Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung RTL-TV-Erfinder Helmut Thoma ist tot

Er glaubte an ein höheres Wesen, nicht an Gott

Einen wie ihn gibt es kein zweites Mal: Helmut Thoma entsprach einem von ihm selbst geschaffenen Bild des medialen Barockfürsten. Nun ist der RTL-Erfinder gestorben.
Früherer RTL Chef Helmut Thoma im Alter von 86 Jahren gestorben
Foto: IMAGO/Malte Ossowski/SVEN SIMON (www.imago-images.de) | Helmut Thomas seichtes Massenprogramm war ein spektakuläres Fernsehfeuer in den ersten Jahren, ein bis heute nachhaltiger Erfolg blieb ihm mangels substanzieller Inhalte mit hoher Bindungskraft verwehrt.

Helmut Thoma starb Anfang Mai mit 86 Jahren in Wien an einer Herzerkrankung. Aber kann jemand wirklich sterben, der einst dem deutschen Fernsehen das pralle Leben einhauchte? Ewiges Leben war ihm selbst nicht gänzlich fremd. Er glaubte als bekennender Freimaurer an ein höheres Wesen, an einen personalen Gott glaubte er nicht. Seiner Evangelischen Kirche hatte der Getaufte wegen der Steuern den Rücken gekehrt: „Schauen‘s, wenn ich sehe, dass ich für meine Kirchsteuer einen Wagen mit Chauffeur mir leisten kann, ist die Sach‘ doch klar!“

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Der Erfinder von RTL Television in Deutschland hat unseren Begriff von Fernsehen radikal verändert. Als gelernter Molkereigeselle, der in der Abendschule das Abitur nachholte und ein glänzendes Studium der Justiz einschließlich Promotion hinlegte, trennte er sauber zwischen Geschäft und Geschmack. Der umfassend gebildete und kulturell interessierte Thoma war eher selten Zuschauer seines eigenen Programms. Während der Wiener zuhause auf seinem Wohnzimmerregal Artefakte aus eigenen Raubgrabungen in Petra abstaubte, verschob er mit reinen Unterhaltungsshows, wo in anarchischer Freizügigkeit Busenblitzer statt Geistesblitze dominierten, die medialen Schamgrenzen. Und das in einer Zeit, in der die Regierung Kohl eigentlich die geistig-moralische Wende ausgerufen hatte.

Es ging um die Entmachtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der politisch verantwortliche Minister als RTL-Ermöglicher hieß Christian Schwarz-Schilling. 1982 wurde er als Postminister in die Kohl‘sche Bundesregierung berufen. Sieben Jahre später hieß das von ihm geleitete Ministerium „Bundesministerium für Post und Telekommunikation“. Unter seiner Leitung wurde in Deutschland das sogenannte Kabelfernsehen mit völlig neuen, technischen Übertragungsstandards wie dem Glasfaserkabel eingeführt, das Privatfernsehen zugelassen und der Mobilfunk lizenziert.

Die christdemokratischen Strategen in Kanzleramt und Ministerium verfolgten dabei Ziele, die weit über die technische Innovation und die kommerzielle Ausweitung des Angebots an sogenannten „Neuen Medien“ hinausgingen. Im Geheimen ging es um die Entmachtung des scheinbar allmächtigen, öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Radio und Fernsehen. Für Kohl und seine Entourage war klar, wo der Gegner zu suchen war: bei verhassten Blattmachern in Hamburg, die nun auch TV planten, und den „roten“ Polit-Magazinen „Report Baden-Baden“, „Panorama“ und „Monitor". In den öffentlich-rechtlichen Anstalten seien von neun Chefredakteuren sieben bis acht „Linke" gewesen, konstatierte Christian Schwarz-Schilling.

Das sollte nun anders werden. Einer der einflussreichen Strippenzieher im Hintergrund: der Christdemokrat Eduard Ackermann, immer auch gern gesehen bei seiner Bonner katholischen Studentenverbindung „Unitas Stolzenfels“. Mit der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler hatte er die Leitung der Abteilung 5 „Kommunikation, Dokumentation und politische Planung“ im Kanzleramt inne. RTLplus mit Helmut Thoma und SAT1 mit dem scheinbar allmächtigen Medienmogul Leo Kirch sollten als fein ausbalancierte Doppelspitze gegen eine linke Mediendominanz fungieren.

Das politische Klein-Klein war ihm herzlich egal

Doch es kam anders. Zwar war auf Leo Kirch Verlass, nach Strauß‘ Tod drohte hier auch nicht mehr die Gefahr einer Verortung des gebürtigen Franken jenseits des Weißwurst-Äquators. Aber RTLplus driftete in seinen schmalen journalistischen Formaten nach links, wie später eine wissenschaftliche Auswertung ergab. Sendungen wie „RTL aktuell“, „Hallo Europa“ oder „SPIEGEL TV“ hätten ungewöhnlich einseitig über die CDU informiert, ausgesprochen negativ sei die „Darstellung Bundeskanzler Kohls“ geraten.

In der Kölner RTLplus-Zentrale sprach sich der politische Befund aus Mainz herum. „Mir wurde um die Ohren geschlagen“, erinnerte sich Helmut Thoma, es gebe eine Bestätigung, dass RTLplus links sei. Davon hat sich der Sender bei vorwiegend konservativen Mediennutzern nie mehr erholt. Dabei hatte Kohl sogar versucht, Thoma ins SAT1-Lager hinüberzuziehen. 

Thomas RTL galt fortan als eher links, SAT1 eher der CDU nahe. Thoma selbst entsprach dagegen einem von ihm selbst geschaffenen Bild des medialen Barockfürsten. Mit erheblicher Leibesfülle und beglaubigter Kennerschaft für französische Grand-Cru-Lagen war dem dreimal verheirateten Fernsehmacher in Wahrheit das politische Klein-Klein herzlich egal. Für sein Privatleben bestimmend blieb in den Augen der Öffentlichkeit die glamouröse Danièle Milbert. Die Bankerin und RTL-Assistentin kehrte 2004 zu ihrem Helmut zurück, nachdem dieser sie 1998 wegen einer kurzlebigen Affäre verlassen hatte.

Faible für markante Persönlichkeiten

Dienstlich hatte Thoma ein Faible für markante Persönlichkeiten. Figuren wie den bunten, intelligent-kreativen Hugo Egon Balder oder den einfühlsam-instinktsicheren Hans Meiser ließ er zu programmprägenden Figuren wachsen. Aber nicht alles schätzte er richtig ein. Den ostdeutschen Journalisten Peter Escher lehnte er ab: „Den Escher, den brauchen mer net!“ Escher wurde darauf durch Vermittlung von Hans Meiser als Produzent zu einer der prominentesten Figuren im MDR-Programm der ARD, als treuhänderischer Anwalt spezieller Befindlichkeiten in den neuen Ländern.

Die Bilanz von RTL Television nach Thoma fällt ernüchternd aus. Nie konnte RTL die Dominanz der öffentlich-rechtlichen Sender brechen. Im Gegenteil: ARD und ZDF sind heute so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr. Beide Sender haben mit 13,5 Prozent jeweils eine doppelt so hohe Reichweite wie RTL, SAT1 liegt nur bei 4,6 Prozent.

Helmut Thomas seichtes Massenprogramm war ein spektakuläres Fernsehfeuer in den ersten Jahren, ein bis heute nachhaltiger Erfolg blieb ihm mangels substanzieller Inhalte mit hoher Bindungskraft verwehrt. Und: Einen wie Thoma gibt es kein zweites Mal.

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