In der dramatischsten Krise seit dem Ende des Kalten Krieges sehen sich die Spitzen der Europäischen Union. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, kritisierte am Mittwochvormittag im Europäischen Parlament in Straßburg Russland, das bereits einen Teil des ukrainischen Staatsgebietes annektiert habe und das Nachbarland destabilisiere. Russland habe die Ukraine „mit außergewöhnlichen militärischen Kräften umzingelt“ und gefährde nicht nur die Stabilität der Ukraine, sondern den Frieden in Europa.
„Wir arbeiten so intensiv zusammen, wie dies in den letzten Jahren nie der Fall war“, beschrieb Michel die europäische und transatlantische Zusammenarbeit. „Wir drängen Russland, transparente und direkte Schritte zur Deeskalation zu unternehmen.“ Gleichzeitig arbeite man an möglichen Sanktionen: Im Fall einer militärischen Aggression „müssten die Kosten für Russland sehr hoch sein“. Europas Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine sei politischer und finanzieller Art, denn schon jetzt entstehe ein tagtäglicher Schaden für die Wirtschaft der Ukraine. Michel schlug eine Geberkonferenz vor, um die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Wirtschaft zu stärken.
Ukraine heute souveräner, stärker und unabhängiger
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen meinte in Straßburg, der Kreml bedrohe die Ukraine mit Krieg, weil er die Souveränität des Nachbarn nicht akzeptiere. Die Ukraine sei heute souveräner, stärker, unabhängiger und demokratischer als 2014. „Das ist genau das, was der Kreml nicht akzeptieren kann.“ Die Europäische Union und die transatlantische Partnerschaft seien in der aktuellen Krise geeint. Die EU müsse ihre Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren und auf alternative Energien setzen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich davon überzeugt, dass das was in der Ukraine aktuell passiert, die Zukunft der Menschheit prägen werde. Darum müsse die EU versuchen, „einen Krieg an unseren Grenzen zu verhindern“. Bedroht sei nämlich das Recht souveräner Staaten, frei über die eigenen Sicherheits- und Bündnisstrukturen zu bestimmen. Die EU signalisiere Moskau Verhandlungsbereitschaft, müsse sich aber zugleich auf Abschreckungsinstrumente wie Sanktionen vorbereiten.
Der Fraktionsvorsitzende der christdemokratischen EVP, Manfred Weber, ging auch auf die innenpolitische Lage in Russland ein. Angesichts der drohenden Haft-Verlängerung für den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sagte Weber: „Putin versucht, die Freiheit und die Opposition wegzusperren. Allein das wäre schon Grund genug für Sanktionen.“ Auch der Versuch, die Ukraine durch die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk zu spalten, sei sanktionswürdig. Putin sei bereit zum Krieg und habe dies bereits bewiesen. DT/sba
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