Im politischen Berlin herrscht Sommerpause. Die letzte Sitzungswoche im Bundestag ist zu Ende. Es kann aber gut sein, dass die Parlamentarier aus den Ferien zu Sondersitzungen zurückgeholt werden. Von einer Themenflaute, wie sie sonst zu dieser Jahreszeit herrscht, kann jedenfalls keine Rede sein: Energiekrise, Inflation – und natürlich alles überragend: die Ukraine. Während die Ampelkoalition vor der sommerlichen Pause ihr gesellschaftspolitisches Programm mit dem sogenannten Selbstbestimmungsgesetz und der Streichung des Paragraphen 219 a im Parlament durchgepaukt hat, lässt sich bei der Bundesregierung mit Blick auf den Krieg und seine Folgen immer noch keine Linie erkennen.
Falls er einen Plan hat, verrät er ihn nicht
Hier offenbart die „Fortschrittskoalition“, wo bei ihr die politischen Prioritäten liegen. Bundeskanzler Olaf Scholz ist seiner bisherigen Kommunikationslinie treu geblieben, er bleibt fest dabei, es gebe einen Plan, verrät ihn aber nicht. Und auch die Diskussion über die Lösungen der Energiefrage wird nicht von oben geführt, sondern erfolgt weitestgehend planlos. Ob es nun um die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke geht oder um die Frage, ob das Fracking-Verbot so noch haltbar ist, es ist keine konsistente Strategie zu erkennen.
Kein Wunder, dass davon die Opposition profitiert. Bei den Ergebnissen, die das Meinungsforschungsinstitut Politbarometer in dieser Woche veröffentlicht hat, liegt die Union mit 26 Prozent an erster Stelle, dann folgen die Grünen mit 21 Prozent und die Kanzlerpartei SPD belegt mit 20 Prozent erst den dritten Rang. Freilich ist dieses Ergebnis eher auf die Schwäche der Regierung als auf die Stärke der Union zurückzuführen. Die Siege bei den Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein haben den Schwarzen zwar Rückenwind gegeben, aber spricht man mit Leuten von der Basis, sind viele von Friedrich Merz enttäuscht. So sehr er im Parlament als Debattenredner glänzt, das, was sich gerade seine eifrigsten Unterstützer von ihm gewünscht haben, hat Merz bisher noch nicht geliefert.
Viele hadern mit Merz
Viele hadern mit seinem Kompromissvorschlag zur Frauenquote. Und sie beklagen, dass die vielen Bälle, die die Regierung mit ihrer Gesellschaftspolitik einer konservativen Oppositionspartei vor das Tor gelegt hat, nicht kraftvoll ins Ziel geschossen werden. Ob Friedrich Merz mit einer subtilen Bildersprache dagegen halten will: Zur Hochzeit von FDP-Chef Christian Lindner reiste er im Privatflieger an, als Pilot im Cockpit. Das sorgte bei denen, die Merz sowieso nicht mögen, sofort für Aufregung und wurde als Protz-Verhalten des Sauerländers gedeutet.

Bei Union-Stammwählern müssen diese Bilder aber ganz andere Assoziationen ausgelöst haben: Auch Franz Josef Strauß selig war leidenschaftlicher Pilot, reiste sogar einst samt CSU-Entourage mit eigenen Flieger nach Moskau. Wollte Merz hier also vielleicht nur ausdrücken: Ich bin der Pilot im Oppositionscockpit. Und sich so in eine Reihe mit dem legendären FJS stellen?
Söder beherrscht die Bildersprache
Die Strauß-Nachfolge beansprucht für sich eigentlich ein anderer, der ganz sicher die Kunst der Bildersprache beherrscht: der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Chef ist bekanntermaßen ein Serien-Junkie. „Winter is coming“ ist ein wichtiger Slogan für die Kult-Serie „Game of Thrones“. Diese Aufschrift stand auch auf einem Becher bei einer Parteitagsrede von Söder vor zwei Jahren In der Hochphase der Corona-Pandemie. Als der CSU-Chef Tee in die Tasse goss, veränderte sich der Slogan in „Winter is here“.
Damals wollte Söder so auf subtile Weise auf die Corona-Gefahren im Winter aufmerksam machen und landete damit in den Sozialen Medien einen Hit. Nun drohen im Winter ganz andere Nöte. Söder hat zwar gerade erst wieder betont, dass er keine Ambitionen mehr in Berlin habe. Doch angesichts der Planlosigkeit der Regierung und den Zweifeln an den Pilotenqualitäten von Merz ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann Markus Söder wieder seinen Becher auf den Tisch knallt. Dann wäre es auch mit der Ferienruhe in Berlin dahin.
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