Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Franziskus spricht Klartext

Der Papst wendet sich direkt an Putin, um den drohenden atomaren Weltkrieg zu verhindern.
Papst Franziskus forderte jetzt in einem deutlichen Appell zum Frieden auf.
Foto: Andrew Medichini (AP) | Papst Franziskus forderte jetzt in einem deutlichen Appell zum Frieden auf.

Man muss schon bis zum Friedensappell von Johannes XXIII. an Kennedy und Chruschtschow vom 24. Oktober 1962 zurückgehen – den Radio Vatikan dann einen Tag später auch öffentlich machte –, um einen Vergleich ziehen zu können. Am vergangenen Sonntag hat Papst Franziskus die Betrachtung zum Sonntagsevangelium vor dem Gebet des „Angelus“ ausfallen lassen und eindrücklich vor der Gefahr eines Weltkriegs gewarnt.

1962 stand die Welt wegen der Kuba-Krise vor einem Atom-Krieg. Johannes XXIII. flehte die Regierenden in dramatischen Worten an, Verhandlungen aufzunehmen. Franziskus wandte sich aber jetzt, zum ersten Mal nach etwa achtzig Friedensappellen zum Ukraine-Krieg, ausdrücklich und direkt an den Aggressor: „Mein Appell richtet sich in erster Linie an den Präsidenten der Russischen Föderation, den ich bitte, diese Spirale der Gewalt und des Todes auch um seines Volkes willen zu beenden.“ Das ist neu. Das hat Franziskus in der Deutlichkeit noch nicht vor der Weltöffentlichkeit gesagt.

Lesen Sie auch:

Kein Diktatfrieden, sondern ernsthafte Verhandlungen

Der Papst wandte sich auch an den ukrainischen Präsidenten, formulierte aber klar, dass sich jetzt nicht wie 1962 zwei gleichgroße Mächte gegenüberstehen: „Andererseits appelliere ich angesichts des unermesslichen Leids des ukrainischen Volkes infolge der erlittenen Aggression ebenso zuversichtlich an den Präsidenten der Ukraine, für ernsthafte Friedensvorschläge offen zu sein.“ Franziskus verlangte also nicht, einen Ditkatfrieden zu akzeptieren, wie ihn Außenministerin Annalena Baerbock formuliert: Wir rauben euer Land, unterwerfen eure Bürgerinnen und Bürger, und ihr dürft das dann unterschreiben. „Das ist das Gegenteil von Frieden. Das ist Terror und Unfreiheit“, sagte Baerbock, wie es wohl auch der Papst so sieht. Die Stoßrichtung von Franziskus zielt ganz in Richtung Kreml.

Lesen Sie auch:

Die Welt wird atomar bedroht

Das aber auch, weil nicht in Washington oder Brüssel, sondern in Moskau der Schlüssel für die kommenden Entwicklungen liegt. „Es ist bedauerlich, dass die Welt die Geografie der Ukraine durch Namen wie Bucha, Irpin, Mariupol, Izium, Saporischschja und anderer Städte kennenlernt, die zu Orten unbeschreiblichen Leids und unbeschreiblicher Angst geworden sind“, sagte Franziskus am Sonntag. „Und was ist mit der Tatsache, dass die Menschheit erneut mit einer atomaren Bedrohung konfrontiert ist? Das ist absurd.“ 1962 ging die Gefahr eines Atomkriegs von zwei Supermächten aus, die aber auf ihre Weise noch rational zu handeln vermochten. Die „Prawda“ druckte damals den Appell von Johannes XXIII. ab. Putin dagegen scheint die NATO und die Vereinigten Staaten mit allen Mittel in einen heißen Konflikt hineinziehen zu wollen.

Das Risiko der nuklearen Eskalation

Während man in Deutschland kurzsichtig auf Gaspreise und Energiesparen stiert, ist die Gefahr eine ganz andere: Franziskus sprach am Sonntag von der nächsten Stufe der Eskalation, die Putin eingeleitet hat: „Ich bedauere zutiefst die ernste Situation, die in den letzten Tagen entstanden ist, mit weiteren Aktionen, die den Grundsätzen des Völkerrechts widersprechen“, meinte der Papst und sprach auch die Folge der völkerrechtswidrigen Annexion ukrainischen Staatsgebiets an: „Sie erhöht das Risiko einer nuklearen Eskalation bis hin zur Befürchtung unkontrollierbarer und katastrophaler Folgen weltweit.“ 1962 haben die Christen für den Erhalt des Friedens gebetet. Tun sie es 2022 auch?

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Guido Horst Annalena Baerbock Johannes XXIII. NATO Papst Franziskus Päpste Radio Vatikan Russische Regierung Terrorismus Völkerrecht Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

Vor allem der brutale Angriff auf die Ukrainer sei ein Verbrechen gegen Gott und die Menschen.
09.01.2023, 11 Uhr
Meldung
  Die Entdeckung der Neuen Welt schuf neue Beziehungen und damit zugleich die Notwendigkeit ihrer rechtlichen Ausgestaltung. Maßgebend waren dafür Theologen und Philosophen des ...
11.05.2023, 17 Uhr
Josef Bordat

Kirche

Emmanuel Macron verschiebt die Debatte um das Euthanasie-Gesetz auf nach dem Papstbesuch. Der Heilige Vater wird sich durch solche Manöver kaum an der Nase herumführen lassen.
21.09.2023, 11 Uhr
Franziska Harter
Macron weiß die Verbundenheit mit Papst Franziskus medial zu nutzen: Am 23. September will er an einer Papstmesse teilnehmen.
21.09.2023, 09 Uhr
Franziska Harter
Bischof Bertram Meier dämpft Erwartungen an die Weltsynode. Es werde „keine Beschlüsse zu Reformthemen geben, wie wir sie in Deutschland haben“.
20.09.2023, 18 Uhr
Meldung