Der Wiener Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit zeigt sich entrüstet über Putins Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur „Entnazifizierung“ der Ukraine. Wie Kathpress am Mittwoch berichtete, veröffentlichte der Ausschuss ein Grußwort zum diesjährigen Osterfest der Christen und dem Pessachfest der Juden, in dem es heißt: „Wir sind empört über die missbräuchliche Verwendung des Begriffs und beten gemeinsam mit Menschen aller Glaubensrichtungen um Frieden.“ Damit steht der Koordinierungsausschuss nicht alleine da.
Brisantes Gemisch aus realen Erfahrungen und konstruierten Bildern
Gegenüber der Tagespost äußerten weitere Vertreter jüdischer Verbände ihren Unmut über die Aussage des russischen Machthabers. Bayerns Antisemitismusbeauftragter Dr. Ludwig Spaenle spricht von einer „eiskalten Propaganda eines Autokraten“, der den Begriff der „Entnazifizierung“ bewusst missbrauche, um „seine menschenversachtende Aggressionspolitik zu verschleiern und zu rechtfertigen sowie im eigenen Land Unterstützung für seine Kriegspolitik zu erzeugen“.
Zudem träfen hier konstruierte Bilder mit überkommenen Erfahrungen zusammen: In Teilen der Bevölkerung sei „die Erfahrung mit den Nationalsozialismus und dem Überfall des NS-Regimes auf ihr Land im Zweiten Weltkrieg noch lebendig“. Die Loslösung des Begriffs „Entnazifizierung“ vom historischen Kontext sei eine höchst gefährliche Maßnahme, ein brisantes Gemisch, „das sich auch gegen Jüdinnen und Juden richten kann“.
Absurdität von Präsident Putins Reden
Die Tatsache, dass sich jüdische Gemeinden in Deutschland mit größtem Engagement für die Flüchtlinge einsetzten, beweise die Absurdität von Präsident Putins Reden über eine angebliche „Entnazifizierung“, meint Spaenle und fügt trocken hinzu: „Ukraines Präsident Selenskij ist Jude, er ist kein Nazi.“
Deutlichere Worte fand der Präsident der „World Union for Progressive Judaism Jerusalem“, Rabbiner Sergio Bergman: „Hier in Deutschland sage ich: Putin kommt meiner Vorstellung von einem Nazi ziemlich nahe“, sagte er. Putin entweihe mit seinem Reden das Andenken der Opfer der Shoa und die Würde und Souveränität des ukrainischen Volkes, so Bergmann.
Engagement für den Exodus aus der Ukraine
Auch der Gründer und Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, Walter Homolka, zeigte sich empört. Auch für ihn ist Putins Reden von der Entnazifizierung der Ukraine eine fadensscheinige Methode, um den Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen. Das Hauptaugenmerk des Rabbiners und Professors gilt aber nicht Putins Bemerkungen, sondern vor allem „den vielen Geflüchteten, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen“.
Das Pessachfest, eines der wichtigsten Feste der Juden, sei in diesem Jahr „geprägt von unserem Engagement für den Exodus aus der Ukraine“, so Homolka, der sein Kolleg als eine Art Leitstelle nutzen möchte, um qualifizierte Hilfe für Flüchtlinge anzubieten und ihnen zu helfen, ein neues Zuhause zu finden – ganz im Sinne des Pessah-Festes, an dem die Juden sich erinnert, wie Gott das Volk Israel aus der Sklaverei befreit und in die Freiheit geführt hat. Einer seiner ersten Helfer war Alexander Kovtun, der am Potsdamer Kolleg studiert. Der 31-jährige angehende Rabbiner stammt aus der südlichen Ukraine und hilft in den Flüchtlingszügen bei der Orientierung in Deutschland.
Der russische Machthaber Wladimir Putin hatte in Zusammenhang mit dem von ihm als „militärische Spezialoperation“ bezeichneten Krieg immer wieder von einer „Entnazifizierung“ der Ukraine gesprochen. Zuletzt verwendete er den Begriff am Dienstag bei einem seltenen öffentlichen Auftritt im Weltraumbahnhof Wostotschnyj im Osten Russlands. Dort erklärte Putin, der Westen habe „Nationalismus und Neonazismus“ in der Ukraine gefördert. Der „Neonazismus“, so der Präsident, sei zu einem „Fakt des Lebens“ geworden. Die „militärische Spezialoperation“ sei dazu da, um den Menschen in der Ukraine zu „helfen“ und sie „vor den Nazis“ zu retten.
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