Mit stürmischem Applaus und „Jubilate Deo“-Gesängen wurde Papst Leo XIV. am Freitagmorgen in der katholischen Heilig-Geist-Kathedrale im Stadtzentrum von Istanbul begrüßt. Der Vorsitzende der Türkischen Bischofskonferenz, der aus Slowenien stammende Erzbischof von Izmir, Martin Kmetec, begrüßte den Papst vor den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und pastoralen Mitarbeitern als „Nachfolger des Apostels Petrus und Garant der lebendigen Tradition“. Wie am Pfingsttag kämen die Katholiken Istanbuls aus verschiedenen Traditionen, und sie „vertreten auch die Kirchen, die Christus treu geblieben sind und das Siegel des Martyriums tragen“, so Erzbischof Kmetec.
In der Türkei leben Katholiken des lateinischen, chaldäischen, armenischen, syrischen und byzantinischen Ritus, laut vatikanischen Angaben insgesamt rund 33.000 Gläubige. Während der Papst Englisch sprach und das Vaterunser auf Latein gesungen wurde, wurden die Lesung und das Glaubensbekenntnis auf Türkisch vorgetragen, wohl auch als Hommage an die wachsende Zahl türkischer Konvertiten in einer Kirche, die traditionell als Ausländerkirche gilt und von Bischöfen aus unterschiedlichen Ländern geleitet wird.
Credo als Unterscheidungskriterium
Papst Leo XIV. bezeichnete die Türkei in seiner Predigt als „heiliges Land, wo das Alte und Neue Testament sich begegnen und die ersten Konzilien stattfanden“. Er erinnerte an das Wirken des Völkerapostels Paulus und des Evangelisten Johannes in Kleinasien, aber auch „an den missionarischen Schwung der Kirche von Konstantinopel“. Das Ökumenische Patriarchat sei bis heute der Bezugspunkt für alle orthodoxen Christen. Angesichts der geringen und weiter sinkenden Zahl der Christen in der Türkei erinnerte Leo XIV. daran, dass sich das Reich Gottes „nicht in Aufsehen erregender Weise“ durchsetzt, vielmehr sei „die Logik der Niedrigkeit die wahre Stärke der Kirche“, die „vom Licht des Lammes“ lebe.
An die Priester und Laien appellierte der Papst in Istanbul, „das Evangelium mit Freude zu verkünden sowie „beharrlich zu bleiben im Glauben und Zeugnisgeben“. Besonders gefordert sei die katholische Kirche in der Türkei im ökumenischen und interreligiösen Dialog, in der Glaubensweitergabe und in der Sorge um die vielen Migranten. Der Papst mahnte Inkulturation ein: Die ausländischen Katholiken sollten sich die Sprache und die Sitten der Türkei immer mehr aneignen.
Das Konzil von Nicäa vor 1700 Jahren sei ein „Meilenstein auf dem Weg der Kirche und der gesamten Menschheit“ gewesen. „Nicäa lädt uns noch heute ein, zu überlegen, wer Jesus für uns ist“, sagte Leo XIV., der das Credo als „Unterscheidungskriterium und Kompass“ bezeichnete. „In Jesus finden wir das wahre Antlitz Gottes“, so der Papst, der vor einem „wiederkehrenden Arianismus“ in der heutigen Kultur und selbst unter Gläubigen warnte: Wenn Jesus zwar mit menschlicher Bewunderung betrachtet, aber nicht als wahrer Gott anerkannt werde, dann werde er zum weisen Lehrmeister, zu einer großen historischen Persönlichkeit oder einem Propheten der Gerechtigkeit gemacht. Christus sei jedoch „keine Persönlichkeit der Vergangenheit, sondern der Sohn Gottes mitten unter uns“.
Ökumenische Tradition
Die dem Heiligen Geist geweihte römisch-katholische Kathedrale ist ein symbolträchtiger Ort der Ökumene, denn jeder Papst, der nach Istanbul reiste, besuchte sie auch zusammen mit dem Ökumenischen Patriarchen seiner Zeit: 1967 kam Paul VI. mit Patriarch Athenagoras hierher, 1979 Johannes Paul II. mit Patriarch Dimitrios, 2006 Papst Benedikt und 2014 Papst Franziskus jeweils mit Patriarch Bartholomaios.
Im Altersheim der „Kleinen Schwestern der Armen“ sagte der Papst am Freitagvormittag: Das Geheimnis der christlichen Nächstenliebe sei, „bevor wir für jemand da sein können, müssen wir mit jemandem sein“. Heute gehe in den materialistischen Gesellschaften der Respekt für die älteren Menschen verloren, kritisierte Leo XIV., der mit den Senioren der Sozialeinrichtung betete und sie segnete.
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