Es ist ein Evergreen – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie hält es die Union mit den Grünen? Eigentlich könnte sich die CDU freuen. Sie hat stabile Umfragewerte. Im jüngsten „Sonntagstrend“ des Instituts für Demoskopie Allenbach, gestern in der FAZ veröffentlicht, kommt sie auf 34 Prozent.
Damit ist sie stärker als alle Ampel-Parteien zusammen (SPD: 16 Prozent, Grüne, 11,5 Prozent, FDP: 5 Prozent). Friedrich Merz müsste also eigentlich eine Runde Schampus im Adenauer-Haus schmeißen. Aber es kann der größte Umfrage-Sieger nicht in Frieden feiern, wenn es den bösen Parteifreunden nicht gefällt. Seit einigen Tagen erlebt die Öffentlichkeit den neusten Akt im Stück ohne Ende: „Wie grün sind sich die Schwarzen?“
In die Jahre gekommen
In dieser Debatte geht es nämlich nicht nur um die vermeintlichen Vor- und Nachteile der selbsternannten Öko-Partei, in Wirklichkeit ist dieser Streit auch immer eine Stellvertreterdebatte. Hier wird ein innerparteiliches Kräftemessen ausgetragen.
Das wird für eine Kanzlerpartei wie die CDU vor allem dann wichtig, wenn am Kopfplatz in Berliner Kabinettssaal schon bald wieder ein Schwarzer sitzen könnte. Soll das tatsächlich Friedrich Merz sein? Obwohl der einstige Intim-Feind von Angela Merkel betont zahm und höflich mit den Anhängern der Ex-Kanzlerin umgegangen ist, Fans des Sauerländers sind die Merkelisten nicht geworden. Ihre Protagonisten sind in die Jahre gekommen.

Die Ersten ziehen sich schon aus der Politik zurück, Hermann Gröhe etwa will nicht mehr wieder für den Bundestag antreten. Als sie in den letzten Jahren der Kohl-Ära mit der „Pizza-Connection“ die ersten Bande Richtung Grüne knüpfen wollten, da waren sie noch jung. Aber jetzt sehen sie alt aus. Die Jungen in der Generation treten bewusst konservativ auf. Philipp Amthor ist das Role Model, nicht Annette Widmann-Mauz (die Chefin der Frauen-Union tritt übrigens auch nicht mehr an).
Schwarz-grüne Träume
Umso sentimentaler hängt man hier schwarz-grünen Träumen an, auch deswegen, weil wahrscheinlich wenig anderes die konservativen Parteifreude so auf Palme bringt. Es stimmt eben immer: Die Steigerung von Todfeind ist Parteifreund. Und wahrscheinlich fühlt sich tatsächlich mancher Christdemokrat aus NRW auch habituell Cem Özdemir näher als bestimmten Parteifreunden im Osten.
Neu ist nun, dass nicht die Schwarzen um die Grünen herumschwänzeln, sondern umgekehrt die Ökos der Union schöne Augen machen. Dahinter steht die einfache Erkenntnis der grünen Realos: Regieren ist besser als nicht regieren. Und da die Ampel bald Geschichte ist – siehe Umfrage oben –, will man sich in die Arme der Union flüchten. CSU-Chef Markus Söder sprach nun sogar von „Anbiederei“. Die Tage, an denen der bayerische Ministerpräsident Bäume umarmte, sind lange vorbei. Die Grünen seien der „ideologische Kern“ der Regierung und deswegen könne es mit ihnen auch kein Bündnis geben.
Kandidat Wüst
Doch dann ist da eben noch Hendrik Wüst, Ministerpräsident von NRW und Chef eines schwarz-grünen Bündnisses. Gegenüber der SZ erklärte er, die Union solle mit allen Parteien der Mitte gesprächs- und koalitionsbereit sein. Wüst, der sich als der nette Schwiegermutter-Typ von nebenan in Szene setzt, wurde letztens bei einer Umfrage unter CDU-Mitgliedern von Forsa als Favorit für die Kanzlerkandidatur gekürt. Bei der gleichen Erhebung plädierten aber auch 45 Prozent dafür, jenseits der Brandmauer über neue Konzepte der Zusammenarbeit mit der AfD nachzudenken. Ein inhaltlicher Widerspruch?
Umfragen ersetzen eben keine politische Führung. Wer über die tatsächlich verfügt, wird sich schon bald auch im Streit um eine schwarz-grüne Zukunft zeigen.

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