Nach dem Eklat um die unabgesprochene kirchliche Stellungnahme zur Unions-Asylpolitik bricht ein weiterer Bischof sein Schweigen: „Die Verlautbarung hat mich verwundert und sehr irritiert, da sie nicht von der Bischofskonferenz ausging, aber diesen Eindruck erweckt“, schreibt der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke dieser Zeitung. Erst aus den Medien habe er von dem Schreiben des Katholischen Büros aus Berlin erfahren. Weiter heißt es in der Hankes Stellungnahme: „Nach meinem Dafürhalten hat die Kirche für die ethisch tragenden Prinzipien des gesellschaftlichen Miteinanders einzustehen. Wir sollten jedoch sehr zurückhaltend sein, im politischen Wahlkampf Zensuren zu verteilen.“ Hierin könne er „keinen Beitrag zur Versachlichung der politischen Diskussion angesichts der zu lösenden Probleme“ erkennen.
Am gestrigen Mittwoch hatte zunächst ein Schreiben, welches das Katholische Büro zusammen mit der Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche am Dienstag an Parlamentarier verschickt hatte, für Aufregung gesorgt. Darin heißt es unter anderem, die Kirchen seien „sehr befremdet“ von Zeitpunkt und Tonlage der aktuellen CDU-Vorstöße zur Begrenzung der Migration. Von der Zustimmung der AfD zu den CDU-Anträgen erwarte man sich „massiven Schaden“ für die Demokratie; die Debatte sei geeignet, „alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren und trägt unserer Meinung nach nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei“. Wenig später war dann durchgedrungen, dass das Schreiben nicht nur nicht von der Bischofskonferenz autorisiert, sondern sogar gegen den mehrheitlichen Konsens des kurz zuvor tagenden Ständigen Rates versandt worden war. In einer ersten bischöflichen Stellungnahme hatte sich bereits der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer von der Aktion distanziert. Die Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, hatte die Bischöfe noch am gestrigen Mittwoch schriftlich gebeten, von weiteren Stellungnahmen abzusehen.
Stetter-Karp sieht Menschenwürde verletzt, Nass lobt Merz' Realismus
Abseits bischöflicher Einlassungen zur neu aufgeflammten Asyldebatte hat sich auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, zu den Anträgen der Unionsfraktion geäußert. Deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz verlasse „wissentlich in der Frage des Asylrechts den Boden des Grundgesetzes“ und verletze „aus offenbar wahlkämpferischen Motivationen den Grundsatz der Menschenwürde, die für alle gilt“, befand Stetter-Karp gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. Alle Migrantinnen und Migranten würden „zu einer per se kritischen Gruppe erklärt, der mit Misstrauen begegnet wird“. Sowohl die gestern abgestimmten Entschließungsanträge, von denen einer mit AfD-Stimmen im Bundestag bestätigt wurde, als auch der Gesetzentwurf, der am Freitag zur Abstimmung kommen soll, überschritten „Grenzen der politischen Kultur“, lösten Probleme nicht, bedienten AfD-Stereotype und verletzten Europarecht, was sich Deutschland „in der aktuellen weltpolitischen Lage schlicht nicht leisten“ könne.
Anders äußerte sich der Sozialethiker Elmar Nass gegenüber dem „Domradio“. Diskussionen über das Thema Migration und solche „auch kontroversen Vorschläge“ gehörten zu einer Demokratie, wer dies unterbinden wolle, schade ihr. Eine „pauschale Diskriminierung“ könne er in Merzens Vorschlägen nicht erkennen, auch wenn man vor dieser auf der Hut sein müsse. Man müsse sich aber eingestehen: „Wir schaffen das nicht“, so Nass in Bezug auf das Gelingen der Integration so vieler Menschen. Die geäußerten Kritiken am Unions-Vorstoß leisteten zur Lösung dieses Problems keine Antworten. Da seien die Merz-Punkte „immerhin ein Vorschlag, der sich dieser Realität stellt“.
Kirchenvertreter sollten sich, so Nass weiter, „mit Wahlempfehlungen zurückhalten“ – was man den Bischöfen in den 70er und 80er Jahren vorgeworfen habe, gelte auch heute. Zum Vorwurf, dass die CDU ihren christlichen Kern verrate, sagte Nass, einen solchen Verrat sehe wohl „derjenige, der das Christliche in einer utopischen Urgesellschaft ausmacht, in der alle Menschen ohne Egoismus alles selbstlos miteinander teilen“. Thomas von Aquin aber habe das anders gesehen: die Menschen seien nicht so, weshalb man Regeln brauche, die auch den Eigennutz einbezögen und menschliche Schwächen zügelten – „gerade zum Schutz der Schwachen“. Wer das Christliche in diesem Sinne verstehe, werde in den Merz-Punkten folglich nicht Verrat erkennen, „sondern eher eine realistisch gebotene Verantwortung.“ (DT/jra)
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