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Machtspiel um die Nach-Merz-Union

Jens Spahn spekuliert über einen anderen Umgang mit der AfD, Linnemann verzichtet auf einen Kabinettsposten. Es wirkt das „Isnogud-Syndrom“.
Linnemann und Merz auf dem CDU-Bundesparteitag 2024
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Zwei mögliche Thronfolger: Carsten Linnemann und Jens Spahn.

„Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen“ – das ist der Schlachtruf von Isnogud. Schon mal gehört? Isnogud ist Großwesir am Hof des Kalifen Harun al Pussah. Er versucht ständig, seinen Herrn zu stürzen, um sich selbst auf den Thron setzen zu können.  Das funktioniert allerdings nie. Diese Comicfigur aus den 60ern, sie wurde vor allem von „Asterix“-Vater René Goscinny geprägt, ist nicht nur in Frankreich Kult. Das liegt auch daran, dass bei aller humoristischen Einfärbung der Leser durch die Geschichten durchaus auch etwas über das reale politische Leben lernen kann. Vieles von dem, von dem der unbedarfte Comic-Freund glaubt, es sei verzerrt wiedergegeben, entspricht gerade weil es so bizarr wirkt der Realität des politischen Lebens. So könnte man ganz grundsätzlich von einer Art Isnogud-Syndrom sprechen, das sowohl viele Normalbürger bestimmt, wenn sie Politik bewerten, aber auch den Blick durch manche Experten-Brille trübt. „Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen“ – dieser Wille zur Macht gilt als Antriebsmotor für Politiker schlechthin, für Lieschen Müller genauso wie für Frau Dr. Elisabeth Müller.

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Und damit sind wir in Berlin angelangt: In wenigen Tagen wird Friedrich Merz zum aller ersten Mal zum Kanzler gewählt werden und trotz seiner 69 Jahre macht er noch keinen greisenhaften Eindruck (zum Vergleich: Konrad Adenauer war bei Antritt seiner ersten Legislaturperiode 73  und machte dann noch 14 Jahre weiter.) Aber hier gilt eben das Isnogud-Syndron, vor allem bei so einer Machtmaschine wie der Union. Die nächst Jüngeren hinter Merz werden automatisch als dessen potentielle Nachfolger gehandelt. Und so wird auch alles, was sie tun, mit Blick auf die Machtfrage gedeutet. Das konnte man in dieser Woche beobachten:  Bei Jens Spahn (44 Jahre alt), der Vorsitzender der Fraktion im Bundestag werden soll. Und bei Carsten Linnemann (47 Jahre alt), der verkündete, CDU-Generalsekretär bleiben zu wollen und nicht ins Kabinett zu wechseln. Es gibt eben auch unterschiedliche Isnogud-Typen. Der machtgeile Großwesir ist ja nicht gerade ein Sympathieträger (der Name leitet sich denn auch von „is no good“ ab). Trotzdem gibt es eben den Politiker, der ganz offensichtlich vom Machttrieb bewegt wird. Und dann gibt es noch den, der sich erst als Isnogud auf den zweiten Blick entpuppt. Spahn gehört in die erste Kategorie, Linnemann in die zweite.

Geht es Spahn wirklich um die Sache?

Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Spahn gilt zwar als durchaus kompetent in der Sache, auch als konsequent und rhetorisch scharf, aber geliebt wird er nicht. Seit seinen JU-Tagen ist er der Prototyp des jungen-CDU-Funktionärs, der den Marschallstab schon im Schultornister getragen hat, immer über den nächsten Schritt in der Karriere nachdenkt – mit dem großen Endziel: Kalif. So wurde schon seine Kandidatur um den Parteivorsitz gegen AKK und Merz gedeutet wie auch der Versuch, sich dann bei der nächsten Wahlrunde an Armin Laschet dranzuhängen. Wenn der Borkener sich jetzt also zu Wort meldet,  klingt es eigentlich automatisch in allen Ohren in der Hauptstadt so: Da will sich einer in Stellung bringen.

Sasses Woche in Berlin
Foto: privat / dpa/Montage pwi | Woche für Woche berichtet unser Berlinkorrespondent in seiner Kolumne über aktuelles aus der Bundeshauptstadt.

Und das geht natürlich am besten, wenn man sich von dem Alten abgrenzt. Der Alte ist in dem Fall Merz und das Alte die Brandmauer zur AfD, in die Spahn zumindest Löcher bohren möchte. Man müsste darüber nachdenken, ob nicht auch AfD-Leute gemäß altem parlamentarischem Brauch etwa auch zu Ausschussvorsitzenden gewählt werden sollten. Durchaus eine Debatte, die sachlich geboten ist. Zur Sachlichkeit würde aber eine gewisse Komplexität in der Betrachtungsweise gehören. Geht es Spahn wirklich darum oder will er nur Truppen sammeln? Zum Beispiel in Ostdeutschland, wo es an der CDU-Basis noch viel weitreichendere Überlegungen gibt. Aber noch verfügt Unions-Kalif Merz über eine funktionierende Palastwache. Oberst a.D. Roderich Kiesewetter sprang dazwischen und machte darauf aufmerksam, dass es vielleicht nicht ganz so sinnvoll sei, Vertreter aus Putins fünfter Kolonne in das Koordinierungsgremium für die Geheimdienste im Bundestag zu entsenden.

Linnemann bleibt Gralshüter

Kommen wir zu dem Isnogud auf den zweiten Blick: Carsten Linnemann ist jetzt der gute Mensch aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Er hat es geschafft, seinen Verzicht auf den Kabinettsposten als vor allem altruistisch motiviert zu verkaufen. Gleichzeitig vergrault er so aber nicht seine Anhänger im wirtschaftsliberalen Flügel, die der Eintritt des früheren MIT-Chefs und Gralshüters des marktwirtschaftlichen Erbes in die sozialdemokratisierte Merz-Regierung frustriert hätte. Linnemann scheint eine Weisheit eines seiner Vorgänger als Generalsekretär zu berücksichtigen: Heiner Geißler betonte immer, die Partei müsse, vor allem auch intellektuell, eine eigenständige Kraft neben dem Kabinett bleiben. Also, bloß nicht zum Kanzlerwahlverein mutieren. Sollte Linnemann hier Erfolg haben, würden ihm nicht nur die Herzen vieler Anhänger zufliegen – er hätte auch eine tatsächliche Machtoption.

Doch bleiben wir bei der Isnogud-Geschichte: Der Kalif hat alle Anschläge – und seien sie noch so ausgeklügelt -  überlebt. Vielleicht feiert Merz in einem Jahrzehnt seinen 80. im Kanzleramt und die beiden Jüngeren sind längst im politischen Ruhestand. Doch eines ist auch klar: Dann wird es eben Andere geben, die Kalif anstelle des Kalifen werden wollen.

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