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Energiepartnerschaft mit Katar: Terrorismusfinanzierung durch die Steckdose?

Um von russischen Gasimporten unabhängig zu werden, hat Deutschland unter anderem eine Energiepartnerschaft mit Katar abgeschlossen. Doch Vorsicht: Das Emirat ist ein zentraler Finanzier von Islamismus.
Robert Habeck begrüßt den Energieminister des Emirats, Saad Scharida al-Kaabi
Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa) | Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßt bei seinem Besuch in Katar im März den Energieminister des Emirats, Saad Scharida al-Kaabi (2.v.r.).

Deutschland zittert trotz sommerlicher Temperaturen. Denn nach wie vor ist unklar, ob die Gasspeicherstände bis zum Winter ausreichend gefüllt sein werden. Im aktuellen Lagebericht der Bundesnetzagentur heißt es: „Die Gasflüsse aus der Nord Stream 1 liegen derzeit bei etwa 20 Prozent der Maximalleistung. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liegt bei 73,18 Prozent.“ Dass der angestrebte Speicherstand von 95 Prozent bis 1. November erreicht werden kann, wird von vielen bezweifelt.

Regierung sucht nach Gas-Alternativen

Um von russischem Gas unabhängig zu werden, schaut sich die Bundesregierung jetzt nach Alternativen um. Dafür setzt sie nun vermehrt auf grünen Wasserstoff und Flüssiggas (LNG). Die Bauarbeiten für das erste Terminal in Wilhelmshaven sind bereits angelaufen. Wenn alles nach Plan geht, kalkuliert Niedersachsen mit einem Betriebsstart ab Ende Dezember. Als mögliche LNG-Lieferanten wurden bereits Partner ins Auge gefasst: Die USA, Norwegen und Katar.

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Mit dem Emirat sind jedoch zumindest mit den Unternehmen, mit denen Bundeswirtschaftsminister Habeck Katar besuchte, zunächst wohl keine Verträge zustande gekommen: „Die Kataris haben sich entschieden, kein gutes Angebot zu machen, und die Unternehmen, mit denen ich damals da war, haben sich im Moment woanders Gas besorgt“, räumte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne), gegenüber der „Bild am Sonntag“ ein.

Zusammenarbeit beim grünen Wasserstoff

Die großen deutschen Energieunternehmen EnBW, RWE, Vattenfall, E.ON und Lex Uniper haben laut Focus online bisher keine Verträge mit Katar geschlossen. Der Energiekonzern EnBW setzt stattdessen künftig stärker auf die USA, wie das Unternehmen  auf Anfrage dieser Zeitung mitteilte. Ob Verhandlungen mit Katar noch laufen, wollte der Energiekonzern jedoch nicht preisgeben. Doch auch wenn vorerst wohl kein Flüssiggas aus Katar nach Deutschland verschifft werden wird, besteht die im Frühjahr zwischen Deutschland und dem Emirat geschlossene Energiepartnerschaft weiterhin.

Denn diese sollte nicht nur den Import von Flüssiggas regeln, sondern insbesondere die Zusammenarbeit im Bereich des grünen Wasserstoffs. Die Energiepartnerschaft „intensiviert die Beziehungen der beiden Länder in den relevanten Energiefragen, im Ausbau von Kapazitäten im Bereich erneuerbare Energien, vor allem hier auch im Bereich Wasserstoff, sowie in damit zusammenhängenden Themen wie Infrastruktur und Strommärkte“, so die Pressesprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, Susanne Ungrad, gegenüber der „Tagespost“.

Unterstützung für „Al-Quaida“

Doch dass das reiche Emirat ein besserre Energiepartner als Russland ist, lässt sich bezweifeln. Denn das Land stellt sich zwar gern als Vermittler zwischen dem Westen und verschiedenen islamistischen Gruppierungen dar. So wurde das Abkommen zwischen den USA und den Taliban, das den Abzug der amerikanischen Truppen und seiner Verbündeten aus Afghanistan regelte, in Doha, der Hauptstadt Katars geschlossen. Doch Katar unterstützt nach verschiedenen Erkenntnissen selbst islamistische Gruppierungen.

So ergibt eine investigative Recherche des US-Think-Tanks „Middle East Forum“, dass Katar „der Sponsor von internationalem Terror schlechthin“ sei. Laut internen Dokumenten der katarischen Wohltätigkeitsorganisation „Eid Charity“, die dem Think-Tank vorliegen, überwies die Organisation verschiedensten islamistischen Gruppierungen Millionensummen. Demnach erhielten die dem Terrornetzwerk „Al-Qaida“ nahestehenden Organisationen „Al Ihsan Charitable Society“, „Rahma Charity“ und „Al Hikma Yemeni Charitable Society“ rund 20 Millionen US-Dollar. Der ehemalige Geschäftsführer von „Al Ihsan“, Abdullah Mohammed al-Yazidi, sei selbst Mitglied im Haushaltsrat von Al-Qaida gewesen.

Katar und das islamische Kalifats 

Die türkische Auslandshilfsorganisation „IHH“, die in mehreren Ländern als „terroristische Organisation“ eingestuft wird, soll über 23 Millionen US-Dollar erhalten haben. Die direkt in Verbindung mit der radikal-islamischen Palästinenserorganisation „Hamas“ stehende Organisation „Islamic Charitable Society of Hebron“ soll „Eid Charity“ fünf Millionen US-Dollar gespendet haben.

Den syrischen „Al-Qaida“-Ableger, ehemals bekannt unter „Al-Nusra-Front“, der sich inzwischen „Hayat Tahrir al-Sham“ nennt und sich die Errichtung eines islamischen Kalifats in Syrien auf die Fahnen geschrieben hat, hat Katar nachweislich unterstützt. So gab der marokkanische Führer der „Al-Nusra-Front“, Issam Al-Hana, nach seiner Festnahme vor dem obersten irakischen Justizrat seine Kontakte nach Katar preis. Der bekannteste: Scheich Khaled Suleiman, der die radikale Gruppierung mit mehr als einer Million Dollar pro Monat unterstützt haben soll. Das Emirat Katar stellte Al-Hana als den „Hauptsponsor der Al-Nusra-Front“ heraus.

Ziel: islamistische Staats- und Gesellschaftsordnung mit der Scharia 

Ein weiteres Gerichtsverfahren belastet das größte Hilfswerk Katars, „Qatar charity“, und seine größte Bank „Qatar National Bank“. In der Klage der Familie des amerikanischen Journalisten Steven Sotloff heißt es, die Bank und die Organisation hätten 800 000 US-Dollar an den IS-Richter Fadel al Salim überwiesen, der die Enthauptung von Sotloff und einem anderen amerikanischen Journalisten, James Foley, angeordnet hat. Der „Islamische Staat“ enthauptete die beiden Männer und stellte ein Video davon ins Internet.

Doch nicht nur auf der arabischen Halbinsel soll das Land, in dem der Islam Staatsreligion ist, extremistische Gruppen finanzieren. Eine Arte-Dokumentation gibt Einblick in zahlreiche Überweisungen der „Qatar Charity“, die dem Kultursender von einem Whistleblower zugespielt worden sind. So stellte die Organisation 140 Projekten in Europa, die der Muslimbruderschaft nahestehen, insgesamt 120 000 000 Euro zur Verfügung. Das erklärte Ziel der Muslimbruderschaft ist, eine islamistische Staats- und Gesellschaftsordnung auf Grundlage der Scharia zu errichten; die Organisation wurde in ihrem Ursprungsland Ägypten 2013 verboten.

Pakt mit Muslimbruderschaft

Unter den Spendern von „Qatar Charity“ befinden sich neben zahlreichen anonymen auch etliche Mitglieder aus der Herrscherfamilie Al Thani, so zum Beispiel der Bruder des Emirs, Mohammed bin Hamad bin Khalifa Al Thani. Auch der Chef von „Qatar Charity“ ist mit dem Emir verwandt: Hamad bin Nasser Al Thani.

Doch nicht nur finanziell unterstützt der kleine Golfstaat die Muslimbruderschaft, sondern er bietet auch ihrem bekanntesten Prediger Unterschlupf: Youssef Al Qaradawi. Ihm wurde im katarischen Fernsehsender „Al Jazeera“ für seine Predigten eigens eine Sendung zur Verfügung gestellt, die Herrscherfamilie zeigt sich mit ihm auch in der Öffentlichkeit. Seine Nähe zur Muslimbruderschaft trägt das Emirat Katar damit offen zur Schau.

Islamisten feiern die wachsende Bedeutung

Der Nahostexperte der „Gesellschaft für bedrohte Völker“, Kamal Sido, sieht die Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und dem Golfemirat daher kritisch: „Von Anfang an hielt ich nicht viel von dieser Partnerschaft.“ Ein Staat müsse zwar außenpolitische Beziehungen führen und auch Geschäfte machen. „Das muss aber nicht bedeuten, dass man eigene Werte aufgibt und zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen schweigt, sondern klare Kante zeigt, wenn Menschen- und Minderheitenrechte verletzt oder Angriffskriege geführt werden.“

Dass Katar islamistische Gruppen mitfinanziere, sei ein offenes Geheimnis, an dem sich das wohlhabende Land nicht störe. „Daher werden deutsche Energieimporte aus Katar den Islamismus stärken. Islamisten weltweit feiern gerade die wachsende Rolle Erdogans und Katars auf der internationalen Bühne“, beobachtet Sido. Deutschland dürfe keine gemeinsame Sache mit Katar machen, indem es durch seine Energiekäufe Islamisten finanziere, mahnt der Nahost-Experte.

Dass Deutschland unabhängig von russischem Gas werden möchte, wird immer wieder auch damit begründet, dass es durch seine Energieimporte den Krieg in der Ukraine mitfinanziere. Doch wie steht nun mit der Energiepartnerschaft, die Deutschland mit Katar geschlossen hat? Wird so die Ausbreitung des Islamismus – sowohl im arabischen Raum als auch in Europa – durch die Bundesrepublik unterstützt?  Eines steht jedenfalls fest: An der Energie aus dem Emirat klebt genauso genauso Blut wie an der russischen.

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