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Ist Woke das neue Autoritär?

Grün-linke Ideologie wird heute staatlich massiv gefördert. Zum Nachteil christlich-demokratischer und liberaler Werte.
Eckfahne in Regenbogenfarben
Foto: IMAGO/Anke Waelischmiller/Sven Simon (www.imago-images.de) | Zählte einmal die individuelle Freiheit, Prosperität und menschliche Diversität, so werden diese heute von „wokeness“, exzessiver „political correctness“ und erratisch-fanatischen „Diversity“-Bekundungen übertrumpft.

Die westliche Welt ist verrückt. Eine kleine Gruppe junger Menschen klebt sich an Gemälde und Straßen fest, um der Mehrheitsgesellschaft ihr Rousseau‘sches Ideal vom „Zurück zur Natur“ auf zu zwängen. Gleichzeitig fliehen Millionen von Menschen vor diesem Naturleben und frönen dem westlichen Lebensstandard mit allem, was dazu gehört: warmen, fließenden Wasser ebenso wie schnellen Autos. Ver-rückt. Gleichzeitig missbraucht eine akademische Kaste den Spielraum demokratischer Möglichkeiten, um unliebsame Stimmen im Keime zu ersticken („Cancel Culture“). Gleiche Denke, gleiche Gesinnung und gleiche Meinung. „Habitus“ lautet das Stichwort, soziologisch gesprochen.
Kurzer Einschub: Nach dem französischen Soziologen, Pierre Bourdieu meint „Habitus“ das gesamte Auftreten einer Person. Der deutsch-britische Soziologe, Norbert Elias, spezifizierte den „Habitus“ als „sozialen Habitus“, der als gemeinsame psychische Merkmale von Mitgliedern einer Gruppe zu verstehen ist.

Klima-Aktivismus als Selbst-Therapie

Doch zurück zur Gleich-Macherei: Gleich-Macherei steht vor individueller Freiheit, das Kollektiv steht über dem Individuum, das sozialistische Denken steht hoch im Kurs. Paradox: In China und Russland kämpfen nicht wenige Frauen und Männer für mehr Demokratie und für weniger Kollektivismus. Das will die akademische Elite nicht begreifen. Verrückt. Ebenso wie das ständige Gejammere um die „Benachteiligung“ von Frauen, Homosexuellen und Migranten: das Außenministerium klebt sich „feministische Außenpolitik“ auf die Fahne, an jeder Ecke gibt es eine Beratungsstelle für „queeres Leben“ und vielerorts werden Migranten bevorzugt eingestellt. Frauen, Homosexuelle und andere Minderheiten in China, Russland oder dem Iran träumten nur von dieser „Benachteiligung“. Wenn so Benachteiligung aussieht, möchte man gerne benachteiligt werden.

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Das zeigt: Zählten einmal individuelle Freiheit, Prosperität und menschliche Diversität, so zählen heute eine übersteigerte „wokeness“, exzessive „political correctness“ und erratisch-fanatische „Diversity“-Bekundungen. Hierbei handelt es sich nicht, wie die Chefredakteurin von „Philosophie Magazin“, Svenja Flaßpöhler, behauptet, um eine „Sensibilisierung“ der Gesellschaft als Folge zunehmender Zivilisation, die nun ins Destruktive umschlage und die Gesellschaft spalte. Das ist eine falsche Diagnose. Doch nicht nur das. Um es klar zu sagen, das ist eine pure Verharmlosung anti-demokratischer Tendenzen. Das ist Fahrlässigkeit. Denn was sollen, bitte schön, „wokeness“, „political correctness“ und „diversity“-Wahn mit Sensibilität im Flaßpöhler‘schen Sinne, also mit Empathie und Empfindsamkeit für unsittliches oder unmoralisches Verhalten, zu tun haben? Empathie? Lächerlich. Empfindsamkeit? Wohl eher. Wenn es synonym für Ego-Empfindsamkeit steht. Wie bei den jungen Klima-Aktivisten im Kampf um den „kranken Patienten“ Mutter Erde, allen voran wie bei Klima-Ikone, Greta Thunberg. Sie sprach aus, was viele sich nicht trauten und trauen zu sagen: Dass sie ihr Engagement gegen den Klimawandel als Selbst-Therapie begreife. Gegen ihre Depressionen. Wo bleibt da ihr Mitgefühl für das Klima?

Das alles hat rein gar nichts mit „wokeness“ zu tun. Es geht, einzig und allein darum die eigenen Interessen, auch gegen den Willen anderer, durchzusetzen. Es geht um Macht. Doch was ist Macht? Nach dem deutschen Soziologen, Max Weber, bedeutet Macht, den eigenen Willen durchzusetzen. Er formuliert es so: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht.“ Der britisch-polnische Soziologe, Zygmunt Bauman, geht einen Schritt weiter. Seiner Ansicht nach sei Macht in unserer Gesellschaft fluide und setze gesellschaftliche Rahmenbedingungen, um Herrschaft auszuüben.

Die Fahne der Macht schwenkt rot-grün

Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin, Hannah F. Pitkin, vereint beide Positionen. Indem sie zwischen der „Macht über andere“ und „Macht etwas zu tun“ unterscheidet. Ausgehend von diesem Macht-Verständnis muss man sagen, was viele Linke und Grüne nicht wahrhaben wollen: Linke und grüne Ideologien sitzen an den gesellschaftlichen Hebeln der Macht. Grün ist das neue Links. Schon seit Jahrzehnten. Die einen seit dem Marsch durch die Institutionen in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Die anderen seit dem Unglück in Fukushima. In allen parteipolitischen Lagern. Zur Erinnerung: Eine Christdemokratin war es, die die „Ehe für alle“ einführte. Jene, die auch den Namen „Klima-Kanzlerin“ erhielt. Das Klima spielte bei der Bundestagswahl 2021, neben der Klimapartei der Grünen, auch bei den anderen Parteien eine entscheidende Rolle. So stilisierte sich der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, und heutiger Bundeskanzler, Olaf Scholz, als „Kanzler für Klimaschutz“. Die Christdemokraten warben mit „Klima schützen./ Jobs schaffen“.

Die Farbe der Macht ist heute rot-grün, mit starkem Grünstich. Beispiele gefällig? 70 Millionen Euro stehen für den Aktionsplan „Queer leben“ zur Verfügung. So möchte das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“, dass derjenige, der sein Gegenüber mit dem falschen Geschlecht anspricht, eine Strafe von 2 500 Euro zahlen soll. Oder ein weiteres Beispiel: Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung sich gegen die Gendersprache ausspricht, benutzen Verwaltung, Behörden und Universitäten diese und verpflichten teilweise ihre Mitarbeiter diese zu nutzen. Gegen ihren Willen. Ansonsten droht Mobbing. Im schlimmsten Fall die Kündigung. Wie bei „Cancel Culture“.

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Prominente Fälle, wie die Kabarettistin Lisa Eckhart und der Historiker Egon Flaig, gelangen zwar an die mediale Öffentlichkeit. Aber Eckhart und Flaig können es sich noch „leisten“. Von vielen anderen, weniger prominenten Personen, die in ihrer Existenz bedroht werden, hört man nichts. Oder um weitere Beispiele für die links-grüne Hegemonie zu nennen: Für die Dauer des G7-Treffens der Außenminister am 3. und 4. November 2022 in Münster lies die Außenministerin, Annalena Baerbock, das Kreuz im Rathaus kurzzeitig abhängen. Auch der „Bismarck-Saal“ im Auswärtigen Amt in Berlin heißt nun „Saal der deutschen Einheit“. Kurzum: Grün-linke Ideologie wird heute staatlich massiv gefördert. Zum Nachteil christlich-demokratischer und liberaler Werte.

„Woke“ und „Co-Woke“ an den Schaltern der Macht

Das Schlimme hierbei? Grüne und Linke legen zunehmend autoritäre Persönlichkeitszüge an den Tag. Der bekannte Vertreter der „Frankfurter Schule“, Theodor Adorno war es, der die „autoritäre Persönlichkeit“ zuerst beschrieb. Per definitionem kennzeichnet sich die „autoritäre Persönlichkeit“ durch ihre blinde Loyalität und ihre vorurteilsbehaftete Denkmuster, durch ihre Anfälligkeit für anti-demokratisches und faschistisches Gedankengut. Zudem ist sie unbewusst feindselig gegenüber anderen Menschen, insbesondere gegenüber Minderheiten, weil hier weniger gesellschaftliche Sanktionen zu erwarten sind. Die „autoritäre Persönlichkeit“ ist konservativ und braucht eine Ideologie.

Angelehnt hieran offenbart sich die Neuauflage dieser „autoritären Persönlichkeit“ im links-grünen „woken“ Gewand wie folgt: Die „woke Persönlichkeit“ hegt Vorurteile gegenüber allem, was nicht ihrem links-grünem Gedankengut entspricht und etikettiert diese prompt als „rechts“. Ihre unbewusste Feindseligkeit richtet sich gegen diejenigen, wo wenig Sanktionen zu erwarten sind. Das sind heutzutage Personen mit konservativ-liberalen Ansichten. Denn an den Hebeln der Macht, konkret in Journalismus und Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft und Politik sitzen überwiegend „woke“ und „Co-Woke“. Gerade sie sind es, die „konservativ“, negativ konnotiert „reaktionär“, sind. Denn noch immer halten sie an einem veralteten Gesellschaftsbild fest, in dem Frauen, Homosexuelle und Migranten, kurzum Minderheiten noch immer erhebliche gesellschaftliche Nachteile erfahren würden. Ideologisch klammern sich sich an den Diskriminierungs-Mythos und den apokalyptischen Hitzetod der Erde.

Adorno sah bereits in der deutschen Studentenbewegung von 1968 autoritäre Persönlichkeiten. Er schrieb, seinem Kollegen und Freund, dem Soziologen Herbert Marcuse: „Die Gefahr des Umschlags der Studentenbewegung in Faschismus nehme ich viel schwerer als du.“ Die „woke Persönlichkeit“ ist demnach nichts wirklich Neues. Sie ist die „autoritäre Persönlichkeit“, nur auf unsere Zeit „upgedatet“. Das Gefährliche hierbei? Linke und grüne „woke“ sitzen im Staatsapparat. Sie besitzen Gestaltungsmöglichkeiten. Sie besitzen Macht. Das ist verrückt, nicht wahr?

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