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Angst vor der eigenen Courage?

Die DBK veröffentlicht ein bemerkenswert klares Dokument zur Rentendiskussion – bewusst, nachdem die Entscheidung im Bundestag gefallen ist.
Onlineredakteur Jakob Ranke, Bischof Heiner Wilmer
Foto: DT / IMAGO / photothek | Ziemlich substanziell: Der Reformaufruf der DBK hat es durchaus in Sich.

Jetzt also auch die Kirche: Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich in die Diskussion um eine Rentenreform eingeschaltet. Der am Donnerstag in der Bundespressekonferenz von Bischof Heiner Wilmer (Hildesheim), Weihbischof Anton Losinger (Augsburg) und dem Wirtschaftsweisen Martin Werding vorgestellte Text mit dem Namen „Zusammenhalt durch Reformen sichern. Impulse für einen gerechten und verlässlichen Sozialstaat“ ist gleich in mehrfacher Weise interessant.

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Inhaltlich plädieren die Bischöfe recht unverblümt für unpopuläre Maßnahmen wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters oder Umverteilung von reicheren zu ärmeren Rentnern. Dabei ist das Papier für eine DBK-Veröffentlichung über weite Strecken ungewöhnlich nüchtern und schildert die desolate Situation, auf die die Rentenkassen zusteuern, ohne jede sozialromantische Schönfärberei. Auch das gerade beschlossene Rentenpaket der Regierung kommt nicht gut weg: Die nicht wörtlich adressierte, aber unmissverständlich gemeinte sogenannte „Haltelinie“ von 48 Prozent – der teuerste Teil des Pakets –, sorge für steigende Beitragssätze oder eine stärkere Belastung des Bundeshaushalts, was den Staat „immer stärker an der Erfüllung anderer Aufgaben hindern“ könne. Die ungewohnte Klartext-Linie gipfelt in der seltenen Einsicht, zur Begründung einer politischen Maßnahme reiche es eben „nicht aus, dass sie wünschenswert wäre und der Gerechtigkeit dienen würde“.

Dass die „Rentenkommission“ etwas erreicht, ist unwahrscheinlich

Natürlich stellt sich die Frage, warum die Bischöfe – anders als viele Stimmen aus Wissenschaft und Wirtschaft – ein derart unvernebeltes Statement erst dann lancieren, wenn die Entscheidung zu einer teuren und kontraproduktiven Reform bereits gefallen ist. Denn abgesegnet wurde das Papier, wie DBK-Pressesprecher Matthias Kopp dieser Zeitung bestätigte, bereits auf der Sitzung des Ständigen Rates der DBK am 24. November. Nur einen Tag zuvor hatte sich etwa auch eine Gruppe prominenter Ökonomen im „Handelsblatt“ zu Wort gemeldet und den Stopp des Rentenpakets gefordert, das der Bundestag dann erst am 5. Dezember verabschiedete. Ging es etwa gar nicht darum, etwas zu erreichen? Die Regierung um Friedrich Merz, mit dessen Partei die Bischöfe im Wahlkampf noch heftig kollidierten, dürfte die Zurückhaltung jedenfalls mit Dankbarkeit aufgenommen haben.

Doch es muss auch den Bischöfen klar sein, dass etwaige Reformempfehlungen der „Rentenkommission“, die nun bald Vorschläge erarbeiten soll, es in der schwarz-roten Realität schwer haben werden. Man kann an der Rentendebatte, die dank Kommission wohl noch ein bisschen weiterköcheln wird, dann schon noch teilnehmen. Nur ist es wenig wahrscheinlich, dass mit einer SPD, deren erste Priorität eine Rentenerhöhung war, im Nachgang eine Revision hin zu schmaleren Ausgaben möglich sein wird.

Kein Öl ins Feuer

Bischof Wilmer erklärte den Widerspruch bei der Vorstellung des Papiers so: „Die letzten Wochen verliefen unter großer politischer Anspannung. Da brauchte es nicht noch einen weiteren Akteur. Nachdem letzte Woche das sogenannte ‚Rentenpaket 2025‘ verabschiedet worden ist, geht es jetzt im Rahmen der Rentenkommission um mittel- und langfristige Lösungen. Auch für die Zukunft der Pflege ist eine Kommission eingesetzt. Uns geht es mit dem Papier nicht nur um die Rente, sondern um alle Sozialversicherungen.“

Diese Zurückhaltung im Angesicht einer aufgeheizten Debatte kann man richtig finden. Bischöfe müssen nicht in jede Debatte crashen, sonst nutzt sich die Öffentlichkeitswirkung ab. Es sollte schon wichtig sein. Auf der anderen Seite geizt das grundsätzlich sehr sachliche DBK-Reformpapier auch nicht mit gezieltem Pathos. Alle „demokratischen Kräfte“ stünden „in der Verantwortung, den Dialog über die Reform der sozialen Sicherungssysteme so zu führen, dass unnötige Ängste vermieden und Kompromisslinien gefunden werden, die die politische Handlungsfähigkeit erhalten“, heißt es in der Einleitung. Nur so nehme „das demokratische Gemeinwesen keinen Schaden“. Das erinnert, wenngleich etwas konventioneller formuliert, an Markus Söders Diktum von der „letzten Patrone der Demokratie“, die der bayerische Ministerpräsident in der amtierenden Regierung erkennt. Auch das bischöfliche Papier liest sich stellenweise wie der geronnene Angstschweiß, dass es bald mit den letzten Resten bundesrepublikanischer Stabilität aus sein könnte, wenn die Regierung sich nicht endlich an die Lösung der Probleme des Landes macht.

Wenn dem aber so ist, war es dann verantwortlich, zurückzuhalten, als die nun beschlossene, in ihrer Wirkung ebenfalls „mittel- bis langfristige“ Destabilisierung der Rentenkassen vielleicht noch aufzuhalten war?

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