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Transhumanismus ist eine Wissenschaftsreligion

Es gibt „gute und schlechte“ Menschen. Aus der Eugenik wächst der Transhumanismus. Brave New World kann auch als Anleitung gelesen werden.
Paul Cullen in seinem Vortrag über den Transhumanismus
Foto: Peter Winnemöller | Paul Cullen, hier im Bild mit Mechthild Löhr, sprach in seinem Vortrag über den Transhumanismus als eine Wissenschaftsreligion.

Den Auftakt am dritten und letzten Tag des Sommerkurses machte Paul Cullen mit einem Vortrag zum Thema „Die Verwandlung und Optimierung des Menschen: das transhumane Projekt aus medizinischer Perspektive“. Transhumanismus sei, wie Gender vor rund fünf Jahren, derzeit kaum bekannt. Viele würde es als Randphänomen ansehen. Es gehe darum einen neuen Menschen schaffen. Zwei Richtungen stellte Cullen vor. Zum einen eine biologische Art zum anderen auf eine technische Art. Biologisch gehe es um die Überwindung der Speziesgrenzen, die Herstellung sogenannter Chimären – Embryonen. Cullen zeigte die Dokumentation der Herstellung einer Chimäre aus Maus und Ratte. Die Idee sei, auch beim Menschen solche Versuche zu machen. Ziel sei das Züchten von Organen z.B. eine menschliche Leber in einer Chimäre aus Mensch und Schwein wachsen zu lassen. Das stelle den Menschen grundsätzlich in Frage.

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Die Wurzel des Transhumanismus

Transhumanismus ist eine Wissenschaftsreligion“, sagte Cullen. Paul Cullen definierte dies: „Wissenschaftliche Begriffe werden benutzt, um nichtwissenschaftliche Inhalte zu transportieren.“ Julian Huxley prägte den Begriff Transhumanismus in seinem 1957 geschriebenen Buch „New Bottles for new Wine“. Paul Cullen legte die geistesgeschichtlichen Wurzeln dieser Ideenwelt offen. Recht unbekannt ist die Verwandtschaft von Charles Darwin und den Brüdern Aldous und Julian Huxley. In dieser Linie verortete Cullen die Entstehung der Eugenik, einer Lehre von der Verbesserung des Menschen. 

Es werde aufgeteilt zwischen wertvollen und nicht wertvollen Menschen und einer Gruppe, die wisse, wer gut und wer schlecht sei. Besonders in der amerikanischen Oberschicht existiere ein großer Konsens über die Eugenik. Die Frage, ob "Brave New World" von Aldous Huxley vielleicht doch eher eine Blaupause statt einer Warnung sei, stelle sich Cullen zu Folge angesichts der jüngsten Entwicklungen. Als einen Aspekt des Transhumanismus stellte Paul Cullen Gesundheit als Religion vor, dessen Ziel die Unsterblichkeit sei. Ein Beispiel dafür stellte der Mediziner mit einem von Jeff Bezos und Yuri Milner gegründeten Start-up zur biologischen Verbesserung vor. Mit dem Transhumanismus greife der Mensch nach göttlichen Fähigkeiten. 

Der minderwertige Mensch 

Es folgte eine sozialwissenschaftliche Analyse von Susanne Hartfiel unter dem Titel "Die Neuerfindung des Menschen" Die Sozialwissenschaftlerin eröffnete ihren Vortrag mit dem Zitat von Papst Benedikt zur Ökologie des Menschen aus er Rede des Heiligen Vaters im Deutschen Bundestag. Der Transhumanismus, so Hartfiel, sei eine Ideologie, die Respektlosigkeit gegenüber der menschlichen Natur in Extremform praktiziere und damit der genaue Gegensatz zu einer Ökologie des Menschen. Für Transhumanisten existierten keinerlei Grenzen im Hinblick auf die Manipulation des Menschen und des menschlichen Körpers, erklärte die Sozialwissenschaftlerin. Transhumanistische Ziele, bestätigte sie einen Konsens unter den Referenten, sei die Selbst-Perfektionierung des Menschen, die Überwindung des Menschseins, das Erreichen einer höheren evolutionären Stufe oder sogar der Unsterblichkeit.

Kritisch erwähnte Hartfiel die Tatsache, dass viele Transhumanisten mit sehr viel Geld ihre Projekte unkontrolliert beauftragen und umsetzten könnten. Transhumanisten bescheinigte Hartfiel ein sehr materialistisches Bild, das den Menschen nur auf eine Art Tier oder eine Mischung von Tier mit einer Art Computer sehe. Zudem wird der Mensch als defizitär angesehen, mithin stehe der Fokus auf der Verbesserung des Menschen. Defekte Menschen würden zuerst sprachlich und dann sehr praktisch durch Tötung, Abtreibung oder als Ersatzeillager entmenschlicht und zum Objekt degradiert werden. Den Transhumanismus sieht auch Hartfiel in der Tradition der Eugenik. Neue Techniken machen allerdings noch ganz andere Verfahren möglich. Die Referentin verwies zum Beispiel auf Methoden, Gene zu manipulieren (CRISPR/Cas9). Zum Abschluss ihres Vortrags stellte Susanne Hartfiel den inneren Zusammenhang zwischen Postgenderismus und Transhumanismus vor.

Der Mindupload

Den Abschluss der Tagung bildete ein Beitrag des Philosophen Marcus Knaup unter dem Titel „Erinnerung an den Menschen diesseits der Utopie einer technischen 'Selbstüberwindung'“ Knaup entwickelte darin ein Szenario eines Mind- Upload, damit gemeint ist ein Hochladen des Menschen in eine Maschine, die dann dem Individuum ein dauerhaftes Fortleben gewährten. Gingen früheste Gedanken, wie Knaup ausführte, noch von lange am Leben erhaltenen biologischen Systemen aus, zielen moderne Ideen eher auf immer leistungsfähigere Computer. 

Kritisch befasste sich Marcus Knaup mit den zu Grunde gelegten Überzeugungen der Protagonisten eines Minduploadings. Da sei zunächst einmal der Körper. Beispielsweise sei für Lebewesen der Stoffwechsel relevant. Ein Körper steht im Gegensatz zu einer Maschine in einem lebendigen Austausch zu seiner Umwelt. Raum eröffne sich nur einem Wesen, das über sich hinausgreife. Mit dem Leib, so Knaup, partizipieren wir mit der Natur. Das könne ein Hirn allein nicht. Der Körper verarbeite nicht nur Daten, er konstituiere sie selbst. Ein Scan einer Person sei eben nicht mit der Person gleichzusetzen.

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Mit Blick auf unbewusste Vorgänge,  wies der Philosoph darauf hin, auch diese gehörten zu uns. Es müssten in einer Computersimulation von Vorgängen im Gehirn hunderte von Milliarden Neuronen simuliert werden, weil eben auch das Unbewusste dazu gehöre. Könnten wir jede Zelle in Gehirn durch einen Chip austauschen, so wäre immer noch das Gehirn strukturell von einem Aufbaus aus Siliziumchips verschieden. Bewusstsein könne kaum technisch nachgebildet werden. Besonders wegen der recht kurzen Lebensdauer von Speichermedien sei hier eine lange Lebensdauer trotz eines Minduploadings nicht zu erreichen.

Alles recht defizitär 

Gewisse Parallelen zu antiken gnostischen Vorstellungen seien, so führte der Philosoph aus, ebenfalls festzustellen. Letztendlich gehöre auch der unvermeidbare Tod zum Leben des Menschen.  Gegen die Angst vor dem Sterben sei erneut eine Ars moriendi zu setzen. Als Zeugen dafür nannte Knaup Marc Aurel, Thomas Mann und Karl Jaspers.

Viele Dinge, so Marcus Knaup, die bei der Theorie des Minduploadings vorausgesetzt werden, seien falsch. Mechthild Löhr, die die Tagung moderiert hat, stellte zum Abschluss fest, dass die Tagung doch recht desillusionierend gewesen sei, wie defizitär diese ganzen Überlegungen zum Transhumanismus unterm Strich seien. Der Rektor der Gustav- Siewerth- Akademie, Albrecht Graf von Brandenstein- Zeppelin, bedankte sich zum Schluss bei Mechthild Löhr für Organisation und Moderation, allen Referenten, den vielen Helfern und den Teilnehmern. Der Sommerkurs im kommenden Jahr wird in der zweite Augustwoche wird unter dem Thema „Utopie – Ideologie – Eschatologie“ stattfinden. DT/pwi

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost einen umfassenden Bericht über den diesjähren Sommerkurs der Gustav-Siewerth- Akademie.

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