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Katholisch, korporiert, Kabinett

Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz ist CVer. Auch andere Kabinettmitglieder gehören katholischen Korporationen an. Verbindungen schaffen eben Verbindungen – dem katholischen Element in der Politik hilft das.
Bundeskanzler Friedrich Merz ist CVer
Foto: IMAGO/Wiktor Dabkowski (www.imago-images.de) | Studentenverbindungen schaffen Verbindungen: Friedrich Merz ist CVer (seit 1977 Mitglied der K.D.St.V. Bavaria Bonn).

„Zufall schreibt man mit CV“ – das Bonmot stammt angeblich von keinem Geringeren als dem ersten Bundespräsidenten. Theodor Heuss soll sich so darüber lustig gemacht haben, dass Angehörige des CV in den Jahren der Ära Adenauer gute Chancen auf prominente Posten in den Ministerien oder der Diplomatie hatten. Und es sollte natürlich heißen, der schwäbische Liberale Heuss meinte es nämlich kritisch, es stecke eben kein Zufall dahinter, sondern eine gezielte Personalpolitik.

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Und die lag in den Tagen Adenauers tatsächlich in den Händen zweier bekennender CVer: von Ministerialdirektor und später Staatssekretär im Kanzleramt, Hans Globke, und dessen Vorgänger, Staatssekretär Otto Lenz. Wenn heute darüber berichtet wird, dann meistens mit dem Hintergedanken, es solle hier eine gefährliche Vetternwirtschaft entlarvt werden. Dabei sollte man aber nicht verkennen: In einer Zeit, in der es weder Linkedin oder Xing gab, man aber gerade eine zwölfjährige Diktatur überwunden hatte, benötigte die junge Republik nichts so dringend wie geeignetes Personal. Geeignet bedeutete dabei: Fachliche Qualifikation, am besten auch administrative Erfahrung. Aber natürlich auch: Die Kandidaten sollten sich während des NS-Regimes nicht schuldig gemacht haben.

Studentenverbindungen schaffen Verbindungen

Dass Zeitgenossen unter „nicht schuldig“ freilich etwas anderes verstanden haben als manche Nachgeborene, die mit anderen ethischen Standards Maß nehmen, gilt aber auch. Es zeigt sich vor allem an der jahrzehntelangen Debatte um Hans Globke. Obwohl Historiker mittlerweile ein recht differenziertes Bild von ihm zeichnen, wird der Jurist immer noch gerne pauschal als stark belastet diffamiert. Doch das ist ein eigenes Kapital. Was hier aber grundsätzlich gesagt werden kann: Wie man es auch bewerten mag, die Beispiele aus dieser Zeit unterstreichen: Studentenverbindungen schaffen Verbindungen.

Sasses Woche in Berlin
Foto: privat / dpa/Montage pwi | Woche für Woche berichtet unser Berlinkorrespondent in seiner Kolumne über aktuelles aus der Bundeshauptstadt.

Diese Bindungen freilich bestehen nicht nur unter den Personen, die dem gleichen Korporationsverband angehören. Sie drücken sich vor allem in einem Bekenntnis zu gemeinsamen Prinzipien aus. Und die Verpflichtung, sich gemäß dieser Prinzipien gesellschaftlich einzubringen, hört natürlich nicht mit dem Examen auf. Sondern besteht im Berufsleben, dann wenn man „Alter Herr“ geworden ist, weiter.

Es gibt drei große katholische Korporationsverbände in  Deutschland: Den CV (Cartellverband, farbentragend), den KV (Kartellverband, farbenführend, die Mitglieder tragen kein Band) und der UV (Unitas-Verband, ebenfalls ohne Band, hier gibt es auch separate Vereine für Damen). Seit Jahrzehnten werden hier junge Katholiken geprägt und zu einem gesellschaftlichen Engagement im Sinne ihres Glaubens erzogen. Wenn heute im politischen Leben Katholiken ihr Bekenntnis deutlich werden lassen, dann sind es nicht selten Mitglieder der katholischen Korporationen.

Nicht vertreten in der Bundesregierung ist der KV

Das zeigt sich auch an der neuen Bundesregierung: Friedrich Merz ist CVer (seit 1977 Mitglied der K.D.St.V. Bavaria Bonn), Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (K.D.St.V. Novesia Bonn) ebenfalls. Aber auch andere Korporierte finden sich im Kabinett: Michael Brand, CDU-Abgeordneter aus Fulda und neuer Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, ist UVer (Unitas-Salia Bonn). Roderich Kiesewetter, den manche gerne in einer Position in einem Ressort mit Kompetenzen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gesehen hätten, gehört der Unitas München an.

Nicht vertreten ist allerdings in der Bundesregierung der KV. Dabei stellt er die meisten Kanzler: Konrad Adenauer (KStV Saxonia im KV zu München, KStV Askania-Burgundia Berlin, KStV Arminia im KV zu Bonn) und Kurt-Georg Kiesinger (KStV Askania-Burgundia). Die Askania-Burgundia kann, schaut man nicht nur auf die Bundesrepublik, einen besonderen Rekord aufbieten. Ihr gehörten die meisten Kanzler an: Neben Adenauer und Kiesinger kann sie noch im Kaiserreich Reichskanzler Georg von Hertling und in der Weimarer Republik den Reichskanzler Wilhelm Marx aufbieten. 

Die Unitarier hingegen saßen meistens eher in der zweiten Reihe, dafür aber auf prominenten Plätzen im Küchenkabinett des jeweiligen Regierungschefs: Heinrich Krone, viele Jahre Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war ein enger Vertrauter von Konrad Adenauer. Helmut Kohl war im engsten Kreis gleich von drei Unitariern umgeben: Rudolf Seiters als Kanzleramtsminister, Friedhelm Ost als Regierungssprecher und schließlich über Jahrzehnte als Mann für die Kontakte zu den Medien, Eduard Ackermann.

Viele katholische Korporierte auf verantwortlichen Positionen

Und auch heute finden sich jenseits der deutschen Hauptstadt viele katholische Korporierte auf verantwortlichen politischen Positionen: Bernd Schulte, der Leiter der Staatskanzlei NRW, ist KVer. Und auch wenn es sich um keine direkten politischen Positionen handelt, aber doch wichtig für den Kontakt zwischen Staat und Kirche: Der Leiter des Katholischen Büros in der Hauptstadt, Prälat Karl Jüsten, ist KVer, ebenso der Leiter des Katholischen Büros in Bayern, Mathias Belafi. Armin Laschet gehört dem CV an, genauso wie der andere ehemalige NRW-Ministerpräsident, Jürgen Rüttgers. Auch Winfried Kretschmann hat sich als Student dem CV angeschlossen, bevor er sich dann für einige Zeit in Richtung Maoismus verirrte. Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, ist CVer, wie sich überhaupt in der Jugendorganisation der Union viele Korporierte in verantwortlichen Ämtern finden lassen.

Und so könnte man die Liste der Namen immer weiter fortsetzen. Es wäre aber falsch, wenn man dahinter lediglich der Vernetzung zum Zweck der Karriere sehen würde. Es geht in den katholischen Korporationen vor allem um eine inhaltliche Prägung für ein ganzes Leben. Die jungen Füxe, so heißen die Aspiranten, bevor sie als Vollmitglieder aufgenommen werden, werden regelrecht im Sinne der Prinzipien geschult und so zu Katholiken erzogen, die ihren Glauben und die Verantwortung, die aus ihm erwächst, ernst nehmen. Das Besondere dabei: Anders als mittlerweile bei vielen anderen katholischen Verbänden findet das alles in der Regel auf der festen Grundlage des katholischen Lehramtes statt. Die Minister in der Regierung sind ein Beispiel dafür, dass diese Erziehungsarbeit Frucht trägt.          

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