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Merz vs. Scholz: Es lebe der Unterschied

Die Generaldebatte im Bundestag beweist: Endlich sind die Fronten im Parlament wieder klar.
Friedrich Merz und Olaf Scholz
Foto: IMAGO/Thomas Trutschel (www.imago-images.de) | Friedrich Merz attackierte Olaf Scholz in der Generaldebatte im Bundestag heftig und sprach klar die Gegensätze zum Kanzler aus. Scholz beäugte dies skeptisch und blies anschließend zum rhetorischen Gegenschlag.

Rhetorik kann er. Und vielleicht ist es gerade diese Eigenschaft, die viele seiner enttäuschten Anhänger, die die in ihn gesetzten Erwartungen schon aufgegeben hatten, Hoffnung schöpfen lässt. Die Rede ist von Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und vor allem, das hat er jetzt bewiesen: Führer der Opposition im Deutschen Bundestag

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Merz attackierte scharf und schneidig Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ampel-Regierung. Genüsslich listete er die zahlreichen Fehler der Regierung auf, sezierte sie, indem er sie den politischen Grundätzen der Union gegenüberstellte. Sein Ceterum censeo: Die Ampel kann es nicht. Es sind Dilettanten am Werk. 

Es gibt wieder Kanzler und Oppositionsführer

Diese Rede war Balsam für die Seele seiner Fraktionskollegen, für das Wähler-Stammklientel seiner Partei, aber auch für alle diejenigen in allen politischen Lagern, die sich seit langem Sorgen um die Qualität des deutschen Parlamentarismus machen. In der Ära Merkel mit ihrem Dogma von der Alternativlosigkeit der eigenen Politik schwand zusehends die Kraft des Parlaments über genau solche Alternativen, die es immer gibt, auch zu debattieren. 

Jetzt können sich die Freunde der klassischen Lehre freuen: Es gibt einen Kanzler und ihm steht ein Oppositionsführer gegenüber, der klar die Gegensätze ausspricht und nicht insgeheim eigentlich das Gleiche will, es nur etwas anders formuliert.

Und Merzens Attacke wirkte ja auch gleich belebend: Eigentlich noch nie hat man so einen leidenschaftlichen Redner Olaf Scholz gesehen wie gestern. Der Kanzler demonstrierte so auch seinen eigenen Leuten: Von Amtsmüdigkeit kann keine Rede sein. Und: Sollte es Pläne geben, ihn gegen Boris Pistorius auszutauschen, dieser Scholz von gestern würde sich da ziemlich querstellen. Zwischenfazit: gut so. Das war ein guter Tag für das deutsche Parlament. 

Parlamentarismus erschöpft sich eben nicht nur in Rhetorik

Aber Parlamentarismus erschöpft sich eben nicht nur in Rhetorik. Es gehört auch die Fähigkeit dazu, verhandlungsfähig zu sein. Es mag für viele trostlos klingen, aber dieses Ampel-Bündnis wird bis zum Ende der Legislaturperiode halten. Aus Angst vor dem Tode, der zumindest der FDP bei Neuwahlen jetzt drohen würde. Das heißt: Wenn die Opposition will, dass sich in Deutschland etwas ändert – und die Krisenszenarien allerorten unterstreichen diese Dringlichkeit – muss es auch seitens der größten Oppositionsfraktion die Bereitschaft geben, mitzugestalten. Natürlich nicht, indem man die Ampel-Ideen einfach abnickt. Es geht darum, das eigene Profil in solche Verhandlungen einzubringen, die bei jeder Sachfrage immer wieder neu starten. Zumal in den vernünftigen Kreisen der SPD, dort also wo nicht Saskia Esken als große Vordenkerin gilt, Bereitschaft zu erkennen ist, sich auf solche Gespräche immer wieder einzulassen. 

Kurz: Schneidigkeit ist nicht alles. Allerdings: Vor der Verhandlung müssen die Unterschiede klar herausgestellt werden. Der gestrige Tag war ein erster guter Aufschlag.     

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