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Auf der Flucht vor Gott

Statt bei Gott sucht das Synodalforum IV Zuflucht bei der Gender-Ideologie.
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Foto: CHROMORANGE / Martin Schroeder (imago stock&people) | Anstatt bei Gott suche man Zuflucht bei einer historisch gesehen singulär-bizarren Ideologie, stellt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Christian Spaemann fest.

Die geschlechtliche Vereinigung in der Ehe zwischen Mann und Frau ist nach katholischer Lehre die Form gelebter Sexualität, die der Würde des Menschen entspricht. Alternative dazu ist die Enthaltsamkeit. Alle anderen Formen sexueller Betätigungen verletzen in irgendeiner Weise die Würde des Menschen und sind objektiv sündhaft. Die Würde des Menschen stützt sich nämlich nicht nur auf seine subjektiven Wünsche und Befindlichkeiten, sondern auch auf die objektiven Gegebenheiten seiner Natur.

Sinnstrukturen des Menschen

Beide, die objektiven und subjektiven Aspekte des Lebens in Einklang zu bringen, stellt eine wesentliche Herausforderung für den Menschen dar. Der Weg dorthin ist von trial and error begleitet und von Scheitern bedroht. Menschliches Leben ist außerhalb von Sinnstrukturen nicht möglich. Als geistige Wesen verhalten wir Menschen uns immer zur Sinnhaftigkeit unseres Lebens. Die Sinnstrukturen des Menschen gehen bis in seine Leiblichkeit hinein. Die Geschlechtsorgane von Mann und Frau passen perfekt zusammen. Sie verschwinden gleichsam ineinander und ermöglichen so in der Sexualität personale Begegnung und Zeugung neuer Menschen.

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Diese Vereinigung ist die einzige Form sexueller Betätigung, die nicht in irgendeiner Weise genital fixiert ist und den anderen oder sich selbst irgendwie objektiviert, was immer eine Verletzung der Würde bedeutet. Der Mensch ist in seiner Sexualität mit Leib und Seele auf Selbsttranszendenz ausgerichtet. Dem sinnvollen Zueinander der Geschlechtsorgane entspricht das seelische und geistige Zueinander von Mann und Frau.

Partner muss als Ganzes bejaht werden

Die psycho-biologischen Geschlechtsunterschiede und die aus ihnen hervorgehenden unterschiedlichen Verhaltenstendenzen sind tief in der Evolution verankert. So entsprechen zum Beispiel die Unterschiede im Verhalten von Katze und Kater unseren Alltagsklischees von Mann und Frau. Damit die Würde des Menschen in der Sexualität nicht verletzt ist, gehört auch der entsprechende Lebenskontext dazu.

Der Partner muss als Ganzes bejaht werden. Dieses Ja, wie es im Ja-Wort der Ehe zum Ausdruck kommt, schließt Vergangenheit und Zukunft des Anderen mit ein, da dem Menschen die zeitliche Dimension, seine Vergangenheit und Zukunft, inhärent ist. Diese beschriebene Konstellation von Mann und Frau bildet den Kern des generationsübergreifenden Gefüges der Menschheit. Jungen und Mädchen finden bei Vater und Mutter zu ihrer eigenen Identität und bilden so die nächste Generation.

Familie ist Quelle und Urzelle des Gemeinwohls 

Vom Gelingen der Beziehung zwischen Mann und Frau und der aus ihr hervorgehenden Familie in ihrer kulturell vielfältigen Ausprägung hängt Gedeihen und Glück ganzer Generationen ab. Beziehungsbrüche verlangen nach Substitution, nicht nach Infragestellung des Gefüges mit seinen Institutionen. Die Familie mit den in ihr vermittelten Werten und gelebten Solidarität bildet Quelle und Urzelle des Gemeinwohls und die Zukunft jeder Gesellschaft. Man kann also unschwer erkennen, dass der Mensch mit seiner Sexualität der Herausforderung eines objektiven Rahmens gegenübersteht, den er nicht selber macht, sondern den er empfängt und in den er eintritt. Dieser Rahmen bietet ihm eine lebenslange Quelle von Sinn und Glück.

Die Freiheit des Menschen ist kreatürlich gegeben und entfaltet sich in entwicklungspsychologisch vorgegebenen Schritten. Sie ist nicht absolut, sondern relativ und dient dem Menschen dazu, sich seine Natur in ihrer individuellen Ausprägung anzueignen. Auf diesem Weg der Freiheit kann die Schöpfung durch den Menschen zum Lobpreis Gottes geführt werden. Es handelt sich um einen Prozess, der nicht Relativismus, sondern liebevolle Begleitung, Vorbilder und Orientierung braucht.

Wächterfunktion für die eheliche Sexualität

Wie groß der Schmerz sein kann, das eigene Leben nicht in diesem Gefüge entfalten zu können, schildert Franz Kafka in seinen Tagebüchern: „Ohne Vorfahren, ohne Ehe, ohne Nachkommen, mit wilder Vorfahrens-, Ehe- und Nachkommenslust. Alle reichen mir die Hand: Vorfahren, Ehe und Nachkommen, aber zu fern für mich (…) Für alles gibt es künstlichen, jämmerlichen Ersatz: für Vorfahren, Ehe und Nachkommen. In Krämpfen schafft man ihn und geht, wenn man nicht schon an den Krämpfen zugrunde gegangen ist, an der Trostlosigkeit des Ersatzes zugrunde.“

Meist sind es die Bande innerhalb der Herkunftsfamilie, die letztendlich Alleinstehenden und sexuellen Minderheiten Geborgenheit, Schutz und Trost geben. In diesem Zusammenhang darf die Bedeutung der Integration der Sexualität in ein Leben der Enthaltsamkeit nicht vergessen werden. Der bewusst Enthaltsame legt Zeugnis ab für die Würde des Menschen und hat eine Wächterfunktion für die eheliche Sexualität.

Unfreiwilliger Zölibat und homosexuelle Netzwerke 

Wie man seriösen Studien entnehmen kann, bedeutet ein zölibatäres Leben keine erhöhte Gefahr für sexuellen Missbrauch. Sehr wohl aber besteht die Gefahr, bei der Hinführung zu solch einem Leben das Thema Sexualität zu tabuisieren und so tatsächlich sexuellem Missbrauch Vorschub zu leisten. So geht es beispielsweise nicht an, junge Männer mit homosexuellen Neigungen in einen Orden oder in ein Priesterseminar aufzunehmen und sie damit ständiger sexueller Erregung auszusetzen, wie dies von den Betroffenen selbst immer wieder berichtet wird. Die Entstehung homosexueller Netzwerke ist dabei geradezu vorprogrammiert.

Dies umso mehr, als unverbindliche sexuelle Begegnungen unter Homosexuellen weit häufiger vorkommen als unter Heterosexuellen (Xiridou M et al.2003). Ebenfalls ist die Rate an Pädophilie und Päderastie um ein Vielfaches höher, so dass sich die Gefahr von entsprechenden Handlungen im seelsorgerischen Kontext deutlich erhöht (Präventionsprojekt Dunkelfeld Charité 2010). Immerhin sind circa 80 Prozent des sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche weltweit homosexueller Natur (Leygraf N 2012, John Jay Report 2004 u. 2011).

Enthaltsamkeit will geübt sein

Generell gilt, dass sexuelle Enthaltsamkeit eingeübt werden muss und es daher nicht zu verantworten ist, Männer zu Priestern zu weihen, die nicht enthaltsam leben können. Dies widerspricht den eindeutigen Vorgaben des Apostels Paulus für ein zölibatäres Leben und erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit von sexuellem Missbrauch, auch im heterosexuellen Bereich. Es darf daher das Thema Sexualität nicht nur in der Seelsorge und im Umgang mit Jugendlichen, sondern auch bei der Ausbildung von Ordensleuten und Priestern nicht tabuisiert werden.

Das Synodalforum IV mit seinen Forderungen nach Änderung der katholischen Sexualmoral scheint sich auf der Flucht vor Gott zu befinden. Zum einen flieht man vor der schwer auszuhaltenden Erfahrung der Differenz zwischen der Heiligkeit Gottes und unserer Schwäche und Armseligkeit. Zum anderen befindet man sich auf der Flucht vor der Barmherzigkeit Gottes, der uns gerade in dieser Armseligkeit und Schwäche liebt und jederzeit bereit ist, uns zu verzeihen und mit seiner Gnade zu unterstützen.

Luziferischen Selbstüberhebung 

Anstatt bei Gott sucht man Zuflucht bei einer historisch gesehen singulär-bizarren Ideologie, die derzeit unter den Begriffen „Gender“ und „sexuelle Vielfalt“ die westliche Welt unterwandert. Eine Theorie, die in einer geradezu luziferischen Selbstüberhebung über die Conditio humana menschliche Sexualität als eine Art Versatzstück für beliebige Beziehungen und Weisen ihrer Befriedigung versteht beziehungsweise nicht versteht.

Sexuelle Betätigungen, sollen unter dem Deckmantel wohlklingender Schlagwörter wie „Gleichberechtigung“ und „Nichtdiskriminierung“ als gleich wertvoll und gleich förderungswürdig nebeneinanderstehen. In ihrer Verschränkung von technischem Blick auf den Menschen mit humanitaristischem Universalismus ist diese Ideologie ein typisches Kind unserer Zeit. Durch künstliche theologische Deduktionen versucht man diverse sexuelle Verhaltensweisen der Schöpfungsordnung zuzuordnen.

Flucht vor vorgegebenen Strukturen unserer Natur

Dabei sieht man von der Erbsünde als Grund für unsere gebrochene menschliche Natur ab. Das christliche Gottesbild soll im Sinne des Zeitgeistes domestiziert werden. Man stützt sich dabei unkritisch auf Schlagworte aus dem gesellschaftlichen Mainstream, ohne auf die ungeschminkte Realität sexueller Minderheiten zu schauen, wie sie sich auch in den empirischen Daten abbildet.

Ganz zu schweigen von der angesichts ihrer hohen Fluidität im Jugendalter realitätsfremden und pastoral gefährlichen Beschwörung fester sexueller Orientierungen und Identitäten. Dabei verschließt man sich dem unendlichen Reichtum und der tatsächlichen Vielfalt in den vorgegebenen Strukturen unserer Natur. Sich mit den reichen Erfahrungen jener christlichen Gruppierungen auseinanderzusetzen, die selber betroffen sind und sich um den unbequemen Weg der Nicht-Flucht vor Gott bemühen, scheint ein Tabu zu sein. Vor Gott zu fliehen, ist allerdings kein sehr aussichtsreiches Unterfangen.

Lesen Sie weitere Hintergrundberichte und Reportagen vom Katholikentag in Stuttgart in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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Christian Spaemann Franz Kafka Gottesbild John Jay Katholische Kirche Sexualethik Würde Zölibat

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