe andere schützt.

Verschwörungstheoretiker und ihr Widerstand gegen die Neue Weltordnung

Insofern ist nicht verständlich, was unter manchen lehr- und traditionsbewussten Katholiken eigentlich so ins Rutschen geraten ist. Früher waren diese Milieus jedenfalls klar für die Schulmedizin und weit entfernt etwa von anthroposophischer oder sonstiger „Alternativmedizin“ und dem Ablehnen von Impfungen. Ist es die seit Jahren unter ihnen verbreitete Wut auf Angela Merkel, die sie die Schutzmaßnahmen als quasi-diktatorisch empfinden lässt? Hat man sich zu sehr in Parallelwelten eingerichtet, in denen es einfach nur darum geht, „dagegen“ zu sein? Ist man wirklich wie Erzbischof Carlo Maria Vigano anfällig für obskure Verschwörungstheorien von einer angeblich kommenden achristlichen „Weltregierung“ geworden, also für die bizarre Legende von der „Neuen Weltordnung“, die kurz nach Ende des Kalten Krieges in randständigen evangelikalen Gruppen in den USA entstanden ist, weil man nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, der zu Recht ein Feindbild war, ein neues, dieses Mal irreales Feindbild brauchte? Oder erträgt man es nicht, dass der Mensch es ist, der die Seuche medizinisch in den Griff bekommt?

Wie auch immer. Die deutschen Bischöfe, auch und gerade die konservativen unter ihnen, sind glasklar für das Impfen. Gerade erst hat der Regensburger Bischof Voderholzer dazu aufgerufen, den wissenschaftlichen Fachmeinungen zu vertrauen. Desgleichen hat der Passauer Hirte Stefan Oster, theologisch ebenfalls konservativ, Mitte November zur Impfung aufgerufen und gesagt: „Sich impfen zu lassen, ist ein Dienst der Nächstenliebe.“ Und nicht zuletzt fand auch Papst Franziskus bereits im August luzide Worte: „Gott sei Dank, und auch dank der Arbeit vieler Menschen, haben wir heute Impfstoffe, um uns vor Covid-19 zu schützen!“ Gläubige Katholiken sollten diese Stimmen ernst nehmen, sehr ernst sogar. Anstatt sich von Impfskeptikern kirre machen zu lassen.

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