Im folgenden dokumentieren wir die Katechese bei der heutigen Generalaudienz von Papst Leo XIV:
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Der Mittelpunkt unseres Glaubens und das Herzstück unserer Hoffnung sind fest in der Auferstehung Christi verwurzelt. Wenn wir die Evangelien aufmerksam lesen, erkennen wir, dass dieses Geheimnis nicht nur deshalb erstaunlich ist, weil ein Mensch – der Sohn Gottes – von den Toten auferstanden ist, sondern auch wegen der Art und Weise, wie er dies getan hat. Tatsächlich ist die Auferstehung Jesu kein triumphaler Sieg, keine Rache oder Vergeltung gegenüber seinen Feinden. Sie ist das wunderbare Zeugnis dafür, wie die Liebe nach einer großen Niederlage wieder aufstehen kann, um ihren unaufhaltsamen Weg fortzusetzen.
Wenn wir uns nach einem von anderen verursachten Trauma wieder aufrichten, ist unsere erste Reaktion oft Wut – der Wunsch, jemanden für das bezahlen zu lassen, was wir erlitten haben. Der Auferstandene reagiert nicht so. Nachdem er aus der Unterwelt des Todes hervorgegangen ist, übt Jesus keine Rache. Er kehrt nicht mit Gesten der Macht zurück, sondern zeigt mit Sanftmut die Freude einer Liebe, die größer ist als jede Wunde und stärker als jeder Verrat.
Der Auferstandene verspürt kein Bedürfnis, seine Überlegenheit zu bekräftigen oder zu behaupten. Er erscheint seinen Freunden – den Jüngern – und tut dies mit äußerster Diskretion, ohne ihre Aufnahmefähigkeit zu überfordern. Sein einziger Wunsch ist es, wieder mit ihnen in Gemeinschaft zu sein und ihnen zu helfen, ihre Schuldgefühle zu überwinden. Wir sehen dies sehr deutlich im Abendmahlssaal, wo der Herr seinen Freunden erscheint, die sich aus Angst dort eingeschlossen haben. Es ist ein Moment von einer außergewöhnlichen Kraft: Nachdem Jesus in die Tiefen des Todes hinabgestiegen ist, um diejenigen zu befreien, die dort gefangen waren, betritt er den verschlossenen Raum derer, die vor Angst gelähmt sind, und bringt ein Geschenk mit, das niemand zu hoffen gewagt hätte: den Frieden.
Sein Gruß ist einfach, fast gewöhnlich: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Aber er wird von einer Geste begleitet, die so schön ist, dass sie fast unpassend erscheint: Jesus zeigt den Jüngern seine Hände und seine Seite mit den Zeichen seines Leidens. Warum zeigt er seine Wunden gerade denen, die ihn in diesen dramatischen Stunden verleugnet und verlassen haben? Warum verbirgt er diese Zeichen des Schmerzes nicht und vermeidet es nicht, an die Wunde der Scham zu rühren?
„Er fordert nichts, er erpresst nicht. Seine Liebe ist keine, die demütigt“
Und dennoch sagt das Evangelium, dass die Jünger sich freuten, als sie den Herrn sahen (vgl. Joh 20,20). Der Grund dafür ist tiefgreifend: Jesus ist nun vollständig ausgesöhnt mit allem, was er gelitten hat. Es gibt keinen Schatten von Groll. Die Wunden dienen nicht dazu, Vorwürfe zu machen, sondern eine Liebe zu bestätigen, die stärker ist als jede Untreue. Sie sind der Beweis dafür, dass Gott gerade in dem Moment, als wir versagt haben, nicht zurückgewichen ist. Er hat uns nicht aufgegeben.
So zeigt sich der Herr bloss und unbewaffnet. Er fordert nichts, er erpresst nicht. Seine Liebe ist keine, die demütigt; es ist der Friede dessen, der aus Liebe gelitten hat und nun endlich sagen kann, dass es sich gelohnt hat.
Wir hingegen verbergen oft unsere Wunden aus Stolz oder aus Angst, schwach zu erscheinen. Wir sagen „es ist egal”, „es ist alles Vergangenheit”, aber wir haben nicht wirklich Frieden mit dem Verrat, durch den wir verletzt wurden. Manchmal ziehen wir es vor, unsere Mühe mit dem Vergeben zu verbergen, um nicht verletzlich zu erscheinen und nicht zu riskieren, erneut zu leiden. Jesus nicht. Er bietet seine Wunden als Garantie für Vergebung an. Und er zeigt, dass die Auferstehung nicht die Auslöschung der Vergangenheit ist, sondern ihre Verwandlung in eine Hoffnung auf Barmherzigkeit.
Dann wiederholt der Herr: „Friede sei mit euch!“ Und er fügt hinzu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (V. 21). Mit diesen Worten vertraut er den Aposteln eine Aufgabe an, die weniger eine Macht als vielmehr eine Verantwortung ist: in der Welt Werkzeuge der Versöhnung zu sein. Als würde er sagen: „Wer könnte das barmherzige Antlitz des Vaters verkünden, wenn nicht ihr, die ihr Versagen und Vergebung erfahren habt?“
Jesus haucht sie an und schenkt ihnen den Heiligen Geist (V. 22). Es ist derselbe Geist, der ihn im Gehorsam gegenüber dem Vater und in der Liebe bis zum Kreuz getragen hat. Von diesem Moment an können die Apostel nicht mehr schweigen über das, was sie gesehen und gehört haben: dass Gott vergibt, wieder aufrichtet, Vertrauen schenkt.
Das ist der Kern der Sendung der Kirche: nicht Macht über andere auszuüben, sondern die Freude dessen zu vermitteln, der geliebt wurde, gerade als er es nicht verdient hatte. Das ist die Kraft, die die christliche Gemeinschaft entstehen und wachsen ließ: Männer und Frauen, die die Schönheit entdeckt haben, zum Leben zurückzukehren, um es anderen schenken zu können.
Liebe Brüder und Schwestern, auch wir sind ausgesandt. Auch uns zeigt der Herr seine Wunden und sagt: Friede sei mit euch. Habt keine Angst, eure durch die Barmherzigkeit geheilten Wunden zu zeigen. Fürchtet euch nicht, denen nahe zu sein, die in Angst oder Schuldgefühlen gefangen sind. Möge der Hauch des Heiligen Geistes auch uns zu Zeugen dieses Friedens und dieser Liebe machen, die stärker sind als jede Niederlage.
Deutsche Übersetzung von Vatican Media.
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