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Wir leben mit der Atombombe

Seit 80 Jahren lebt die Welt mit dem Schrecken einer Massenvernichtungswaffe. Heute ist aus dem „Gleichgewicht des Schreckens“ im Kalten Krieg ein Schrecken ohne jedes Gleichgewicht geworden.
Hiroshima nach der Bombe
Foto: imago stock&people via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Tabula Rasa: Von Hiroshima blieb nach dem Atombombenabwurf nicht mehr übrig als eine Schuttwüste.

Heute vor 80 Jahren wurde die erste Atombombe eingesetzt, als Kriegswaffe der USA gegen das bereits der Kapitulation entgegentaumelnde Japan. Die Namen der japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki sind seither weltweit zu Synonymen für den alle menschliche Vorstellungskraft übersteigenden Schrecken dieser Waffe geworden. Bis heute lässt sich die Zahl der Todesopfer nicht präzise benennen.

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Noch viel weniger lässt sich das Ausmaß eines Atomkriegs mit den heute existierenden Atomwaffen ermessen. Diese Unberechenbarkeit des Horrors mag während des Kalten Kriegs tatsächlich zum sprichwörtlichen „Gleichgewicht des Schreckens“ beigetragen haben. Beide Seiten – die Sowjetunion und die von den USA geführte NATO – wussten, dass der je andere ausreichend Zweitschlagskapazität für eine wechselseitige Vernichtung besitzt. Und so entlud sich der Kalte Krieg in durchaus heißen, massenmörderischen Stellvertreterkriegen. Eine direkte militärische Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt blieb der Welt erspart.

Erneut im Zeitalter der Kriege

Mittlerweile ist aber nicht nur der kommunistische Ostblock untergegangen, sondern auch die seinem Untergang folgenden Illusionen vom „Ende der Geschichte“ und „Wandel durch Handel“. Wir leben neuerlich in einem Zeitalter der Kriege, auch wenn viele davon kaum wahrgenommen werden. Der erst vor wenigen Tagen ausgetragene Krieg zwischen Thailand und Kambodscha blieb unter der Wahrnehmungsschwelle, weil beide Länder keine Atomwaffen besitzen. Der vor wenigen Monaten eskalierende Kleinkrieg zwischen Indien und Pakistan alarmierte zu Recht die Weltpolitik, weil beide Staaten Atommächte sind.

Überaus alarmiert sollte die Welt auch sein, wenn Wladimir Putin seit 2022 immer wieder den Einsatz russischer Atomwaffen als mögliche Option – und Erpressungspotenzial – nennt. Oder wenn sein Adlatus, der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew, der gerne den unberechenbaren Kriegstreiber spielt, offen damit droht – und US-Präsident Donald Trump daraufhin amerikanische Atom-U-Boote näher an Russland heranzuführen verspricht. Gewiss, weder in Moskau noch in Washington will irgendwer einen Atomkrieg, doch 1914 wollte auch niemand in Wien, Berlin, Paris, St. Petersburg, London oder Belgrad einen Weltkrieg.

Atomare Lebensversicherung

Sicher ist, dass die Existenz von Atomwaffen nicht dazu geführt hat, dass konventionelle Kriege nicht mehr gewagt werden. Und doch fragen sich nicht nur Ukrainer, ob der 2014 auf der Krim und in der Ostukraine begonnene „konventionelle“ Krieg Putins auch möglich gewesen wäre, hätte die Ukraine nicht zwei Jahrzehnte zuvor auf die in ihrem Land stationierten 1900 strategischen Atomwaffen verzichtet – im Gegenzug für Sicherheitsgarantien, die Putin 2014 und 2022 einfach ignorierte.

Gefährlich sind Atomwaffen nicht nur in militärischer, sondern auch in politischer Hinsicht. Solange Atommächte unangreifbar sind, atomwaffenfreie Staaten dagegen Opfer von gewaltsamen Regimewechseln und Invasionen werden, scheint es vielen Machthabern nur logisch, sich atomar abzusichern. Ob Gaddafi in Libyen und Assad in Syrien noch an der Macht wären, wenn sie Atomwaffen besessen hätten, lässt sich nicht mehr klären. Aber in Nordkorea und im Iran sind die Machthaber fest davon überzeugt, dass die atomare Bewaffnung ihre beste Lebensversicherung wäre.

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