Für Schlagzeilen sind sie immer noch gut. Sowohl Angela Merkel als auch Gerhard Schröder schafften es in den vergangenen Tagen in die Medien. In der Krise zeige sich der Charakter, hat Helmut Schmidt einmal gesagt. Man kann den Gedanken aber auch weiterspinnen: In der Krise braucht man einen Charakter.
Schmidt selbst hat es in seiner Nach-Kanzlerschaft in diesem Rollenfach zur Meisterschaft gebracht. Der Hamburger hatte das Glück des langen Nachlebens. Irgendwann erinnerte sich kaum jemand mehr daran, dass seine tatsächliche Amtszeit wenig Glanz ausstrahlte, ja durch das Misstrauensvotum und die Querelen in der SPD um den NATO-Doppelbeschluss ziemlich ruhmlos zu Ende ging.
Angela Merkel: Nicht auf dem Weg in den Polit-Olymp
Aber Schmidt hatte nicht nur den Willen zum Elder Statesman, er sah auch so aus. Scharfer Scheitel, gleichzeitig aber auch hanseatische Lässigkeit mit Zigarette und Schnupftabak, Weltläufigkeit und Mut zur pointierten These. Schmidt war auf die Rolle des Staatsschauspielers Nummer eins abonniert. Er hatte aber auch keine Konkurrenz: Helmut Kohl war einfach gesundheitlich zu stark eingeschränkt.

Seit Schmidts Tod klafft nun eine Lücke auf der Besetzungsliste. Eigentlich wäre Gerhard Schröder für diese Aufgabe prädestiniert gewesen. Ähnlich mit Charisma gesegnet wie der andere Sozi, hätte Schröder die besten Voraussetzungen gehabt, um bella figura in den Talkshows zu machen. Aber dann ist da eben auch die Sache mit Putin. Obwohl der Niedersachse noch zu seinem 80. Geburtstag nicht den Eindruck machte, dass er besonders darunter zu leiden hätte, wegen seiner guten Kontakte zum Kreml-Chef zum Paria des politischen Establishments geworden zu sein, gilt hier wohl doch: harte Schale, weicher Kern. Der Alt-Kanzler habe sie wegen eines Burn-Outs in medizinische Behandlung begeben, wurde diese Woche gemeldet.
Bleibt also Angela Merkel. Aber auch diese Alt-Kanzlerin scheint nicht den klassischen Weg in den Polit-Olymp gehen zu wollen. Wäre sie am Montag, was nicht zu erwarten war, beim CDU-Parteitag spontan aufgetaucht, die Delegierten hätten ihr kaum applaudiert. Als zu unsolidarisch wurde ihre Kritik an Friedrich Merz empfunden. Am Mittwoch legte sie noch bei einem Interview mit der Zeit nach. Für sie gilt in gewisser Weise die umgekehrte Schmidt-Variante: Sagte bei ihm doch mancher Unionsanhänger: „Der ist in der falschen Partei.“
Sie bewahrt sich etwas Exotisches
Heute kann man so was von Grünen und Sozialdemokraten zu Merkel hören. Wenn sie denn den Elter-Statesman-Status erreichen kann, dann nur als politische Ikone für dieses links-liberale Lager. Vielleicht ist das auch der einzige Grund, warum Merkel noch in der CDU ausharrt. So bewahrt sie sich etwas Exotisches, das ist in diesen Kreisen immer wohl gelitten.
Einen Elder Statesman, dem aber die ganze Nation zuhört, den gibt es nicht. Es spricht viel dafür, dass auch Olaf Scholz diese Funktion nicht übernehmen kann, wenn er dann nach dem 23. Februar sehr wahrscheinlich in den Ruhestand treten wird.
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