Beim Dating tauschen sich die Partner natürlich auch über ihre Hobbys aus. Wir wissen nicht, wie es bei Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine war. Aber man kann sich vorstellen, wenn er eine seiner Leidenschaften genannt haben sollte, dürften ihre Augen geleuchtet haben: die Zerstörung von Parteien. Lafontaines Meisterstück in dieser Disziplin war die SPD. Durch seinen Rücktritt als Finanzminister und Parteivorsitzender brachte er die Sozis nachhaltig ins Trudeln. Als er dann später die Gegner der Schröderschen Agenda aus der WASG in die PDS führte und so die Linkspartei mitkreierte, schuf er für die alte Tante, die er so schnöde verlassen hatte, eine zumindest für eine Weile jünger wirkende und vor allem linkere Konkurrenz. Der Verfall der SPD als Volkspartei begann irgendwann in dieser Zeit. Beim Schlusskapitel der Geschichte der Linkspartei ist dann allerdings schon Sahra Wagenknecht die Hauptautorin, Lafontaine war, wenn überhaupt, nur noch der Ghostwriter. Die Wahlen haben es gezeigt: Die Linke, zeitweise so etwas wie „die CSU des Ostens“, muss mittlerweile froh sein, wenn sie es überhaupt noch in ein Parlament schafft. Wagenknecht hat der Partei ihre alten Lebensgeister entzogen und als Morgengabe in ihr neues Bündnis eingebracht.
Wagenknecht, die Anti-Merkel
Genau diese alten Lebensgeister sind das Problem, das jetzt in die nächste Partei einen Spalt zu treiben scheint. Die CDU zerstreitet sich darüber, ob sie mit dem BSW zusammenarbeiten kann. Und genau der Lafontaine-Wagenknecht-Erbteil ist es, der nicht wenige Schwarze an dem Bündnis stört. Das ist ja auch kein Wunder: Die CDU ist „die“ Bundesrepublik-Partei: Westbindung, europäische Einigung, Treue zum Nato-Bündnis und natürlich die Soziale Marktwirtschaft – dieser Rahmen, der zumindest die letzten sieben Jahrzehnte für die Bundesrepublik galt, wurde von Christdemokraten gesetzt. Aber jetzt ist alles anders. Nichts, was früher für die Ewigkeit zu gelten schien, ist noch selbstverständlich. Stehen wir auf der Schwelle zu einer anderen Republik? Zumindest sehen das die Christdemokraten so, die am Mittwoch öffentlich einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW forderten. Einige von ihnen, nicht alle, gehören zu den prononcierten Anhängern der Alt-Kanzlerin. Die alte Republik – zu deren Erbe gehören für sie nicht nur Adenauer und Kohl, sondern auch Merkel. Insofern sind sie sogar in gewisser Weise konservativ, wollen sie doch genau dieses Bild von der Bundesrepublik für die Zukunft erhalten.

Ganz anders sehen das wiederum die Konservativen in der Union, die sich auch selbst so nennen. Sie erkennen in der Merkel-Ära den großen Bruch. Das führt bei nicht wenigen von ihnen zu einer seltsamen Aufgeschlossenheit für Wagenknecht. Sie sehen in ihr wohl vor allem die Anti-Merkel, finden Geschmack an ihren gesellschaftspolitischen Positionen. Die Haltung des BSW zu Putin können sie eigentlich nicht ignorieren. Immer mehr von ihnen versuchen es aber: Lasst uns doch mal ein linkes Auge zudrücken.
Waren Wagenknecht und Lafontaine bei der Umgestaltung des deutschen Parteienspektrums so wichtig, dass es ohne sie anders verlaufen wäre? Oder waren sie nur die Agenten einer Grundstimmung, die sowieso in der Luft lag? Hier können dann die Geschichtsphilosophen übernehmen.
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