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Christian Heidrich untersucht spätmoderne Zugänge zur Konversion

Auf einmal ist Gott da. Der Theologe Christian Heidrich untersucht spätmoderne Zugänge zur Konversion. Es ist immer eine Überraschung.
CDU-Politiker Philipp Amthor
Foto: Jens Büttner (dpa-Zentralbild) | Der CDU-Politiker Philipp Amthor ließ sich im Dezember 2019 in der Kapelle der Berliner Katholischen Akademie taufen.

Mein lieber GKC, das geht nun wirklich zu weit“, rief der irische Schriftsteller George Bernard Shaw (1854–1950) als Reaktion auf die Konversion seines Freundes Gilbert Keith Chesterton (1874–1936) zur Katholische Kirche 1922. Früher hätten Konversionen bekannter Persönlichkeiten für einen Skandal gesorgt, heute würden sie eher gleichgültig von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Damit leitete Christian Heidrich, Autor des Buchs „Die Konvertiten: Über religiöse und politische Bekehrungen“ (2002) seinen Vortrag „Berühmte Konvertiten, ihre Wirkung und ihre Geschichte“ im Rahmen des Studiennachmittags „Konversionen“ an der Berliner Katholischen Akademie ein.

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Heidrich unterscheidet zwischen drei Konversionstypen. In die erste Kategorie fallen diejenigen, welche die Religion oder die Konfession wechseln. Das ist etwa der Fall bei Chesterton, aber auch bei Alfred Döblin.

Bertolt Brecht reagierte auf Alfred Döblins öffentliches Bekenntnis, das er bei seiner Geburtstagsfeier am 14. August1943 im kalifornischen Santa Monica aussprach, mit dem Gedicht „Ein peinlicher Vorfall“. Döblin war zwei Jahre zuvor nach längeren Kämpfen, nach längerem Suchen vom Judentum zum Katholizismus konvertiert. „Die Gäste seines 65. Geburtstags wollten es jedoch nicht wissen. Für sie war es ein peinlicher Vorfall, eine Verletzung der weltanschaulichen Etikette“, so Heidrich.

Für Döblin sei eine zweimonatige Reise nach Polen 1924 entscheidend gewesen, bei der er zum mächtigen Kreuz in der Krakauer Marienkirche immer wieder zurückgekehrt sei. Als zweite Erfahrung habe die bittere Zeit des Exils eine Rolle gespielt, nachdem er 1933 Deutschland verlässt. „Der Aufenthalt im südfranzösischen Mende gilt als Wendepunkt in seiner religiösen Suche“. Hier habe er verstanden, dass der Gekreuzigte der menschgewordene Gott ist. Er ließ sich zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn am 30. November 1941 in Hollywood taufen.

Konversionen von „Berühmtheiten“ hätten früher Schlagzeilen gemacht, führt Christian Heidrich aus. Das habe sich aber geändert: Als bei der Beerdigung Ernst Jüngers im Februar 1998 bekannt geworden sei, dass der Schriftsteller wenige Jahre zuvor zur römisch-katholischen Kirche konvertiert sei, „ist die Öffentlichkeit überrascht. Zu einer Aufregung, gar zu einem Skandal reicht es keinesfalls“. Ist dies ein Zeichen von Toleranz oder eher der konfessionellen Gleichgültigkeit?, fragte der Referent.

Zur zweiten „Figur“ des Konvertiten – so der Theologe und Religionslehrer weiter – gehöre derjenige, der vorher gar keine Religion gehabt habe und sich nach einem Findungsprozess einer Religion anschließe. Im Dezember 2019 wurde in der Kapelle der Berliner Katholischen Akademie der 1992 geborene Politiker Philipp Amthor getauft. Der CDU-Politiker wuchs bei seiner alleinerziehenden Mutter in Torgelow auf. Als 17-Jähriger besuchte er bewusst erstmals einen Gottesdienst, eine ökumenische Feier vor einem Landesparteitag.

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Ein Freund hatte ihn mitgenommen. „Eine Suche begann“, stellt Heidrich fest: „Dabei gab es offenbar kein Bekehrungserlebnis. Es war vielmehr die doppelte Bewegung einer intellektuellen Suche und das Beispiel eines katholischen Freundes.“ Die intellektuelle Suche habe mit Joseph Ratzingers „Einführung in das Christentum“ zu tun gehabt. Nachdem Amthor das Buch studiert habe, „ließ ihn die Transzendenz, letztlich die Gottesfrage, nicht mehr los“. Das Beispiel des katholischen Freundes habe ihm die Einsicht vermittelt, „Glaube macht demütig“.

Der Glaubensweg des jungen Politikers scheint mir zukunftsweisend zu sein. Denn die klassischen Wege zu Glaube und Kirche – die selbstverständliche Taufe, die Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung – neigen sich in einem rasanten Tempo dem Ende zu“, so Heidrich. Was bleiben werde, sei der Weg einer persönlichen Suche, sowohl der intellektuellen Begegnung, die nach Gott fragen lasse, als auch „der Blick auf glaubwürdige Christen“.

In dem Zusammenhang nennt der Referent einen weiteren jungen Menschen: Anna-Nicole Heinrich, die im Mai mit gerade 25 Jahren zum Präses der evangelischen Synode gewählt wurde. „Ihre religiöse Vita ist alles andere als klassisch oder traditionell“: Ihre aus Thüringen stammende Familie besaß keinen Bezug zum Christentum, nach der Wiedervereinigung zog die Familie in die Oberpfalz. „Nicht getauft gibt es hier nicht, bekam sie zu hören.“ Sie habe sich für den evangelischen Religionsunterricht entschieden, „und fand offensichtlich Interesse und Freude am Glauben. Sie ließ sich taufen“. Seit 2015 gehört sie der evangelischen Synode als Jugenddelegierte an.

Die Glaubenswege von Amthor und Heinrich mögen Wege einer Minderheit sein, räumt der Referent ein. „Der spätmoderne Weg zum Glauben“ aber „wird sich dem öffnen, der von einer Unruhe gepackt wird, den die Gottesfrage ergreift. Sicherlich auch dem, in dessen Blickfeld eine Glaubensgemeinschaft gerät, die ihm trotz aller Makel und Runzeln als attraktiv erscheint.“

Als dritte „Figur“ des Konvertiten bezeichnete Christian Heidrich denjenigen, der „seinen Taufschein, seine formelle Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft durch eine spätere Kehre realisiert. Aus einer formellen Zugehörigkeit wird eine authentische“. Aus der „Tiefe der Kirchengeschichte“ könnte Franz von Assisi genannt werden, „dessen Religiosität in den ersten zwei Lebensjahrzehnten der Religiosität eines wohlhabenden Bürgersohnes im Hochmittelalter entsprach, und dann in einer Mischung aus persönlichen Krisen und mystischen Erlebnissen seine Berufung empfängt“.

In jeder Glaubensgemeinschaft gebe es auch heute Menschen, „die aufgrund von ganz unterschiedlichen Erfahrungen gemerkt haben, dass das Evangelium doch nicht nur aus frommen Worten besteht, dass das Christentum mehr sein kann, als ein paar Rituale, die man zu Weihnachten oder zu Ostern abspult“.

Die Frage nach der Nachhaltigkeit einer Konversion lasse sich allerdings nicht nach objektiven Kriterien messen. Letztendlich sei in dem Zusammenhang das Wort Jesu entscheidend: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ 

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