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Die AfD und der geplatzte Traum von der Internationale der Nationalisten

Keiner will mit der AfD spielen. Selbst die europäische Rechte nicht mehr. Da hilft es auch nicht, Maximilian Krah in den Senkel zu stellen. Der profitiert sogar von der Situation.
Marine Le Pen hat eine Ideologie-Gemeinschaft mit der AfD nicht nötig
Foto: IMAGO/AlterPhotos/ABACA (www.imago-images.de) | Marine Le Pen hat eine Ideologie-Gemeinschaft mit der AfD nicht nötig – ob sie Krahs Positionen nur aus Opportunismus oder tatsächlicher Überzeugung ablehnt, ist freilich noch eine andere Frage.

Das ist ein Paukenschlag: Die Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID), Sammelpunkt der rechtsnationalen Kräfte im Europaparlament, hat die AfD-Abgeordneten rausgeschmissen. Die Causa Krah ist der äußere Anlass. Tatsächlich reichen aber die Ursachen tiefer. Die AfD steht nun offenbar selbst für die europäische Rechte für ein toxisches Politikmodell. Diese Rechte, mit ihrer Frontfrau Marine Le Pen, zielt in die Mitte der europäischen Gesellschaften. Theoretisierende Überbau-Diskurse wie von Krah & Co. inklusive der Liebedienerei gegenüber Russland sind da fatal.

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Die AfD-Spitze versuchte in den vergangenen Tagen diesem Trennungsbeschluss noch vorzubeugen. Angesichts dieses Ziels wurde sogar ein Grundsatz über den Haufen geworfen, der in der AfD und bei ihrer Anhängerschaft eigentlich unumstritten sein dürfte: Was in Deutschland geschieht, wird in Berlin entschieden. Und nicht im Ausland. Denn es waren ja ausgerechnet Äußerungen aus Paris, die maßgeblich mitbestimmt haben, wie die Blauen ihren Umgang mit dem Skandal um ihren Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah handeln wollen.

Für Le Pen ist eine rote Linie überschritten

Marine Le Pen, schon seit vielen Jahren der Superstar der europäischen Rechten, drohte seit Wochen der AfD unverhohlen mit Liebensentzug. Der vorläufige Höhepunkt dann nach dem vergangenen Wochenende: Nachdem Krah sich in einem Interview mit einer italienischen Zeitung in Ehrenrettungsversuchen für die Waffen-SS verrannt hatte, stellte der Chef der Le-Pen-Partei „Rassemblement National“, Jordan Bardella, fest, hier sei nun endgültig eine rote Linie überschritten worden. Eines sei klar, nach der Europawahl werde der RN nicht mehr mit der AfD in einer Fraktion zusammensitzen und sich „neue Alliierte“ suchen. Zu der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) gehören unter anderem auch die österreichische FPÖ und die italienische „Lega“ von Matteo Salvini

Der Ausschluss der AfD zeigt, dass die ID-Fraktion nicht zur Reste-Rampe der europäischen Rechten werden will. Die Rede von den „neuen Alliierten“ ist nämlich durchaus vieldeutig. Es gibt schließlich auch noch die „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR). Dort ist Giorgia Meloni mit ihren „Fratelli d’Italia“ tonangebend. Auch Viktor Orbáns „Fidesz“, seit dem Ausschluss aus der christdemokratischen EVP heimatlos, wird hier vermutlich Anschluss suchen.

Will Le Pen auch in diese Richtung? Sie rechnet sich gute Chancen aus, irgendwann doch noch als Staatspräsidentin in den Elysée-Palast einzuziehen. Seit Jahren modelt sie ihre Partei entsprechend um. Zu alten Zeiten, als noch Papa Jean-Marie tonangebend war, hätte Krah mit seinem Gerede über die SS dort durchaus Punkte gemacht.

Aber die Rechte, die Marine Le Pen will, braucht solche Verbeugungen vor Alt-Nazis nicht mehr. Diese Punkte, Vergangenheitsbewältigung und Haltung zum NS-Regime, die noch vor 20 Jahren zentral für die europäische Rechte waren, spielen heute keine Rolle mehr für die programmatische Agenda. Migration, politischer Islamismus, Abwehr des linken Kulturkampfes und Bewahrung der eigenen kulturellen Identität – das sind jetzt die zentralen Themen. Le Pen hat begriffen, dass sie damit, anders als früher, bis in die Mitte der Gesellschaft vordringen kann, dann aber ihre Kampagnen anders anlegen muss als zu Papas Zeiten.

Die AfD sonnte sich gerne an der Seite Le Pens

Genau in diese Mitte sehnt sich natürlich auch die AfD. Deswegen hat sie sich immer gerne an der Seite Le Pens gesonnt. Nach dem Motto: Erst nimmt sie den Elysée-Palast ein, wir folgen mit dem Kanzleramt

Doch nun sieht alles anders aus. Zumindest die Partei-Spitze der AfD hat offensichtlich Angst davor, auch auf der Ebene der europäischen Rechten zum Paria zu werden und deswegen Krah in den Senkel gestellt. Doch vor dem ID-Ausschluss hat sie das nicht mehr gerettet. Der alte Traum von der Internationale der Nationalisten ist geplatzt. Wie sollte die auch aussehen? Denn es gibt letztlich kein gemeinsames weltanschauliches Band, das die nationalen Parteien verbinden könnte. Allein die Angst vor Überfremdung und der Hass auf die EU und die etablierten Parteien in den Heimatländern reicht eben nicht.

Die Pointe an der ganzen Sache: Gerade Maximilian Krah mit seinen theoretischen Überlegungen darüber, was rechts sei, seinem ethnozentrischen Denken und seiner geopolitischen Taktik könnte der Stichwortgeber für so eine Basis-Ideologie sein. Le Pen braucht das aber nicht, sie hat so eine Ideologie-Gemeinschaft nicht nötig – ob sie Krahs Positionen nur aus Opportunismus oder tatsächlicher Überzeugung ablehnt, ist freilich noch eine andere Frage. Sie konzentriert sich jedenfalls auf ihren möglichen Sieg in Frankreich und da ist die AfD hinderlich.

Wenn Le Pen überhaupt darüber hinaus Ambitionen hat, dann ist vielleicht ihre Eifersucht auf Giorgia Meloni ein Motor. Die italienische Regierungschefin hat ihr nämlich längst den Rang der First Lady der europäischen Rechten abgelaufen. Meloni ist zum „Role model“ der Rechten geworden. Von ihr lernen heißt siegen lernen. Dabei kann die AfD nicht helfen. 

Es geht nicht weiter, wie bisher

Die Blauen schienen bis gestern noch nicht gemerkt zu haben, dass sie auf ihre bisherigen Partner wie ein Klotz am Bein wirken. Sie hofften wohl, dass die Causa Krah irgendwann vergessen ist und alles weitergeht wie bisher. Aber das wird nicht funktionieren. Einer, der davon profitiert, ist wieder Maximilian Krah. Indem die Parteispitze sich jetzt darauf konzentriert, den Status quo abzusichern, kann er umso mehr als ideologischer Vordenker glänzen.

Die ideologische Lücke in der Programmatik der AfD wird immer mehr zur gefährlichen Leerstelle. Die Gemäßigteren in der Partei glauben offenbar immer noch, ihr ausweichen zu können. Doch Krah und Höcke warten nur darauf, ihre ideologische Zementmaschine heranführen zu können, um die Lücke mit ihrem ganz speziellen Ideologie-Zement zu füllen. Spätestens dann wird es zu Spaltungen kommen. Und zumindest Teile der jetzigen Parteispitze, viele Opportunisten werden trotzdem bleiben, machen dann die Zauberlehrling-Erfahrung von Lucke, Petry und Meuthen: Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los.  

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Sebastian Sasse

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