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Der Verführer mit dem blütenweißen Kollar

Richard Chamberlain ist tot. Als der Schauspieler mit „Dornenvögel“ im deutschen TV richtig durchstartete, hatte die Kirche noch andere Sorgen als den Pflichtzölibat.
Dornenvögel, Chamberlain im Hintergrund
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Kann denn Liebe Sünde sein? Die Klischee-Frage zog sich auch durch den Plot von "Dornenvögel". Im Hintergrund Richard Chamberlain als Geistlicher Ralph de Bricassart.

Der exzellente Schauspieler war bei weitem mehr als „nur“ der Dornenvögel-Priester mit vor allem weiblichen Fans rund um den Globus. Die beiden Quatermain-Filme, in denen er einen draufgängerischen Abenteurer spielte, waren Action-Erfolge an der Kinokasse. Beim legendären Katastrophenfilm „Flammendes Inferno“ aus den Siebzigern, wo ein brennendes Hochhaus das Genre auf ein technisch und dramaturgisch neues Level hievt, gehörte Chamberlain zum exquisiten Cast mit Stars wie Paul Newman und Steve Mc Queen in den Hauptrollen. In den TV-Serien „Shogun“ und „Dr. Kildare“ mit sagenhaften 191 Folgen überzeugte er Kritiker wie Zuschauer. Sogar als Pop-Sänger war der gebürtige Kalifornier aus Los Angeles erfolgreich mit zwei Platzierungen in den US-Charts.

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Doch was hat es mit dem Geheimnis um den Erfolg der „Dornenvögel“ auf sich, mit ihm als gefeiertem Hauptdarsteller? Der Serienstart in Deutschland 1985 fiel in eine Zeit gleich mehrerer Umbrüche auf unterschiedlichen Ebenen. Gerade hatte sich das Privatfernsehen mit den neuen Privatsendern RTL und Sat1 etabliert, hier wurden die „Dornenvögel“ im Kabelfernsehen zuerst gezeigt. Sat1 war eine Hauptbeteiligung des aufsteigenden Medienmoguls Leo Kirch. Der gebürtige Würzburger und prinzipienfeste Katholik mit einer Vorliebe für Filmstoffe aus der Glaubenswelt war ein enger Freund von Helmut Kohl.  

Fast scheint es, als schwebten bis heute die „Dornenvögel“ über der Debatte

Die deutsche Erstausstrahlung der „Dornenvögel“ war wenig erfolgreich, zu dieser Zeit war die Durchschlagskraft von Produktionen nicht nur an Inhalt und Umsetzung gebunden, sondern auch an technische Erreichbarkeit. Die Serie um den Verführer mit dem blütenweissen Collar, der im komplizierten, erotischen Wechselspiel wohl auch zum Verführten wurde, floppte in Deutschland bei der Kabel-Premiere. Dabei hatte der österreichische ORF schon 1983 mit dem Erwerb der nationalen Ausstrahlungsrechte den richtigen Riecher. In der damals mehrheitlich katholisch-konservativen Alpenrepublik wurde die Verfilmung nach dem Roman der australischen Schriftstellerin Colleen McCullough von 1977 zum Straßenfeger. 3,6 Millionen Österreicher delektierten sich am ergreifenden Schicksal des Geistlichen und seinen komplizierten Familienverhältnissen. Bis heute ist die Serie der größte Erfolg in der Geschichte des ORF. 

Erst als sich auch in Deutschland mit der ARD ein großer öffentlich-rechtlicher Sender der Produktion annahm, kam es zum Durchbruch. Richard Chamberlain verführte als Ralph de Bricassart fast eine ganze Fernsehnation. Das positive Urteil der Zuschauer über alle Altersgruppen bestätigte die Bewertungen bei der Golden Globe-Verleihung der US-Fernsehindustrie ein Jahr zuvor. Die Romanadaption erhielt Auszeichnungen in den Kategorien beste Miniserie, beste männliche Hauptrolle, beste männliche Nebenrolle, beste weibliche Nebenrolle. Nominierungen gab es in den Kategorien „Bester Nebendarsteller“, „Beste Hauptdarstellerin“ und „Beste Nebendarstellerin“. Das Staraufgebot war beachtlich. Altstar Barbara Stanwyck, die später zu TV-Serien fand und dort Erfolge feierte (Big Valley, Denver Clan), gehörte genauso dazu wie die junge Rachel Ward in der Frühzeit ihrer Karriere.

Und genau diese beiden Frauen bilden die erotische Klammer der Schicksalserzählung vom „gefallenen“ Geistlichen. Mary Carson, eine verwitwet-verbitterte Großgrundbesitzerin, vermacht dem jungen Priester Ralph, den sie verehrt, ein Vermögen. Schon damals zeichnet sich ab, dass Nichte Meggie ein Auge auf den schmucken Mann Gottes geworfen hatte. Der erste Kuss zwischen der jugendlichen Schönen und dem zölibatär gebundenen Geistlichen: eher unschuldige Begegnung als forcierte Leidenschaft. Gleichwohl dürfte heute mit dieser frühen Szene ein Missbrauchsdelikt zur Diskussion stehen. Dass es dann später zum Vollzug der Liebe mit Folgen kommt, betrifft dann nicht mehr das weltliche Strafrecht, sondern das Kirchenrecht. Obsiegende Liebeslust versus Zölibat: fast scheint es bisweilen, als schwebten bis heute gelegentlich die „Dornenvögel“ über der Debatte um Priesterehe und Pflichtzölibat. 

Die öffentlich diskutierten Sorgen der Katholischen Kirche in Deutschland damals Anfang der Achtziger waren dagegen eher politische, Mauer und Stacheldraht statt Dornenvögel. Berlins Bischof Meisner war gerade zum Kardinal ernannt worden und musste sich der Angriffe und Repressionen des DDR-Staats erwehren. Verantwortlich war damals übrigens der 70 Jahre alte SED-Kommunist Klaus Gysi als Staatssekretär mit Zuständikeit für Kirchenfragen, und:  Vater von Gregor Gysi.

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