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Enteignen wir das System Putin

Wenns ums Geld geht, reagiert die Kreml-Mafia höchst schmerzempfindlich. Daraus muss die EU eine wirksame Waffe machen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell
Foto: IMAGO/Lev Radin (www.imago-images.de) | Die EU-Kommission und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell machen dem Kreml einen Strich durch die Rechnung: Nicht die eingefrorenen Gelder, aber ihre Erträge sollen jetzt enteignet und für die Verteidigung der ...

Die EU-Sanktionen gegen Russland seien wirkungslos, das sehe man jeden Tag auf dem ukrainischen Schlachtfeld, heißt es. Und tatsächlich konnten all die Sanktionspakete, die in Brüssel mit großer Mühe geschnürt wurden, die Aggression des Putin-Regimes nicht stoppen, die Kriegsverbrechen nicht beenden. Zumal Russland ja weiter recht gute Geschäfte macht, übrigens auch mit dem vielgeschmähten, verhöhnten und beschimpften Westen.

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Rund 210 Milliarden Euro, die der russischen Zentralbank gehören, hat die EU auf ihrem Hoheitsgebiet eingefroren. Macht nichts, dachte man sich offenbar bislang in Moskau, die werden irgendwann wieder aufgetaut – und das mit üppigen Zinsen. Doch da wollen die EU-Kommission und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den Meisterrechnern im Kreml jetzt einen Strich durch die Rechnung machen: Nicht die eingefrorenen Gelder, aber ihre Erträge sollen jetzt enteignet und für die Verteidigung der Ukraine verwendet werden.

Die Mafia beim Geld packen

Das ist nur gerecht: Russland zerstört die Ukraine, aber auf Reparationszahlungen aus Moskau darf Kiew wohl kaum hoffen. Am besten wäre es, wenn die EU die eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank und der Putin-hörigen, mit EU-Sanktionen belegten Oligarchen komplett für den Wiederaufbau der Ukraine zur Verfügung stellen würde. Solange es dagegen juristische Bedenken gibt, kann man der Ukraine zumindest die Erträge aus den Russen-Geldern für ihre Selbstverteidigung überlassen. Das sind heuer auch schon so 2,5 bis drei Milliarden Euro, also mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Julia Nawalnaja, die Witwe des vom „System Putin“ ermordeten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, hatte es der Europäischen Union ja direkt empfohlen: In ihrer spektakulären Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg charakterisierte sie das in Russland herrschende Regime als „kriminelle Gang“, als ein mafioses System, das man da packen müsse, wo es weh tut – beim Geld nämlich.

Als wollte er diese These bestätigen, reagierte Putins Sprecher am Mittwoch auf die Drohungen aus Brüssel extrem schmerzempfindlich: Dmitri Peskow, sonst kein Mann zarter Gefühle, jaulte geradezu auf, als die EU die Beschlagnahme der Erträge eingefrorener Russen-Gelder ankündigte. Das sei die „Zerstörung der juristischen Grundlagen des europäischen und internationalen Rechts“, schäumte Peskow und drohte der EU mit jahrzehntelanger strafrechtlicher Verfolgung. Sonderbare Worte aus dem Mund eines Mannes, der alle Völkerrechtsbrüche und Kriegsverbrechen seines Meisters stets wortreich rechtfertigt.

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