Grégor Puppinck, Vorsitzender des European Center for Law and Justice (ECLJ), erklärt in einem Gespräch mit dem Magazin L’Incorrect, wie es zu der Annahme des Matic-Berichts überhaupt kommen konnte: Im Europäischen Parlament hätten sich seit einigen Jahren die Kräfteverhältnisse verändert, es sei heute im Jahr 2021 „weniger konservativ als noch 2013“, als über den Estrela-Bericht abgestimmt worden war. Dieser habe dem jetzigen Matic-Bericht sehr geähnelt.
Damals abgelehnt
Doch damals „hatten die Konservativen im Parlament die Mehrheit, daher wurde er abgelehnt. Heute ist es genau umgekehrt, deshalb konnte der Matic-Bericht angenommen werden – trotz einer starken Mobilisierung rechter Parteien, insbesondere der Fraktionen „Identität und Demokratie“ (ID) und der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR)“. Die Fraktion der „Europäischen Volkspartei“ (Christdemokraten, EVP) habe mit zwei Drittel ihrer Stimmen den Bericht abgelehnt. Man könne daher sagen, so stellt Puppinck fest, dass es in Bezug auf die Abtreibung, „einen Block der Mitte und einen sehr starken Block der Linken gibt, sowie eine schwächere konservative Rechte“.
Sodann sei die Abtreibungslobby „besonders gut organisiert und verfügt über beträchtliche finanzielle Mittel. Die Annahme dieser Resolution ist das Ergebnis einer umfangreichen Lobbyarbeit der abtreibungsbefürwortenden Verbände innerhalb des Europäischen Parlaments. Die Abtreibungslobby verfügt hier über ein Dutzend vollzeitbeschäftiger Personen“.
Nicht verbindlich
Der Matic-Bericht sei zwar für die einzelnen Staaten nicht verbindlich. Dennoch werden seine Auswirkungen von großer Bedeutung sein. Er werde das Handeln der Europäischen Kommission bestimmen: Diese „wird ihr Vorgehen bei der Verbreitung der Abtreibung im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe-Politik verschärfen, vor allem in Afrika“. Der Bericht sei darüber hinaus „ein wichtiger politischer Marker. Bald kommt es am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zu einer Entscheidung über die Abtreibung, und die Abtreibungsförderer werden nicht versäumen, das Abstimmungsergebnis zum Matic-Bericht im Europäischen Parlament anzuführen“.
Die von den Abtreibungsförderern vorgebrachten Argumente seien stets die gleichen: „Abtreibung hat keine Auswirkungen, verursacht keine Folgeschäden – und im Gegenteil, Abtreibung ist Teil der Gesundheit“. Zum Beispiel habe die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit, Tlaleng Mofokeng – eine militante Befürworterin von Abtreibungen, die sie als Ärztin auch zehn Jahre lang selbst durchgeführt hat -, erklärt: „Abtreibung ist ein großherziger Akt“. Man versuche mit allen Mitteln, so stellt Puppinck fest, „Abtreibung als etwas Gutes für die Gesundheit und als etwas Nützliches darzustellen. Umgekehrt präsentieren sie den fehlenden Zugang zur Abtreibung als eine Art Folter. Doch es gibt Studien, die den negativen Effekt der Abtreibung auf Frauen, die abgetrieben haben, belegen“.
Kritischen Diskurs unterbinden
Doch es gehe hierbei nicht nur um eine Verharmlosung der Abtreibung, man wolle sie vielmehr „als etwas Normales und Positives darstellen“. Jegliche Gesetzgebung, die sich mit Abtreibung befasse, müsse infolgedessen gestrichen werden. Medien und soziale Medien werden im Matic-Bericht dazu aufgerufen, „Desinformationen und Fehlinformationen“ abzulehnen, was - Puppinck zufolge - darauf abziele, „jeglichen kritischen Diskurs gegenüber der Abtreibung zu unterbinden. Mit dieser Resolution legen sie die Grundlagen, die es ihnen ermöglichen, alle vor ihrer Politik aufgerichteten Hürden zu beseitigen. Eine dieser Grundlagen ist die Rechtfertigung der Beschränkung der Meinungsfreiheit in Bezug auf die Abtreibung. Grünes Licht schließlich für die Zensur“.
Eugenische Pflicht
Wir seien glücklicherweise zwar noch nicht bei Zwangsabtreibungen angelangt, „noch befinden wir uns im Stadium der Förderung eines ‚Rechts auf Abtreibung‘“. Aber, so meint Puppinck, es existiere bereits eine „gewisse ‚Pflicht abzutreiben‘, vor allem in eugenischer Hinsicht. Wenn Frauen mit einem behinderten Kind schwanger sind, werden sie zur Abtreibung gedrängt. Oder auch dann, wenn sie jung schwanger werden. Schon jetzt ist dieser Druck auf die Frauen stark, und der Umweltdiskurs macht es nur noch schlimmer. Die Tatsache, dass Abtreibung als eine in sich ‚gute‘ Praktik dargestellt wird, ist ganz allgemein ein Druck, der ausgeübt wird (denn warum sollte man denn ein Tun ablehnen, das gut ist?)“.
Wenn man Abtreibung verharmlost, so Puppinck weiter, „kann man die Frauen zur Abtreibung drängen, man kann sie zwingen – insbesondere der Arbeitgeber, die Eltern oder sogar der Ehemann. Die Leute sind sich nicht im Klaren darüber, was sie tun, sie sind sich nicht über die Schwere des Zwanges bewusst, den sie auf die Frau ausüben. Die verharmloste Abtreibung führt zur Zwangsabtreibung“. DT/ks
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