Das Seligsprechungsverfahren für Pius XII. soll vorerst auf Eis gelegt werden. Diese Forderung erhoben am Montagabend mehrere prominente Teilnehmer einer von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralrat der Juden in Deutschland veranstalteten Podiumsdiskussion mit dem Titel „Neues über Pius XII. und die Shoah?“ im Frankfurter Haus am Dom. Die Veranstaltung fand vor dem Hintergrund der am 2. März anstehenden Öffnung sämtlicher vatikanischer Archivbestände aus der Zeit Pius XII. statt.
Seligsprechung würde "starkes Signal" der Archivöffnung entwerten
So forderte der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf in einem Impulsreferat, das laufende Seligsprechungsverfahren für Pius XII. „bis zur gründlichen Auswertung“ der ab jetzt neu zugänglichen Dokumente zu stoppen – eine Forderung, die das Publikum mit einem kurzen und kräftigen Applaus quittierte. Eine Seligsprechung zum jetzigen Zeitpunkt würde laut Wolf das starke Signal der Archivöffnung entwerten. Wolf ließ keinen Zweifel daran, dass die erforderliche gründliche Auswertung der Archivbestände – mehr als 200.000 archivalische Einheiten mit je bis zu 1.000 Blatt Umfang – ihre Zeit brauchen wird.
Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erhob die Forderung nach einem Stopp des Seligsprechungsverfahrens, das unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Erkenntnisse von jüdischer Seite aus kritisch betrachtet werde. Im Falle einer Seligsprechung Pius XII. vor Auswertung der nun neu zugänglichen Akten müsse er die vatikanische Haltung zum christlich-jüdischen Dialog als bloßes „Lippenbekenntnis“ ansehen. Schuster bekundete seine Offenheit für alle (positiven oder negativen) Erkenntnisse über Pius XII., die sich aus den neuen Untersuchungen ergeben könnten.
Erfurter Bischof Neymeyr unterstützt die Forderung
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr, in der Deutschen Bischofkonferenz zuständig für den christlich-jüdischen Dialog, unterstützte diese Forderungen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das Beispiel von Bistümern, die Seligsprechungsprozesse eingestellt hätten, nachdem antijüdische Äußerungen der Kandidaten bekannt geworden seien. Neymeyr plädierte zudem in der Diskussion dafür, christlichen Antisemitismus stärker in den Blick zu nehmen. Christen müssten akzeptieren, „dass Gott den Bund mit Israel nicht gekündigt hat.“
DT/csc
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