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Papst Pius IX. und die Nordpolmission: Arktische Präfektur

Selbst am Nordpol unter dem Schutz und Schirm Mariens: Papst Pius IX. vertraute die Nordpolmission dem Schutz der Muttergottes an.
Eisschollen in der Artkis
Foto: dpa | Nicht gerade ein „Hotspot“ der Evangelisation: Am Arktischen Ozean am Nordpol schwimmen Eisplatten.

Als Papst Pius IX. (1792-1878) das Dogma der unbefleckten Empfängnis verkündete, konnte niemand ahnen, dass vier Jahre später die Muttergottes einem armen Mädchen in Lourdes erscheinen würde. Ein Wunder der Himmelskönigin erwartete Rom schon: Jene nördlichen Regionen jenseits des Polarkreises, die noch nie ein Priester betreten hatte, sollten den Lobpreis Mariens anstimmen.

„die Anwesenheit der katholischen Kirche hat zum Abbau religiöser Vorurteile geführt
und das heutige gute ökumenische Klima zwischen den Kirchen in diesen Ländern vorbereitet.“

Am 8. Dezember 1854 fasste Pius IX. daher den Entschluss der Gründung einer arktischen Präfektur („Praefectura Poli Arctici“). Sie umfasste den ungeheuer weiten Raum zwischen Nordkanada, Island, den Färöer und dem Land der Samen im Norden Europas. Als geeigneter Stützpunkt der Mission erschien Alta in der Nähe des Nordkaps. Hier oben am Eismeer, wo heute rastlose Ruheständler in roten Daunenjacken auf den Schiffen der Hurtigrouten die Schönheiten der norwegischen Küste bewundern, kreuzten damals russische Fischer durch das Meer. Auch sie gehörten zur Zielgruppe der Nordpolmission, die Pius IX. unter den Schutz der Muttergottes stellte.

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Die Leitung der Mission wurde Paul Marie Etienne de Djunkovsky (1821-1870) anvertraut. Djunkovsky hatte in Russland alle Ämter und Ehren verloren, als er zum Katholizismus konvertierte und Priester wurde. Von religiöser Toleranz konnte auch im lutherischen Skandinavien keine Rede sein. Luthertum war Staatsreligion. Der Paragraph 2 des norwegischen Grundgesetzes bestimmte: „Die evangelisch-lutherische Religion bleibt die öffentliche Religion des Staates. Die Einwohner, die sich dazu bekennen, sind verpflichtet, ihre Kinder in ihr zu erziehen. Jesuiten und Mönchsorden werden nicht geduldet. Juden sind von der Einreise ins Reich vollständig ausgeschlossen.“

Ein begeisterter Aufbruch

Die Konversion hätte in Skandinavien unmittelbar zu einer Landesverweisung geführt. Zwar war der schwedische Thronfolger mit einer bekennenden Katholikin verheiratet, doch wurde die Ehe 1823 von einem Priester in München in Abwesenheit des Prinzen geschlossen. In Stockholm besuchte Djunkovsky zuerst Prinzessin Joséphine von Leuchtenberg (1807-1876) und ihre Mutter, die Köngin von Schweden und Norwegen, und hielt ihnen Exerzitien. Dann fuhr er über das norwegische Tromsø in den hohen Norden. Die Zeit der Gnade sei gekommen, schreibt er in einem Bericht, „für diese armen, vergessenen Völker der Eisregionen, deren Bekehrung am selben Tag beschlossen wurde, als das Dogma der unbefleckten Empfängnis der seligen Jungfrau Maria verkündet wurde.“

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Alta war als Stützpunkt der Mission gewählt worden, weil hier eine kleinstädtische Infrastruktur bestand. Djunkovsky und seine Mitarbeiter gründeten ein Internat und eine Druckerei für katholisches Schrifttum. Der Missionsstation „Hafen des Heiligen Olaf“ (St. Olavs Havn) gab er bewusst den Namen des großen norwegischen Nationalheiligen. Olav II. Haraldson (995-1030) hatte die widerstreitenden Stammesfürsten unter dem Kreuz vereint. Norwegen bekehrte sich damals wie auch Dänemark und Schweden. Noch heute bezeugen mittelalterliche Kirchen in Skandinavien die katholische Vergangenheit.

Wer katholisch wurde, nahm schwere soziale Nachteile in Kauf

Diese Latenz des Katholischen wusste Djunkovsky in seinen Vorträgen fruchtbar zu machen: Norwegen sei schon immer katholisch gewesen. Das Bildungsbürgertum der nordischen Räume war auf diese Sicht einer glorreichen Vergangenheit ansprechbar, doch hätte eine Konversion zum sofortigen Verlust aller Ämter als Lehrer, Beamter, Jurist oder Arzt geführt. Geringe Erfolge hatte die Mission nur unter den Besitzlosen. Bei den Samen als Ureinwohnern des Landes stieß die Nordpolmission auf erhebliche Konkurrenz durch eine Erweckungsbewegung, die der lutherische Pastor und Botaniker Lars Levi Laestadius (1800-1861) ins Leben gerufen hatte.

Als Sohn eines Schweden und einer Samin beherrschte er jene Sprachen des Nordens, die sich die Missionare aus Rom nur unter großen Mühen aneignen konnten. Das Norwegische und Schwedische erlernt sich mit Fleiß und Ausdauer, aber Finnisch und die Sprache der Nomaden der Finnmark waren eine unüberwindliche Hürde. Laestadius gilt heute als größter Kenner der arktischen Flora seiner Zeit. Der lutherische Pfarrer wirkte in Karesuando an der finnisch-schwedischen Grenze. Durch die Begegnung mit der Samin Milla Clementsdottir hatte er ein Erweckungserlebnis. Er verschmolz Luthertum mit lokalen Traditionen. Noch heute bezeichnen sich etwa 150 finnische Pastoren als Laestadianer. Doch war es nicht nur die Konkurrenz der Anhänger des pflanzenkundigen Pastors, die 1869 zum Scheitern der Mission führte.

So wie das Eis brach auch der Zölibat

Die arktischen Räume waren einfach zu weit gesteckt gewesen. Trotz der Absicherung der Nordpolmission durch die Spende von 100 000 Gulden einer römischen Gräfin reichten die Mittel nicht. Schwer zu ertragen war auch die Einsamkeit im Nirgendwo der kleinen Siedlungen von Island und den Färöer-Inseln, wo Djunkovskys Mitarbeiter ihre Arbeit aufnahmen. Der Zölibat war schnell gebrochen.

Auf einem Erholungsurlaub in Deutschland begegnete Djunkovsky einer Engländerin und schloss mit ihr den Bund der Ehe. Die Exkommunikation war die Folge. Der Arktismissionar wollte nun in den Laienstand versetzt und wieder in die Kirche aufgenommen werden. Als er mit seinem Begehren scheiterte, wandte er sich seiner russischen Heimat zu, rekonvertierte und wurde in sämtliche Ämter wieder eingesetzt.

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Zumindest konnte die Kirche wiederhergestellt werden

Der Konvertit und norwegische Priester Alois Arnstein Brodersen (*1955) sieht in der Nordpolmission dennoch einen Erfolg: „Es ist der katholischen Kirche nirgends gelungen, die Kirchenspaltung nach der Reformation durch Mission oder Gegenreformation zu beheben. Die Missionsversuche, die im vorigen Jahrhundert begonnen wurden, haben jedoch zu einer Wiederherstellung der katholischen Kirche in den nordischen Ländern geführt, und die Anwesenheit der katholischen Kirche hat zum Abbau religiöser Vorurteile geführt und das heutige gute ökumenische Klima zwischen den Kirchen in diesen Ländern vorbereitet.“ Dieses fand auch Ausdruck in der Bischofsweihe von Erik Varden (*1974)im Nationalheiligtum des Nidarosdoms von Trondheim. 2019 ernannte Papst Franziskus den norwegischen Konvertiten und Mönch zum Prälaten von Trondheim.

In der nordnorwegischen Stadt Tromsø, von der aus die Mission startete, befindet sich heute der nördlichste Karmel der Welt. Die Schwestern der allerseligsten Jungfrau vom Karmel, dreizehn Polinnen und eine Norwegerin, haben ihrem Kloster den Namen „Totus Tuus“ gegeben. Damit stellen sie sich in die Tradition des Heiligen Papstes aus Polen, der „Ganz dein (Maria)“ zum Motto seines Pontifikates machte. Überall in Skandinavien ist die Mehrzahl der Katholiken – wie der Kopenhagener Bischof Czeslaw Kozon – polnischer Abstammung. Umso größer ist der Zusammenhalt dieser Gemeinden und der geschärfte Blick für das Alleinstellungsmerkmal des Katholischen.

Die Geschichte muss noch aufgearbeitet werden

Mit raschem Schritt vollzieht sich in Deutschland eine Protestantisierung der Kirche. Statt Liturgie und Eucharistie gibt es dann Sylter Verhältnisse. Kirche bekommt Event-Charakter und wird zur Dekoration für pseudoreligiöse Feiern von Menschen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben. Die katholische Diaspora des Nordens zeigt, dass sich die Kirche in Deutschland keine Sorge um die Zukunft machen muss. Die kleiner werdende Schar lebt im Wesentlichen.

Es war also nicht umsonst, dass Papst Pius IX. die Nordpolmission dem Schutz der Muttergottes anvertraute. Dass sie in der kargen Tundralandschaft der hohen Breitengrade nicht so spektakulär in Erscheinung trat wie vor Bernadette Soubirous, zeugt von einem Respekt vor den Menschen in dieser erhabenen Landschaft. Hier wachsen keine Bäume. Die Blumen und Gräser sind winzig. Flechten und Moose leben in Einklang mit dem Anorganischen. Maria der Arktis wirkt still, aber sehr nachhaltig. Darauf kommt es gerade heute an. Nach der Auflösung der Missionsstation von Alta wurde der Altar in den Nidarosdom überführt. Seit einer Renovierung in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gilt er als verschollen. Im Zweiten Weltkrieg errichteten deutsche Soldaten eine Festung in Alta. Beim Rückzug vor den angreifenden Truppen der Roten Armee zerstörten sie die Stadt. Dokumente der Nordpolmission befinden sich im Archiv der Propaganda Fide in Rom. Sie sind bisher nicht aufgearbeitet worden.

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