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Taufstelle Jesu: Wallfahrt nach 54 Jahren wieder aufgenommen

Nach 54 Jahren wurde die franziskanische Wallfahrt zur Taufstelle Jesu wieder aufgenommen. Die Tradition ist uralt. Für den Friedensprozess im Nahen Osten könnte eine Friedenszone entlang der Jordangrenze Vorbildcharakter haben.
Qasr al Yahud Taufstelle Jesu
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Qasr al Yahud, Taufstelle Jesu beim Jordan in Israel. Nach 54 Jahren haben die Franziskaner ihr Kloster an der Taufstelle Jesu zurück erhalten.

Nach 54 Jahren haben die Franziskaner ihr Kloster an der Taufstelle Jesu im israelisch besetzten Westjordanland zurückerhalten. So lange war das Kloster im Frontgebiet zwischen Israelis und Jordaniern gesperrt, auch wenn beide Länder bereits 1994 einen Friedensvertrag unterzeichnet und die Grenze wieder geöffnet hatten. Erst im Jahre 2016 hatten Minenräumungen an dieser einst hart zwischen Israelis und Jordaniern umkämpften Frontstelle begonnen, die im Herbst 2020 abgeschlossen wurden. Am 7. Januar 1967 hatten zwei Priester in dem damals noch zu Jordanien gehörenden Kloster die letzte Heilige Messe gefeiert. Das Kloster liegt im Gebiet um die traditionelle Taufstelle „Qasr al-Jahud“, die schon 2011 wieder an die Kirche zurückgegeben wurde. Die traditionelle Wallfahrt der Katholiken in Israel und Palästina zur „Taufe des Herrn“ fand in diesem Jahr wegen der anhaltenden Coronavirus-Pandemie und eines verschärften Lockdowns mit starken Einschränkungen statt.

Der genaue Ort der Taufstelle ist umstritten

Anstatt hunderten Gläubigen durften nach franziskanischen Angaben nur fünf Gruppen mit jeweils zehn Personen daran teilnehmen. Der traditionelle Besuch des „Klosters der Versuchung“ („Deir al Quruntul“) bei Jericho im Rahmen der Feier entfiel. Auch auf der jordanischen Seite des Jordans gibt es eine Taufstelle Jesu, „Al-Maghtas“, die Wallfahrt dorthin entfiel in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie komplett. Der kürzlich ernannte neue Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, feierte dort eine live übertragene Messe im Beisein „einer kleinen Zahl von Priestern, Nonnen und führenden Personen“. Pizzaballa, der sich zu seinem ersten Patriarchalbesuch in Jordanien aufhält, hofft, dass 2021 nach dem Tiefpunkt für den religiösen Tourismus ein „Jahr der Heilung“ und „der Rückkehr zum normalen Leben“ wird. Durch die Pandemie sind auch die großen Pläne für eine grenzüberschreitende, internationale interreligiöse Friedenszone am Jordan ins Stocken geraten. Die Taufe Jesu markierte den Beginn seines öffentlichen Wirkens und ist ein zentrales Datum christlicher Geschichte.

Die genaue Lokalisierung der Taufstelle ist unter Bibelwissenschaftlern strittig. Johannes der Täufer wirkte einerseits im Judäischen Bergland, aber auch östlich des Jordans, ein Gebiet welches heute zu Jordanien gehört. Im Johannes-Evangelium wird ein Ort östlich des Jordans namens Bethanien genannt (Johannes 1,28). Es soll dieselbe Stelle sein, an der das Volk Israel nach 40 Jahren Auszug aus Ägypten das Verheißene Land betreten hatte. Da die Taufstellen westlich des Jordans beim Beginn des modernen Pilgerwesens im 19. Jahrhundert besser erreichbar als die östlichen waren, konzentrierte sich das Tauf-stellenpilgerwesen seit damals auf das westliche Jordanufer. Heutige Pilger können zwischen mehreren Taufstellen wählen: „Qasr al-Yahud“ im palästinensischen Westjordanland, „Bethanien“ in Jordanien oder „Yardenit“ am See Genezareth in Israel.

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Gehört zum Weltkulturerbe

Bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten war die Taufstelle am Jordan ein beliebter Wallfahrtsort für Gläubige, die dorthin reisten, um sich taufen zu lassen. Der Name „Qasr al-Yahud“ bedeutet „jüdische Festung“. Der Name könnte vom festungsartigen Kloster Johannes des Täufers in der Nähe abgeleitet sein. Eine weitere Vermutung ist, dass der Name die Stelle markiert, an der die Landnahme der Israeliten in Kanaan begann. Kaiser Anastasios (491–518) baute hier eine Kirche und Kaiser Justinian (527–565) stiftete eine Zisterne, die heute noch vor dem Eingang des Klosters zu sehen ist. Die Klosterkirche Johannes des Täufers ist nach der Geburtskirche in Bethlehem und der Grabeskirche in Jerusalem die wichtigste Kirche für die orthodoxen Christen im Heiligen Land.

Am 18. Januar feiern die orthodoxen Christen hier die Taufe Jesu. Israel interessierte sich erst nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II. im März 2000 am östlichen Ufer des Jordan für eine Öffnung des Gebietes um Qasr al-Yahud. Im August 2011 wurde die Taufstelle auf der israelisch besetzten Seite des Jordan offiziell wiedereröffnet. Der Bereich gehört zur Zone C im Westjordanland, einem Gebiet also, das Israel sowohl militärisch als auch administrativ kontrolliert. In Bethanien, wie die Taufstelle auf der jordanischen Seite heißt, steht eine alte Pilgerkapelle aus dem 5. oder 6. Jahrhundert. Diese hat Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 besucht. Lange Zeit hatte das jordanische Militär das Gelände komplett abgesperrt; auch Jahre nach dem Friedensvertrag mit Israel von 1994 war das Gelände nur mit Sondergenehmigung zugänglich.

Archäologen fanden im Jahr 1996 zahlreiche Bauten aus römischer und byzantinischer Zeit, die auf eine frühe christliche Verehrung schließen lassen. 2002 erklärte der jordanische König Abdullah II. dann 350 000 Quadratmeter Land um die Taufstelle zum Nationalpark und erlaubte den Christen den Bau von Kirchen und Pilgerherbergen. Im Jahr 2015 entschied die UNESCO, dass die Taufstelle Jesu in Jordanien als landschaftlich und kulturell bedeutsame Stätte zum Weltkulturerbe erklärt werden soll. Die katholische Kirche hat sich zur Frage nach dem wahren Taufort Jesu bisher nicht geäußert.

Christlich touristische Zone angestrebt

Allerdings besuchten bisher drei Päpste bei ihren Besuchen im Heiligen Land die Taufstelle in Jordanien. Auch Papst Franziskus betete bei seinem Besuch 2014 an dieser Taufstelle am Jordan. Insgesamt besitzen acht Kirchen Ländereien am Westufer des Jordan, die griechisch-orthodoxe, katholische, russische, äthiopische und assyrische Kirche. Alle zusammen wollen sie eine gemeinsame christliche touristische Zone nach Westen bis hin zur christlich-jüdischen Pilgerstätte von Qumran am Toten Meer errichten.

Seit einiger Zeit gibt es auch Bemühungen, das Areal beidseits des Jordan, das an die Taufe Jesu erinnert, zu einer gemeinsamen ökumenischen, jordanisch-israelisch-palästinensischen Pilgerstätte und zu einer „Insel des Friedens und der Kooperation“ auszubauen. Eine Vision von Koexistenz und Kooperation zwischen Israelis, Jordaniern und Palästinensern und zwischen Christen, Muslimen und Juden solle an der Taufstelle Jesu Wirklichkeit werden. Auch für den Friedensprozess im Nahen Osten könnte eine Friedenszone entlang der Jordangrenze Vorbildcharakter haben. Auch der neue Lateinische Patriarchat, Pierbattista Pizzaballa, sieht in der Konversion dieses Ortes, vom Ort der Gewalt zum Gottesdienstplatz, ein hoffnungsvolles Zeichen für den Dialog. Der Pilger-Tourismus in Israel, der vor Corona neue Rekordmarken erreicht hatte, ist infolge der Pandemie 2020 faktisch zum Erliegen gekommen. Ein grenzüberschreitender Pilgerkomplex am Jordan könnte dem Pilgerwesen im Heiligen Land nach der Pandemie wieder neuen Auftrieb verleihen.

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