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So reagieren ausländische Medien auf die Vorwürfe gegen Benedikt XVI.

Die hierzulande „sprungbereite Feindseligkeit“ einflussreicher Medien gegenüber dem emeritierten Papst findet sich auch in Presseorganen des Auslands. Aber es gibt auch differenzierte Betrachtungen.
Was Papst Benedikt XVI.  größter Fehler war
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachten werden Vertuschungsvorwürfe gegen den emeritierten Papst Benedikt erhoben. Wie ausländische Medien reagieren.

Für das britische Magazin The Tablet sind bei der Berichterstattung über das Münchner Missbrauchsgutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl weniger die Untersuchungsergebnisse oder auch die von Papst Benedikt, Vatikansprecher Andrea Tornielli und Erzbischof Gänswein vorgetragenen Einwände erwähnenswert, als vielmehr die Benedikt-kritischen Stimmen deutscher Bischöfe und Theologen. 

So gibt die Zeitschrift Aussagen vom Limburger Bischof Georg Bätzing, vom Aachener Bischof Helmut Dieser, vom Jesuiten Hans Zollner sowie vom Kirchenrechtler Thomas Schüller wieder. Letzterer wird mit den Worten zitiert: Joseph Ratzinger „fügt der katholischen Kirche und dem Papstamt damit einen irreparablen Schaden zu“. Zum Schluss kommt der deutsche Kurienkardinal Kardinal Gerhard Müller kurz zu Wort. Der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ gegenüber sagte er, dass es Leute „in Deutschland und anderswo gibt“, die den früheren Papst „beschädigen wollen“. Doch „es ist eindeutig, falls es Fehler gegeben hat, dass er nichts davon wusste“. Benedikt habe „nicht vorsätzlich irgendetwas Falsches gesagt“. 

Kein Vergleich zu McCarrick

Der Chefredakteur des britischen Magazins „The Catholic Herald“ und Mitherausgeber des ebenfalls britischen „Spectator“, Damian Thompson, nimmt sich der Frage an, was sich hinter den Beschuldigungen gegen Benedikt XVI. verberge, an der Vertuschung von sexuellem Missbrauch, vor allem durch den Priester Peter H., beteiligt gewesen zu sein. Thompson erinnert im Spectator dabei an Ex-Kardinal Theodore McCarrick, der Seminaristen verführt und nun des sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen angeklagt sei. „Uncle Ted“ sei Jahrzehnte lang ein liberaler Meinungsführer gewesen und habe den „anti-traditionalistischen Kardinälen nahegestanden, die die Wahl von Papst Franziskus geschickt in die Wege leiteten. Seine Schmach war demütigend für Franziskus, der ihn rehabilitiert hatte“.

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Wie scharf auch immer man Benedikt beurteilen möge, „er kann nicht mit dem Monster McCarrick verglichen werden“. Es gebe „überwältigende Beweise, dass hier ein theologischer Krieg mit anderen Mitteln geführt wird. Liberale Katholiken rechnen mit den ehemaligen Verbündeten und traditionalistischen Kritikern von Papst Franziskus ab“. Man schaue nur, „wie die Story von deutschen Anti-Ratzinger-Journalisten und ihren liberalen Kontakten in der katholischen Kirche hinterlistig geframed wird“. 

Was Benedikts größter Fehler war

Benedikt werde der Untätigkeit in fünf Fällen beschuldigt, so führt Thompson weiter aus, „bei dem es bei keinem um während seiner Amtszeit in München vorgefallenen sexuellen Missbrauch ging“. Er verweist auf eine vom „Inside the Vatican“-Magazin veröffentlichte Analyse, der zufolge die vom Anwaltsbüro Westpfahl Spilker Wastl durchgeführte Untersuchung einen extremen Umfang (von 1.900 Seiten) aufweise, um den Papst Emeritus zu belasten, ohne viel vorzuweisen zu haben. H. sei eine „entsetzliche Kreatur, doch Ratzingers größter Fehler scheint gewesen zu sein, dass er den heute in Verruf stehenden damaligen Konsens, Triebtäter seien heilbar, übernommen hatte“, bemerkt Thompson.

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Er erwähnt darüber hinaus eine Aussage des früheren Herausgebers des Catholic Herald, Luke Coppen, der den fehlenden Kontext bei der Berichterstattung über den Münchner Report verurteilt: „Die Medien sind froh, ausführlich über die Vorwürfe des Reports gegenüber Benedikt XVI. berichten zu können, erwähnen aber kaum, dass Kardinal Reinhard Marx, derzeit verantwortlich für das Münchner Erzbistum, ebenfalls des Fehlverhaltens in Bezug auf Missbrauchsfälle beschuldigt wird“. Wer profitiert von dem Vorstoß, Benedikt in Misskredit zu bringen, der Hunderte von Tätern aus dem Priestertum entließ, als er Papst war, fragt Coppen. Es sei „wohl die derzeitige Führung der katholischen Kirche in Deutschland, die versucht, einen Weg einzuschlagen, der sich mit ihrem ‚Synodalen Weg‘ sehr von dem Benedikts unterscheidet“. Es sei zwar bedauernswert, dass Benedikt das Protokoll korrigieren musste: „Doch es scheint, dass der 94-Jährige bei der Beantwortung der Fragen der Anwälte wenig Hilfe vom Vatikan bekam, und offensichtlich hat man keine Eile, ihn mitten in der aktuellen Welle der Empörung in Deutschland zu verteidigen“.

Benedikts Verdienste in der Missbrauchsaufarbeitung

Thompson geht in seiner Beurteilung der Lage sogar noch weiter. Er meint, „dass es im Interesse des derzeitigen Pontifikats ist, Benedikt XVI. mit einem Scheitern bei der Bewältigung des sexuellen Missbrauchs in Verbindung zu bringen“. Dies helfe wohl, „die Aufmerksamkeit von einer Reihe von Anschuldigungen im Hinblick auf sexuelle und finanzielle Korruption abzulenken, in die offenbar der lateinamerikanische Klerus verwickelt ist, der eng mit Papst Franziskus verbunden ist“. Die „Mainstreammedienkanäle“, so kommentiert Thompson, „sträuben sich, diese Geschichten ausfindig zu machen, doch wenn man Benedikts Fehler aus einer neuen Perspektive betrachten will, empfehle ich, die Namen Julio Grassi, Bischof Gustavo Zanchetta, Bischof Juan Barros und Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga zu googeln“.

Das katholische Crisis Magazine erinnert an die Verdienste von Papst Benedikt XVI. Sean Fitzpatrick vom katholischen Jungeninternat St. Gregory the Great Academy, schreibt über den emeritierten Papst: „Es dürfte schwierig sein zu akzeptieren, dass diese Vorwürfe berechtigt sind, zumal die Schriften von Papst Emeritus Benedikt in Bezug auf eine unerschütterliche Tradition und felsenfeste Theologie es nicht stützen, dass er gegenüber einem derartigen Übel gleichgültig, geschweige denn darin verwickelt wäre“. Wenn Katholiken wirklich darauf hofften, „die Kirche von dem Schmutz zu reinigen, den er selbst beklagte“, müsse gehandelt werden: „Sexuelle Aktivitäten bei Priestern, und selbstverständlich sexueller Missbrauch durch sie sollten schlicht und einfach zum Ausschluss führen. Und derartige schmutzige Angelegenheiten – selbst dann, wenn sie vor langer Zeit stattfanden – sollten ans Licht gebracht werden, wenn es dabei hilft, in der Zukunft solche Übel zu verhindern“.

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