„Dilexit nos“ – „Er hat uns geliebt“. Mit dem Titel der letzten Enzyklika von Papst Franziskus hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Dienstag an den verstorbenen Pontifex erinnert. Beim bundesweiten Requiem in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale erinnerte er in seiner Predigt an den letzten öffentlichen Auftritt des Papstes am Ostersonntag auf dem Petersplatz. Ein letztes Mal habe er sich unter die vielen Menschen gemischt. „Er wollte ihnen nahe sein, wie so oft“, betonte Bätzing.
Und er zitierte die Schriftstellerin Juli Zeh: „Wer unter den Leuten lebt, kann sich nicht mehr leicht über andere Menschen erheben.“ Darum, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende, habe der Papst viele Fragen und Herausforderungen aus pastoraler Perspektive angegangen. „Das relativiert nicht den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens, aber man wird diese Wahrheit doch eher verspüren und verkosten, anstatt sie beherrschen zu wollen“, zitierte er die Enzyklika „Dilexit nos“. In der Seelsorge und in der Zuwendung zu Menschen in allen Lebenslagen schlage aber das Herz der Kirche.
Pastoral statt Dogmatik
Damit formulierte Bätzing das zentrale Vermächtnis des verstorbenen Papstes, auf das so viele Nachrufe in den vergangenen Tagen verwiesen haben: Der verstorbene „Pontifex“ sei im wörtlichen Sinne ein Brückenbauer gewesen, ein Hirte, der den Menschen zugewandt war und dem die Nöte der Pastoral näher gewesen seien als die vermeintlich kühle Dogmatik.
Bischof Bätzing ermutigte dazu, Papst Franziskus als Zeugen des Glaubens wirken zu lassen, „seine letzten Gesten und Worte daraufhin (zu) befragen, wie sie unseren Glauben anrühren und in Bewegung bringen. Als Brückenbauer wusste der Papst Gesten und Worte ja oft spontan und von Herzen kommend einzusetzen.“ Er würdigte die große Anteilnahme am Tod des Papstes. Sie zeuge von dem Respekt, den sich der Papst über die Jahre seines Pontifikates erworben habe.
Koch: „Welche Verbundenheit zeigt sich darin“
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch erinnerte an eine Anekdote am Rande der Familiensynode, die 2015 im Vatikan stattfand. Der Papst habe gefragt, ob Koch sein Amt in Berlin gut begonnen habe. Daraufhin habe er geantwortet, er werde am Ende der Synode von Wallfahrern aus Berlin abgeholt. Der Papst habe ihm daraufhin auf die Schulter geklopft und geantwortet: „Und mich lassen sie hier.“ Und Koch erinnerte an den Brief des Papstes „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ aus dem Jahr 2019. „Welche Verbundenheit zeigt sich darin“, betonte Koch. In dem Schreiben mahnte der Papst die deutschen Katholiken zur Einheit mit Rom auf dem „Synodalen Weg“ und betonte den Primat der Evangelisierung.
Koch zog eine Parallele zur Architektur der frisch sanierten Hedwigskathedrale, ein Kuppelbau mit dem Altar in der Mitte direkt unterhalb der Kuppelöffnung. „Christus ist in seiner Menschwerdung, so bekennen wir, hinabgestiegen in unser Leben. Deshalb steht der Altar dieser Kirche auf der gleichen Ebene wie die Menschen, die sich um das Zentrum ihres Lebens, den Altar, versammeln. Für uns Katholikinnen und Katholiken steht der Altar sinnbildlich für Jesus Christus selbst.“ Alle Menschen seien geborgen von Gottes nie endender Liebe und Sorge, jeder Einzelne sei dabei individuell angesprochen.
Eterović: Kirche „im Aufbruch“ durch neue Evangelisierung
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, sagte in seinem Schlusswort, Papst Franziskus habe eine neue Dynamik der Verkündigung gewollt, eine neue Evangelisierung. Dies bedeute, eine Kirche „im Aufbruch“ und eine Kirche mit offenen Türen zu sein, wie es der Papst in seiner Enzyklika „Evangelii gaudium“ beschrieben habe. Die Frohe Botschaft Jesu gelte auch jenen Menschen, die an den Rändern der Gesellschaften lebten oder ausgegrenzt und gefangen seien. In der katholischen Kirche habe der verstorbene Pontifex zudem die „synodale Methode“ gestärkt. „Immer wieder hat der Papst die Barmherzigkeit Gottes betont, die unseren Umgang miteinander in Kirche und Welt prägen und auszeichnen soll. Der Papst aus Argentinien, erwählt aus der Ferne, um die Fernstehenden in die Nähe des Herrn Jesus einzuladen, hat uns immer wieder ermuntert, in das Lob des Sonnengesanges seines Namensgebers, des heiligen Franziskus, einzustimmen: Laudato si’.“
Eterović hob auch den Einsatz des Papstes für den Frieden in einer von Gewalt, Terror und Krieg geschundenen Welt hervor. Dieses Engagement habe auch der Ökumene gegolten, den Beziehungen mit den christlichen Kirchen und Gemeinschaften, wie auch dem Dialog mit den nichtchristlichen Religionen. „Wir haben Papst Franziskus als einen sensiblen und aufmerksamen Bischof von Rom erlebt, der in aller Bescheidenheit jeden Menschen in seiner Würde achtete. Seine Gesten und Aktionen waren oft spontan und dienten seinem tiefen Verlangen nach Versöhnung der Menschen untereinander.“
An dem bundesweiten Requiem nahmen neben zahlreichen Bischöfen und katholischen Würdenträgern auch Vertreterinnen und Vertreter der Ökumene teil. Darunter waren die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz Deutschlands, Metropolit Augoustinos, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Rev. Christopher Easthill sowie die Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp.
Auch Vertreter von Staat und Gesellschaft würdigten den verstorbenen Papst, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU). Vertreten waren auch die geschäftsführenden Bundesministerinnen Lisa Paus und Klara Geywitz sowie der wohl nächste CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Jens Spahn.
Papst Franziskus war am Ostermontag im Alter von 88 Jahren nach einem Schlaganfall verstorben. Zuvor hatte er wegen einer schweren Lungenentzündung mehrere Wochen im Krankenhaus verbracht. Am Samstag ist der Pontifex in der römischen Kirche Santa Maria Maggiore bestattet worden. Zuvor nahmen an dem Requiem auf dem Petersplatz nach Vatikanangaben rund 200.000 Menschen teil.
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