Münchner Missbrauchsgutachten

Nach Münchener Gutachten: Benedikt XVI. unter innerkirchlichem Beschuss

Bischöfe, Jugendverbände und „Reformgruppen“ knöpfen sich vor allem den emeritierten Papst vor.
Papst Benedikt XVI. steht im Fokus zahlreicher Angriffe
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Papst Benedikt XVI. steht im Fokus zahlreicher Angriffe sowohl aus Kreisen deutscher Bischöfe als auch von Laienfunktionären und selbsternannten Reformgruppen.

Die Spitze der katholischen Kirche in Deutschland gerät seit der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens der Münchener Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) immer stärker unter medialen und öffentlichen Druck. Diese gibt nun eben jenen von außen kommenden Druck weiter – und zwar an den emeritierten Papst Benedikt XVI.

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Bischöfe: Benedikt müsse „Schuld eingestehen“

So fordert der Aachener Bischof Helmut Dieser ein öffentliches Schuldeingeständnis des emeritierten Papstes Benedikt XVI.: „Es kann nicht dabei bleiben, dass Verantwortliche sich flüchten in Hinweise auf ihr Nichtwissen oder auf damalige andere Verhältnisse oder andere Vorgehensweisen“, sagte er in einer Predigt im Aachener Dom. „Denn deswegen wurden doch damals Täter nicht gestoppt und Kinder weiter von ihnen missbraucht.“ Auch Bischöfe und ein ehemaliger Papst könnten schuldig werden, sagte Dieser.

„Und in bestimmten Situationen müssen sie das auch öffentlich bekennen, nicht nur im Gebet vor Gott oder im Sakrament in der Beichte“, so der Aachener Diözesanbischof, der noch in Hinblick auf das 2020 veröffentlichte, sein eigenes Bistum betreffende Missbrauchsgutachten betonte, dass dieses nicht den Zweck habe, Menschen an den Pranger zu stellen, sondern es vielmehr darum gehe, aus den Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.

Zuvor hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, von einem "desaströsen Verhalten" gesprochen und erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch Benedikt XVI. "Vertuscht, verdeckt wurde lange genug", so der Bischofskonferenz-Vorsitzende. "Jetzt ist die Zeit der Wahrheit." Denn nur die Wahrheit werde Freiheit bringen, den Blick auf Jesus freigeben und möglicherweise auch neues Vertrauen für die Kirche schaffen.

Katholische Jugend fordert Entschuldigung

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum München und Freising forderte einen Paradigmenwechsel: Hin zum Schutz der Menschen und der Aufarbeitung sowie weg vom Schutz der Institution Kirche, heißt es in einer Erklärung des BDKJ. Die Zeit der Gutachten sei vorbei, stattdessen sei es Zeit, Verantwortung zu übernehmen. 
Auch die katholische Jugend verlangte ein Schuldeingeständnis der Verantwortlichen. Heutige und frühere Verantwortliche im Erzbistum müssten neben der institutionellen auch ihre persönliche Schuld eingestehen und sich für ihr Fehlverhalten aufrichtig entschuldigen.

„Maria 2.0“: Benedikt muss Papst-Namen ablegen

Aktivistinnen der selbsternannten Reformbewegung „Maria 2.0“ fordern den früheren Pontifex wegen seines Umgangs mit Missbrauchsfällen zudem dazu auf, seinen päpstlichen Namen abzulegen. „Wir erwarten, dass Joseph Ratzinger in Anbetracht dessen auf die Verwendung seines päpstlichen Namens sowie seiner damit verbundenen Titel und Insignien verzichtet“, teilte die feministische Initiative mit.

Auch Ratzingers Nachfolgern im Amt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter und Amtsinhaber Kardinal Reinhard Marx, denen das Gutachten Fehlverhalten vorwirft, sollten Konsequenzen drohen: „Wir sind der Meinung, dass keine dieser Personen in ihrer derzeitigen Position verbleiben kann“, heißt es seitens Maria 2.0. „Wir halten es für geboten, dass sie auf alle Ämter, Funktionen und Ehrentitel, die sie aktuell innehaben, ebenso verzichten wie auf alle damit verbundenen Einkünfte.“ DT/sta

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