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Seligsprechungsprozess nicht stoppen

Das Seligsprechungsverfahren für Papst Pius XII. war von Anfang an ein Politikum. Aber ein streng geregeltes Verfahren, das in einem ersten Teil bereits abgeschlossen ist, jetzt auf Eis zu legen, wäre auch juristisch ein Präzedenzfall.
Um die Seligsprechung von Pius XII. wird heftig gestritten
Foto: epa ansa Ettore Ferrari (ANSA) | Um die Seligsprechung von Pius XII. wird heftig gestritten. Die neuerliche Forderung nach einem Stopp des Seligsprechungsverfahrens hält der Historiker Michael Feldkamp für populistisch.

Im Frühjahr 2019 hat Papst Franziskus angekündigt, die in den vatikanischen Archiven aufbewahrten Akten aus dem Pontifikat Pius XII. ab dem 2. März 2020 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seitdem wird gebetsmühlenartig und medienwirksam der Wunsch erhoben, den Seligsprechungsprozess für Pius XII. sofort zu stoppen. Noch diese Woche, am 17. Februar 2020, hat der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf auf einer Veranstaltung der Deutschen Bischofskonferenz unter starkem Beifall die Forderung erhoben, den Prozess „bis zur gründlichen Auswertung“ auf Eis zu legen.

Forderung aus mehreren Gründen populistisch

Diese Forderung ist aus mehreren Gründen populistisch! Zum einen wird der Eindruck erweckt, über das Pontifikat von Pius XII. sei zu wenig bekannt. Das trifft aber nicht zu. Der Heilige Stuhl hat längst zentrale Aktenstücke aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) publiziert. Gleiches gilt für die meisten westlichen kriegsteilnehmenden Staaten, so dass wir längst über das politische und kirchliche Wirken Pius XII. besser informiert sind, als mancher zugeben will. Gerade die Akten der Kriegsteilnehmer, darunter auch die hochspanenden US-amerikanischen Geheimdienstakten, sind ausgewertet und erlauben spannende Einblicke, die den „heroischen Tugendgrad“ für Pius XII. keineswegs infrage gestellt haben.

Zum zweiten ist auch Hubert Wolf hinlänglich bekannt, dass es sich bei den ab März 2020 zur Verfügung stehenden neuen Akten um mehrere tausend Aktenvorgänge und Archivalieneinheiten mit mehreren Millionen Dokumenten handelt. Die von Wolf geforderte „gründliche Auswertung“ wird mehrere Jahrzehnte andauern. So kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Öffnung der Archive leichtfertig instrumentalisiert wird, um den Seligsprechungsprozess ganz stoppen. Das haben erklärtermaßen John Cornwell (2001: Pius XII. - Der Papst, der geschwiegen hat) und Daniel Jona Goldhagen (2003: Die katholische Kirche und der Holocaust.) bereits unter weltweit starker Beachtung durch die Medien versucht. Auch sie sind mit ihrem Ansinnen gescheitert.

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Forschungen geraten in ein schiefes Licht

Ohnehin steht es einem Historiker gut an, ohne Einschränkungen Forschungen zu publizieren. Aber diese geraten in ein schiefes Licht, wenn daran schon von Vornherein politische und in diesem Falle kirchenpolitische Forderungen geknüpft werden. Der Eindruck einer „Auftragsforschung“, wie sie bei einer gutachterlichen Tätigkeit durchaus praktiziert wird, schadet jedem ernsthaften Forschungsvorhaben.

Das 1965 – also fast drei Jahre nach Erscheinen von Rolf Hochhuths Theaterstück „Der Stellvertreter“ – eröffnete Seligsprechungsverfahren für Papst Pius XII. war von Anfang an ein Politikum. Aber ein juristisch streng geregeltes Verfahren, das unter Beteiligung zahlreicher Zeugen, Konsultoren und Sachverständiger in einem ersten Teil bereits abgeschlossen ist, jetzt auf Eis zu legen, wäre auch juristisch ein Präzedenzfall.

Für Pius XII. ist der „heroische Tugendgrad“ schon im Dezember 2009 festgestellt worden. Nun fehlt es an einem Wunder. Es wird sich zeigen, ob der zuständige Postulator einem irgendwie gearteten Druck weichen wird, oder Gebetserhörungen und Wunder, die ihm bereits vorliegen, bald anerkennt.

Der Autor ist Historiker und hat gerade das Buch "Pius XII.: ein Papst für Deutschland, Europa und die Welt" veröffentlicht

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