Vatikanstadt

Ein Ringen um Worte zum Krieg im Vatikan

Rücksicht auf Patriarch Kyrill? Es hat etwas gedauert, bis der Vatikan eine ganz klare Sprache fand, um den Angriff Russlands auf die Ukraine zu verurteilen.
Papst Franziskus  fordert ein Kriegsende in der Ukraine
Foto: Andrew Medichini (AP) | Papst Franziskus spricht das Angelusgebet auf dem Petersplatz. Der Papst fordert ein Kriegsende in der Ukraine.

Ob es eine Geschmacklosigkeit oder ein besonders intelligentes Spiel mit Bild und Sprache war, mag dahin gestellt bleiben. Jedenfalls machte der italienische „Osservatore Romano“, die Zeitung des Papstes, die man nur noch über das Internet konsumiert, in ihrer Ausgabe vom 10. März auf Seite eins mit der Headline „Militärische Spezialoperation“ auf und zeigte dazu das Foto der verletzten schwangeren Frau, deren Bilder nach dem russischen Angriff auf das Kinderkrankenhaus von Mariupol um die Welt gegangen waren. Die Redaktion der Zeitung wird hoffentlich gewusst haben, warum sie den trügerischen Namen als Schlagzeile wählte, den Wladimir Putin seinem Angriffskrieg auf die Ukraine gegeben hat.

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Schmutziger Krieg

Jedenfalls war es für den Chefredakteur der Vatikan-Medien, Andrea Tornielli, zwei Tage später an der Zeit, einen Leitartikel im „Osservatore Romano“ und gleichlautend auf „Vatican News“ zu veröffentlichen, in dem er die Dinge dann bei ihrem Namen nannte. Ausgehend von dem Besuch von Papst Franziskus in der vom Islamischen Staat zerstörten Mosul vor einem Jahr kam er schnell auf das zu sprechen, was der Krieg Putins tatsächlich ist: „Die tragischen Konsequenzen des schmutzigen Kriegs in der Ukraine, der heuchlerischer Weise als ,militärische Spezialoperation‘ definiert wird, stehen der ganzen Welt vor Augen – mit ihrem Gewicht an Schmerz, Leiden, den zerfetzten Leibern, den getöteten Kindern, den getrennten Familien, den Millionen von Flüchtlingen, die alles zurücklassen müssen, um vor den Bomben zu fliehen, den in Schlachtfelder verwandelten Städten und den aufgerissenen und verbrannten Wohnungen. Ganz zu schweigen von den Verletzungen der Herzen, die Jahre brauchen, um zu heilen.“

Das waren dann also mal deutliche Worte, um das zu beschreiben, was in der Ukraine vor sich geht. Auffällig war, dass sich der Vatikan zu Beginn des heißen Kriegs Russlands zurückgehalten hat – vor allem in den Äußerungen des Papstes. Das ging so weit, dass in den Medien vom „Schweigen“ die Rede war, mit dem Franziskus auf den Krieg reagiere. Spätestens bei der Generalaudienz eine Woche nach Beginn des russischen Angriffs hätte man sich von ihm klare Worte erwartet. Erst am Ende, als ein Pater schließlich die Zusammenfassung der päpstlichen Katechese über die alten Menschen auch in polnischer Sprache vortrug, wandte sich Franziskus frei an das Auditorium, wies darauf hin, dass der Pater aus der Ukraine komme, seine Eltern in Kellern Schutz vor den Bomben suchten und man in Gedanken bei dem ganzen Volk sei, das unter den Bombardierungen leide.

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Stärkere Aussagen gewünscht 

Viele Menschen hätten sich vermutlich stärkere Aussagen des Papstes zum Ukraine-Krieg und Russland gewünscht. Bis dahin war den italienischen Medien nur zu entnehmen, dass der für die Beziehungen zu den Staaten zuständige Leiter der zweiten Sektion des Staatssekretariats, Erzbischof Paul Richard Gallagher, zu einem Gedankenaustausch über den Krieg mit dem italienischen Außenminister Luigi di Maio zusammengekommen war. Zuvor hatte Papst Franziskus den in direkter Nähe des Vatikans residierenden russischen Botschafter beim Heiligen Stuhl zu einem halbstündigen Gespräch aufgesucht – und Franziskus hatte mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Dennoch fiel auf, dass der Papst den Gewaltakt Russlands gegenüber der Ukraine eine Woche lang öffentlich nicht ausdrücklich erwähnt oder gar verurteilt hatte.

Ob das daran lag, dass der Papst noch eine gewisse Zeit lang hoffte, den Moskauer Patriarchen Kyrill für eine Friedensinitiative zu gewinnen? Es hatte Hoffnungen gegeben, dass Franziskus und das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche im kommenden Sommer ihrem Treffen von Havanna 2016 eine weitere persönliche Begegnung folgen lassen. Da Kyrill mit seiner Identifikation von russischer Kirche und russischem Staat Putin alle Möglichkeiten gab, sich der orthodoxen Kirche seines Landes propagandistisch ungehemmt zu bedienen, und der Moskauer Patriarch zugleich einen Konflikt mit den ukrainischen Orthodoxen in Kauf nahm, war für den Vatikan der ohnehin schon schwache Draht zur Moskauer Kirchenführung nochmals gefährdet.

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Erst spät beim Namen genannt

Aber am Sonntag in der zweiten Kriegswoche, kurz vor den Exerzitien der Römischen Kurie, ließ der Papst dann alle ökumenischen Rücksichten fallen und nannte den Krieg beim Namen. „In dem Land fließen Ströme von Blut und Tränen“, sagte er zu Beginn seiner Ansprache nach dem Angelus, „es handelt sich nicht nur um eine Militäroperation, sondern um Krieg, der den Tod, Zerstörung und Not sät“. Ohne den Namen des Aggressors zu nennen, klagte der Papst über die immer zahlreicher werdenden Opfer und über die Flüchtlinge, „vor allem Mütter und Kinder“. In der „gemarterten“ Ukraine wachse von Stunde zu Stunde die Notwendigkeit menschlicher Hilfe. Möge man zur Respektierung des internationalen Rechts, zurückkehren, bat der Papst. Der Heilige Stuhl sei bereit, „alles zu tun, um diesem Frieden zu dienen!“

Auch gab Franziskus bekannt, dass er zwei Kurienkardinäle in die Ukraine entsandt habe, Konrad Krajewski, den Leiter der Almosenverwaltung des Vatikans, und Michael Czerny SJ, den Interims-Präfekten des Dikasteriums für die umfassende Entwicklung des Menschen. Und am Dienstag darauf hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Gelegenheit, dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in einem Telefongespräch die Forderung des Papstes persönlich zu erläutern, die Angriffe auf die Ukraine sofort einzustellen. Der Vatikan hat sich damit klar positioniert. Und das Editorial des „Osservatore Romano“ vom vergangenen Samstag fand dann auch klare Worte um auszudrücken, wie „schmutzig“ der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist. Aber das anvisierte Treffen von Franziskus mit Kyrill ist in weite Ferne gerückt.

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