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Von „Bürokratiewahnsinn“ bis „mangelhaft“

Deutsche Krankenhausgesellschaft und Bayerns Gesundheitsminister Holetschek äußern harsche Kritik an der vom Bundestag beschlossenen Änderung des Infektionsschutzgesetzes.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Mit 386 gegen 312 Stimmen hatten die Abgeordneten des Deutschen Bundestags bei drei Enthaltungen gestern in namentlicher Abstimmung zahlreiche Änderungen beim Infektionsschutzgesetz beschlossen.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, hat die gestern vom Bundestag beschlossene Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kritisiert. Gegenüber dem „Deutschen Ärzteblatt“ erklärte Gaß: „Wir kritisieren insbesondere, dass künftig alle Krankenhausmitarbeiter mehrmals in der Woche getestet werden müssen. Dies gilt dann nicht nur für die Ungeimpften wie bisher, sondern auch für die Geimpften und Genesenen. Eine Regelung, die völlig an der Wirklichkeit vorbeigeht und einmal mehr den Bürokratiewahnsinn in unseren Häusern verschärft.“ 

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Gaß wies darauf hin, dass die Umsetzung der Regelung dokumentiert werden müsse. Andernfalls dürften die Betroffenen nicht mehr arbeiten. Zudem betreffe die Testpflicht nicht nur die Beschäftigten, sondern alle, die das Krankenhaus betreten, darunter auch externe Dienstleister. Gaß kritisierte ferner das Fortbestehen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. „Sie sollte nicht erst Ende Dezember auslaufen, sondern bereits jetzt ausgesetzt werden. Der Bundesgesundheitsminister sagt ja selbst, dass die aktuelle Impfung nicht vor der Ansteckung schützt. Das zentrale Argument für die Impfpflicht ist also obsolet. Dies hätte bei der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes berücksichtigt werden müssen“, wird Gaß zitiert.

Änderungen gelten bis 7. April 2023

Mit 386 gegen 312 Stimmen hatten die Abgeordneten des Deutschen Bundestags bei drei Enthaltungen gestern in namentlicher Abstimmung zahlreiche Änderungen beim IfSG beschlossen. Stimmt der Bundesrat diesen zu, treten die von der Ampelregierung erarbeiteten und bis zum 7. April 2023 befristeten Änderungen zum 1. Oktober in Kraft.

Der von den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegte und im Verlauf der Beratungen noch um mehr als ein Dutzend Änderungsanträge ergänzte „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ (Bundestagsdrucksache 20/2573) umfasst einige bundesweite Auflagen sowie einen „Instrumentenkasten“, aus dem sich die Bundesländer bei Bedarf bedienen können sollen.

Demnach gilt ab 1. Oktober bundesweit eine FFP2-Maskenpflicht in Krankenhäusern, Arztpraxen sowie Pflegeheimen und anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems. Auch im Öffentlichen Nah- und Fernverkehr (Bahn/Bus) muss weiterhin FFP2-Maske getragen werden. Ausgenommen von der Maskenpflicht sind Kinder unter sechs Jahren. Personal und Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahre benötigten lediglich eine medizinische Maske.

Maskenpflicht in Flugzeugen gekippt

Dagegen wurde die bisher geltende Maskenpflicht in Flugzeugen gekippt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begründete diesen Widerspruch in der streckenweise turbulent verlaufenden Bundesdebatte damit, dass weniger Menschen mit dem Flugzeug als mit Bus und Bahn reisten und die Fluggesellschaften geltend gemacht hätten, die Maskenpflicht an Bord nicht durchsetzen zu können. Zudem ermächtige das Gesetz die Bundesregierung im Falle steigender Infektionszahlen das Tragen einer Maske auch in Flugzeugen per Rechtsverordnung anzuordnen.

Für den Zutritt zu Krankenhäusern, Pflegeheimen oder vergleichbaren Einrichtungen soll über die FFP2-Maskenpflicht hinaus eine Testnachweispflicht gelten. Beschäftigte in diesen Einrichtungen müssen einen Testnachweis – mindestens dreimal pro Kalenderwoche vorlegen.

Instrumentenkasten der Länder

Die Länder können zusätzlich eine Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen anordnen. Bei Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie in der Gastronomie sind jedoch Personen, die über einen gültigen Testnachweis verfügen zwingend von der Maskenpflicht auszunehmen. Ferner können die Länder vollständig Geimpfte und Genesene von der Maskenpflicht in Innenräume ausnehmen, sofern deren entsprechende Nachweise nicht älter als 90 Tage sind. Des Weiteren können die Länder verpflichtende Coronatest in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kindertageseinrichtungen, Asylheimen und Gefängnissen anordnen.

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Reicht dies nicht aus und stellt ein Länderparlament eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der kritischen Infrastruktur fest, dann sollen die Länder zudem eine Maskenpflicht in Außenbereichen sowie einen Mindestabstand von 1,5 Metern im öffentlichen Raum anordnen können.

Betriebe und Veranstalter könnten dann auch wieder verpflichtet werden, Hygienekonzepte vorzulegen und Personenobergrenzen für Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen festzulegen.

 „Mangelhaft“: Holetschek sieht „schwere Fehler“

Kritik äußerte auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Der hatte bereits am Mittwoch, einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag der Bundesregierung via Pressemitteilung, „schwere Fehler bei der Überarbeitung des neuen Infektionsschutzgesetzes“ vorgeworfen. Das Gesetz der Bundesregierung sei trotz einiger Korrekturen „mangelhaft“. Jetzt drohe ein „Flickenteppich an Regeln in Deutschland, der die Akzeptanz der Bevölkerung“ mindere. Niemand könne zudem verstehen, warum in Flugzeugen die Maskenpflicht aufgehoben werden soll und in Fernzügen nicht. Auch habe der Bund „die Chance nicht genutzt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu kippen – und zwar bevor die Änderungen für die Anforderungen an einen vollständigen Impfschutz in Kraft treten.“

Ab dem 1. Oktober gelten nur noch Nachweise über drei Impfungen respektive zwei Impfungen und eine Genesung als vollständiger Impfschutz. Holetschek: „Ich habe den Bund mehrmals aufgefordert, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen. Nun kommt auf die betroffenen Einrichtungen und Unternehmen sowie auch auf die Gesundheitsämter ein irrwitziger Verwaltungsaufwand zu, während die Pflegekräfte zunehmend frustriert sind. Das ist inakzeptabel."

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