Im Folgenden dokumentieren wir die Katechese bei der heutigen Generalaudienz von Papst Leo XIV.:
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen! Heute möchte ich euch einladen, über einen überraschenden Aspekt der Auferstehung Christi nachzudenken: seine Demut. Wenn wir an die Evangelienberichte zurückdenken, stellen wir fest, dass der auferstandene Herr nichts Spektakuläres tut, um sich dem Glauben seiner Jünger aufzudrängen. Er erscheint nicht umgeben von Scharen von Engeln, vollbringt keine sensationellen Taten, hält keine feierlichen Reden, um die Geheimnisse des Universums zu enthüllen. Im Gegenteil, er nähert sich diskret, wie ein gewöhnlicher Wanderer, wie ein hungriger Mann, der um ein Stück Brot bittet (vgl. Lk 24,15.41).
Maria Magdalena hält ihn für einen Gärtner (vgl. Joh 20,15). Die Jünger von Emmaus glauben, er sei ein Fremder (vgl. Lk 24,18). Petrus und die anderen Fischer halten ihn für einen gewöhnlichen Passanten (vgl. Joh 21,4). Wir hätten Spezialeffekte, Zeichen der Macht, überwältigende Beweise erwartet. Aber der Herr sucht das nicht: Er bevorzugt die Sprache der Nähe, der Normalität, des gemeinsamen Tisches.
„Auferstehen bedeutet, in eine tiefere Gemeinschaft mit Gott einzutreten“
Brüder und Schwestern, darin liegt eine wertvolle Botschaft: Die Auferstehung ist kein theatralischer Coup, sondern eine stille Verwandlung, die jede menschliche Geste mit Sinn erfüllt. Der auferstandene Jesus isst vor seinen Jüngern ein Stück Fisch: Das ist kein nebensächliches Detail, sondern die Bestätigung, dass unser Körper, unsere Geschichte, unsere Beziehungen keine Hülle sind, die man wegwerfen kann. Sie sind für die Fülle des Lebens bestimmt. Auferstehen bedeutet nicht, zu flüchtigen Geistern zu werden, sondern in eine tiefere Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern und Schwestern einzutreten, in eine durch die Liebe verwandelte Menschheit.
Am Osterfest Christi kann alles zur Gnade werden. Selbst die gewöhnlichsten Dinge: essen, arbeiten, warten, das Haus pflegen, einen Freund unterstützen. Die Auferstehung befreit das Leben nicht von Zeit und Mühe, sondern verändert seinen Sinn und seinen „Geschmack”. Jede Geste, die in Dankbarkeit und Gemeinschaft vollzogen wird, nimmt das Reich Gottes vorweg.
„Unter der Asche der Enttäuschung liegt eine glühende Kohle“
Es gibt jedoch ein Hindernis, das uns oft daran hindert, diese Gegenwart Christi im Alltag zu erkennen: die Erwartung, dass Freude frei von Verletzungen sein muss. Die Jünger von Emmaus gehen traurig, weil sie auf ein anderes Ende gehofft hatten, auf einen Messias, der das Kreuz nicht kannte. Obwohl sie gehört haben, dass das Grab leer ist, können sie nicht lächeln. Aber Jesus setzt sich zu ihnen und hilft ihnen geduldig zu verstehen, dass der Schmerz nicht die Widerlegung der Verheißung ist, sondern der Weg, auf dem Gott das Ausmaß seiner Liebe offenbart hat (vgl. Lk 24,13-27).
Als sie schließlich mit ihm zu Tisch sitzen und das Brot brechen, gehen ihnen die Augen auf. Und sie merken, dass ihr Herz schon brannte, auch wenn sie es nicht wussten (vgl. Lk 24,28-32). Das ist die größte Überraschung: zu entdecken, dass unter der Asche der Enttäuschung und der Müdigkeit immer eine glühende Kohle liegt, die nur darauf wartet, wieder entfacht zu werden.
„Keine Entfernung könnte die Kraft der Liebe Gottes auslöschen“
Brüder und Schwestern, die Auferstehung Christi lehrt uns, dass es keine Geschichte gibt, die so sehr von Enttäuschung oder Sünde geprägt ist, dass sie nicht von Hoffnung heimgesucht werden könnte. Kein Sturz ist endgültig, keine Nacht ist ewig, keine Wunde bleibt für immer offen. Wie weit wir uns auch entfernt, verloren oder unwürdig fühlen mögen, es gibt keine Entfernung, die die unerschütterliche Kraft der Liebe Gottes auslöschen könnte.
Manchmal denken wir, dass der Herr uns nur in Momenten der Besinnung oder der spirituellen Inbrunst besucht, wenn wir uns seiner würdig fühlen, wenn unser Leben geordnet und strahlend erscheint. Stattdessen kommt der Auferstandene gerade an den dunkelsten Orten zu uns: in unseren Misserfolgen, in unseren zerbrochenen Beziehungen, in den täglichen Mühen, die auf unseren Schultern lasten, in den Zweifeln, die uns entmutigen. Nichts von dem, was wir sind, kein Fragment unseres Daseins ist ihm fremd.
„Geduldig wartet er auf den Moment, in dem sich unsere Augen öffnen“
Heute steht der auferstandene Herr jedem von uns zur Seite, gerade wenn wir unsere Wege gehen – die der Arbeit und des Engagements, aber auch die des Leidens und der Einsamkeit – und bittet uns mit unendlicher Zartheit, uns das Herz erwärmen zu lassen. Er drängt sich nicht lautstark auf, er verlangt nicht, sofort erkannt zu werden. Geduldig wartet er auf den Moment, in dem sich unsere Augen öffnen, um sein freundliches Antlitz zu erkennen, das in der Lage ist, Enttäuschung in vertrauensvolle Erwartung, Traurigkeit in Dankbarkeit, Resignation in Hoffnung zu verwandeln.
Der Auferstandene möchte nur seine Gegenwart offenbaren, unser Wegbegleiter sein und in uns die Gewissheit entfachen, dass sein Leben stärker ist als jeder Tod. Bitten wir also um die Gnade, seine demütige und diskrete Gegenwart zu erkennen, kein Leben ohne Prüfungen zu erwarten und zu entdecken, dass jeder Schmerz, wenn er von Liebe erfüllt ist, zu einem Ort der Gemeinschaft werden kann.
Und so kehren auch wir, wie die Jünger von Emmaus, mit einem Herzen voller Freude nach Hause zurück. Eine einfache Freude, die die Wunden nicht auslöscht, sondern sie erhellt. Eine Freude, die aus der Gewissheit entsteht, dass der Herr lebt, mit uns geht und uns in jedem Augenblick die Möglichkeit gibt, neu anzufangen.
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