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Tagung der Gustav-Siewerth- Akademie zum Transhumanismus

Eine Tagung der Gustav-Siewerth- Akademie zum Transhumanismus entlarvt viele Ideen zur Optimierung des Menschen als falsch und gefährlich.
Abstract digital human face.  Artificial intelligence concept of big data or cyber security. 3D illustration
Foto: (288526357) | Der Transhumanismus ist eine Ideologie im genauen Gegensatz zu einer Ökologie des Menschen im Sinne Papst Benedikts.

Der Transhumanismus ist ein Ideenkomplex, der von einer technisch-biologischen Verbesserung des Menschen ausgeht und damit am Ende den Menschen durch ein neues Wesen ersetzen will. Viele transhumanistische Ideen halten einer sachlichen Überprüfung nicht stand.

Unter dem Leitwort „Lasst uns den ,neuen‘ Menschen machen – Atheistischer Transhumanismus und Christliche Anthropologie“ sprachen während des Sommerkurses der Gustav-Siewerth- Akademie in Höchenschwand im Schwarzwald namhafte Fachleute zu verschiedenen Aspekten des Transhumanismus. Den Menschen zu überwinden ist das Ziel des Transhumanismus. Der Mensch soll verbessert werden. Wie sehr viele Entwicklungen kann der Transhumanismus nicht ohne seine geistesgeschichtlich-philosophische Genese gedacht werden. Diese zieht sich von der Renaissance, die den neuen Menschen postulierte, über die Eugenik und die von ihr beeinflusste dystopische Literatur des frühen 20. Jahrhunderts bis hin zu aktuellen Denkern, wie Noah Yuval Harari und Ray Kurzweil. Die Ideen dieser beiden Vordenker von Staatslenkern und internationalen Foren tauchten im Laufe der Tagung immer wieder auf. Den Auftaktvortrag hielt Winfried König. Der römische Prälat Winfried König ist Leiter der deutschsprachigen Abteilung der ersten Sektion des vatikanischen Staatssekretariats. König beleuchtete in seinem Beitrag die Renaissance als Wiege der neuen Menschheit.

Den Menschen mit Mitteln des Menschen frei machen

Eine systematische Einordnung des Transhumanismus nahm Stephan Kampowski in seinem Vortrag „Biotechnologie und Freiheit“ vor. Kampowski ist ordentlicher Professor für philosophische Anthropologie am Päpstlichen Theologischen Institut „Johannes Paul II.“ für Ehe- und Familienwissenschaften in Rom. Der Transhumanismus, so Kampowski, wolle den Menschen mit Mitteln des Menschen frei machen. Der Wissenschaftler nahm Bezug auf Francis Fukuyama, der den Transhumanismus als die gefährlichste Idee der Welt bezeichnet hatte. Mit Mitteln der Biotechnologie wolle der Transhumanismus den Menschen weiterentwickeln. Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen sollen verbessert werden oder gar dem Menschen neue Fähigkeiten gegeben werden. Der Mensch, so Kampowski, nehme mit dem Transhumanismus seine Evolution in die eigene Hand. Der wahre Mensch existiere eben nach Sicht der Transhumanisten noch nicht, deshalb müssten wir ihn erst schaffen. Diese Sicht nannte der Wissenschaftler die Grundidee des Nationalsozialismus, des Kommunismus und hier insbesondere des Stalinismus. Wer dem Ideal nicht entspreche, dürfe vernichtet werden. Dem Ziel, den neuen Menschen herzustellen, habe sich das unterzuordnen.

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Gerhard Ludwig Kardinal Müller sprach in seinem Beitrag über „Atheistischen Posthumanismus oder christliches Menschenbild“. Nietzsche, so der Kardinal, habe als der umjubelte Prophet des postmodernen Atheismus die neue Leitidee des Humanismus ohne Gott verkündet: den Übermenschen. Bekommen habe er den Unmenschen. Der Mensch in der Sicht der Posthumanisten sei eine Laune der Natur oder mit sich spielender Elemente der Natur. Das nihilistische Credo, so Kardinal Müller, laute: „Das Sein ist kein unverdientes und unverfügbares Geschenk.“ Dieses posthumanistische Konzept stellte der frühere Präfekt der Glaubenskongregation der christlichen Schöpfungstheologie gegenüber. Kardinal Müller, der persönlich verhindert war, hatte den Vortrag vorab aufzeichnen lassen.

 

 

Das Verschwinden der Person

Der Dogmatiker Michael Stickelbroeck sprach über „Das Verschwinden der Person im Transhumanismus“. Menschliche Biologie, so der Theologe, werde von Transhumanisten nicht als wesentlicher Bezugspunkt für die Identität des Menschen betrachtet. Das Ziel, so der Dogmatiker, sei die totale Transformation des Menschen zu einem künstlichen Wesen. Der Mensch sei in der Theorie des Transhumanismus kein festes Wesen, er sei ein fluides Wesen. Das sei ein Gegensatz zur aristotelischen Philosophie, die den Menschen als ein unveränderbares Wesen ansehe. Das Ziel zeigte der Theologe am Beispiel des Publizisten Harari und dessen jüngstem Buch „Homo Deus“ auf. Es gehe um die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Der Mensch greife nach dem Göttlichen. So zu sein wie die Götter, habe als Gedanke schon in der Antike existiert. Gefährliche Errungenschaften seien allerdings abzugrenzen von nützlichen Erfindungen, wie künstliche Hüften und ähnlichem. Es gehe den Transhumanisten um radikale Veränderung, so dass am Ende ein neues, vermeintlich besseres Wesen stehe. Vier Stufen der Veränderung gebe es. Da sei zuerst das technische Gerät, das der Mensch mit sich führe. Die nächste Stufe sei die Verstetigung, indem dieses Gerät nicht mehr abzuschalten ist. Weiter gehe es mit einem Implantat, das die bisherigen Funktionen übernimmt. Am Ende stehe die Verschmelzung von Mensch und Maschine. Der verbesserte Mensch habe nach Harari einen Mehrwert gegenüber dem unveränderten. Am Ende gehe es schlicht darum, den Menschen komplett zu ersetzen.

Werner Thiede sprach über „Digitalisierung: Technischer Fortschritt als kulturelle Herausforderung“ (Vgl. dazu DT 04.08.2022 und DT 02.06.2022).

Transhumanismus ist eine Wissenschaftsreligion

Der Mediziner Paul Cullen widmete seinen Vortrag dem Thema „Die Verwandlung und Optimierung des Menschen: das transhumane Projekt aus medizinischer Perspektive“. Transhumanismus sei kaum bekannt und werde als Randphänomen gesehen, so Cullen. Zwei Richtungen des Transhumanismus stellte Cullen vor, eine biologische Art und eine technische Art, den Menschen zu verbessern. Biologisch gehe es um die Überwindung der Speziesgrenzen. Cullen nannte Chimären – Embryonen als Beispiel und zeigte eine Dokumentation der Herstellung einer Chimäre aus Maus und Ratte. Die Idee sei, auch beim Menschen solche Versuche zu machen. Ziel sei hier, Organe in einer Chimäre aus Mensch und Schwein wachsen zu lassen.

Roboter und menschlicher Schädel
Foto: Adobe Stock | Lasst uns den neuen Menschen machen - Transhumanisten wollen den Menschen ersetzen.

„Transhumanismus ist eine Wissenschaftsreligion“, grenzte Cullen ab und definierte: „Wissenschaftliche Begriffe werden benutzt, um nichtwissenschaftliche Inhalte zu transportieren.“ Paul Cullen legte die geistesgeschichtlichen Wurzeln dieser Ideenwelt offen. Julian Huxley, der Bruder von Aldous Huxley, prägte den Begriff Transhumanismus in seinem 1957 geschriebenen Buch „New Bottles for new Wine“. Recht unbekannt ist die Verwandtschaft von Charles Darwin mit den Brüdern Aldous und Julian Huxley. Hier verortet Cullen die Entstehung der Eugenik, einer Lehre von der Verbesserung des Menschen. Es werde darin aufgeteilt zwischen wertvollen und nicht wertvollen Menschen und vor allem einer Gruppe, die wisse, wer gut und wer schlecht sei. Besonders in der amerikanischen Oberschicht habe zu Beginn des 20. Jahrhunderts  ein großer Konsens über die Eugenik existiert. Damit, so Cullen stelle sich die Frage, ob „Brave New World“ von Aldous Huxley vielleicht eher eine Blaupause als eine Warnung sei. Als einen weiteren Aspekt des Transhumanismus stellte Paul Cullen Gesundheit als Form von Religion vor, deren Ziel die Unsterblichkeit sei. Als Beispiel stellte der Mediziner ein von Jeff Bezos und Yuri Milner gegründeten Start-up zur biologischen Verbesserung vor. Mit dem Transhumanismus greife der Mensch nach göttlichen Fähigkeiten, schloss Cullen.

Der neue Mensch

Susanne Hartfiel analysierte unter dem Titel „Die Neuerfindung des Menschen“ die sozialen Aspekte des Transhumanismus. Die Sozialwissenschaftlerin aus Bremen stellte ihrem Beitrag das Zitat von Papst Benedikt zur Ökologie des Menschen aus dessen Rede im Deutschen Bundestag voran. Der Transhumanismus, so Hartfiel, sei eine Ideologie, die Respektlosigkeit gegenüber der menschlichen Natur in Extremform praktiziere und damit der genaue Gegensatz zu einer Ökologie des Menschen im Sinne Papst Benedikts. Für Transhumanisten existierten keinerlei Grenzen im Hinblick auf die Manipulation des Menschen und des menschlichen Körpers. Transhumanistische Ziele, so Hartfiel, sei die Selbstperfektionierung des Menschen, die Überwindung des Menschseins, das Erreichen einer höheren evolutionären Stufe oder sogar der Unsterblichkeit. Kritisch erwähnte Hartfiel die Tatsache, dass es hier sehr viel Geld und kaum Kontrolle gebe. Den Transhumanisten bescheinigte Hartfiel ein sehr materialistisches Bild, das den Menschen nur als eine Art Tier oder eine Mischung von Tier mit einer Art Computer sehe. Zudem werde der Mensch als defizitär angesehen. Der Fokus liege auf der Verbesserung des Menschen. Defekte Menschen würden sprachlich und praktisch durch Tötung, Abtreibung oder als Ersatzeillager entmenschlicht. Mit neuen Techniken gehe der Transhumanismus noch sehr viel weiter als die Eugenik.

Der Philosoph Marcus Knaup entwickelte in seinem Vortrag unter dem Titel „Erinnerung an den Menschen diesseits der Utopie einer technischen 'Selbstüberwindung'“ das Szenario eines Minduploadings. Damit gemeint ist ein Hochladen des Menschen in eine Maschine, die dem Individuum ein dauerhaftes Fortleben gewährt. Gingen früheste Gedanken von lange am Leben erhaltenen biologischen Systemen aus, zielen moderne Ideen auf immer leistungsfähigere Computer. Kritisch befasste sich Marcus Knaup mit den zugrunde gelegten Überzeugungen der Protagonisten eines Minduploadings. Da sei zunächst einmal der Körper. Beispielsweise sei für Lebewesen der Stoffwechsel relevant. Ein Körper stehe im Gegensatz zu einer Maschine in einem lebendigen Austausch mit seiner Umwelt.

Mit dem Leib, so Knaup, partizipieren wir an der Natur. Das alles könne ein Hirn allein nicht. Der Körper verarbeite nicht nur Daten, er konstituiere sie selbst. Daraus folgerte Knaup: Ein Scan einer Person sei eben nicht mit der Person gleichzusetzen. Mit Blick auf unbewusste Vorgänge wies der Philosoph darauf hin, auch diese gehörten zu uns. Es müssten folglich in einer Computersimulation von Vorgängen im Gehirn hunderte von Milliarden Neuronen simuliert werden, weil eben auch das Unbewusste dazugehöre. Auch Bewusstsein könne kaum technisch nachgebildet werden. Besonders wegen der kurzen Lebensdauer von Speichermedien sei eine lange Lebensdauer trotz eines Minduploadings nicht zu erreichen. Viele Dinge, so Marcus Knaup, die bei einer Theorie des Minduploadings vorausgesetzt werden, erwiesen sich bei genauem Hinsehen einfach als falsch.

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